Niedriger hängen!

Es gibt Ereignisse, anlässlich derer Politik und Medien einander hochschaukeln – eine davon ist die EU-Taxonomie. Als wären deren Inhalte nicht schon längst bekannt, bedurfte es erst der Silvesterfaxe aus Brüssel und dann des Aufschaukelns. In der ARD wurden die Ampel-Grünen als Verlierer beschimpft („Alptraumstart“) und eine nicht zuständige (grüne!) Ministerin (Lemke) vor die Kamera gezerrt. Irgendwer „erhöhte den Druck“ (eine ebenso beliebte wie nichtssagende Journalistenfloskel, die nichts weiter beschreibt, als dass irgendjemand lauter schreit und härtere Kraftworte in den Mund nimmt als jemand anderer. Wo da Druck entsteht – keine Ahnung). Umweltaktive, NGO, Medien und Politiker haben mit Ihren dramatischen Protesten keinen Druck erhöht, dafür aber einen Verlust herbeigeredet und Deutschland in der EU zum Verlierer abgestempelt. Die Kleinstreaktoren – wenn sie überhaupt etwas taugen – könnten in Osteuropa zum Symbol des Endes deutscher Techniküberlegenheit werden. Derweil steckt aber kein Privatinvestor mehr auch nur einen Cent in (große) AKW. Warum? Wegen des Atommülls? Nein! Wegen Tschernobyl oder Fukushima? Nein! Sondern weil Kernkraft sich nicht mehr rentiert; sie ist schlicht unrentabel. Nur Regierungen fördern noch Atomenergie – aus ganz anderen Beweggründen als der Rentabilität, aus militärischen etwa, oder Prestigesucht. Denn Atomstrom kostet schon heute viel mehr als der aus Wind und Solar, Tendenz steigend. Darum investiert kein Unternehmen oder Pensionsfonds mehr auf eigenes Risiko in neue AKW, schreibt Harald Schumann im Tagesspiegel. Nur wenn Steuerzahler für mögliche Schäden haften, werde noch gebaut, wie etwa im britischen Hinkley Point. Dort habe die Regierung den Betreibern auf 30 Jahre die Abnahme zum Doppelten des Marktpreises zugesichert. (Müsste das GAU-Risiko privat versichert werden, würde die Kilowattstunde je nach Laufzeit 67 Euro teurer werden, so eine Berechnung von 2011). Schumann: Das einzig „Nachhaltige“ an der Kernspaltung sei die über Jahrtausende anhaltende Strahlung des tödlich giftigen Abfalls; und der Strom aus Erdgas sei kaum weniger klimaschädlich als der aus Kohle. Dennoch habe der Brüsseler delegierte Rechtsakt so viel Empörung nicht verdient. Er hat recht. -GH-