RWE hat marktbeherrschende Stellung

3. Marktmachtbericht zur Stromerzeugung 2021 des Bundeskartellamtes – Reaktionen

Deutschlands größter Stromerzeuger RWE hat 2021 infolge des Abschaltens erster Kohlekraftwerke sowie einer vergleichsweise niedrigen Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien seine Vormachtstellung am Energiemarkt weiter gefestigt, stellte am 17.02.2022 das Bundeskartellamt in seinem dritten Marktmachtbericht fest. Allein 2020 produzierte der Essener Energiekonzern ein Viertel des deutschen Stroms. Laut Kartellamt überschreitet RWE damit als einziges EVU derzeit „die vom Bundeskartellamt verwendete Vermutungsschwelle für eine marktbeherrschende Stellung“ klar. Die Behörde hat zudem ermittelt, wer den Regelenergiemarkt dominiert. RWE jedenfalls hat seine Ergebnisprognose für 2022 deutlich erhöht.

Marktmachtbericht 2021 – Titel © bundeskartellamt.de

Der Bericht über die Wettbewerbsverhältnisse bei der Erzeugung elektrischer Energie 2021 analysiert wie bereits in den vergangenen Jahren die Marktmachtverhältnisse bei der Erzeugung und dem erstmaligen Absatz von Strom. Erstmals stellt der Bericht Indikatoren für die Marktverhältnisse in bestimmten Bereichen der Regelenergie vertiefter dar und er analysiert die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse auf dem deutsch-luxemburgischen Stromerstabsatzmarkt vom 01.10.2020 bis einschließlich 30.09.2021. Die Analysen basieren auf umfangreiche Daten zum Einsatz sämtlicher Kraftwerke in Deutschland. Die Analysen zeigen weiter, dass die Bedeutung ausländischer Kraftwerkskapazitäten für den deutschen Stromerstabsatzmarkt zugenommen hat.

Kartellamts-Präsident Andreas Mundt: „Das vergangene Jahr war durch ein Wiederanziehen der Stromnachfrage und die ersten Kraftwerksabschaltungen im Zuge des Kohleausstiegs gekennzeichnet. Hinzu kam eine vergleichsweise niedrige Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien. Dadurch wurde der Kraftwerkspark des unverändert größten Stromerzeugers RWE erwartungsgemäß in einer deutlich größeren Anzahl von Stunden unverzichtbar für die Deckung der Stromnachfrage. Nach unseren Ermittlungen liegt RWE damit über der Schwelle für eine marktbeherrschende Stellung. Die Abschaltung dreier weiterer Kernkraftwerke am Jahresende 2021 sowie der fortschreitende Kohle- und Atomausstieg verstärkt die Marktstellung von RWE tendenziell weiter.“

Angebot von Regelenergie

Im Bereich des Angebots von Regelenergie, die zum Ausgleich von Frequenzschwankungen im Stromnetz benötigt wird, wurden mit der Einführung des Regelarbeitsmarktes im November 2020 die wettbewerblichen Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Vor diesem Hintegrund hat das Bundeskartellamt erstmalig Indikatoren für die Marktverhältnisse bei verschiedenen Formen der Regelenergie ermittelt.

Laut Mundt deuten die analysierten Kraftwerksdaten „auf eine sehr hohe Konzentration in bestimmten Bereichen der Regelenergie hin.Dies gilt insbesondere für die sogenannte positive Sekundärregelung. Für diese spielen Pumpspeicheranlagen eine ganz herausgehobene Rolle und hier ist EnBW der führende Anbieter. Ob dies bis hin zu einer marktbeherrschenden Stellung reicht, muss noch vertieft und unter Einbeziehung weiterer Faktoren geprüft werden. Das Preissetzungsverhalten der großen Anbieter im Bereich der Regelreserve wird von uns weiterhin sehr genau beobachtet.“

Ausblick

Das Bundeskartellamt hat den gesetzlichen Auftrag, mindestens alle zwei Jahre einen gesonderten Bericht über die Wettbewerbssituation bei der Erzeugung elektrischer Energie zu veröffentlichen. Die Berichte sollen den Marktakteuren mehr Rechtssicherheit über ihre jeweils aktuelle Marktposition verschaffen. Aufgrund der Dynamik des Transformationsprozesses im Zuge des fortschreitenden Atom- und Kohleausstiegs und der bevorstehenden Etablierung europäischer Plattformen für die Regelenergiebeschaffung erwägt das Bundeskartellamt, auch den kommenden Marktmachtbericht früher als nach der gesetzlich vorgesehenen Zweijahresfrist zu veröffentlichen.

Scharfe Kritik von NATURSTROM-Chef Banning: „Nachteil der Verbraucher und Unternehmen“

Thomas E. Banning, Vorstandvorsitzender des unabhängigen Öko-Energieversorgers NATURSTROM, kritisiert in einer Medienmitteilung scharf, dass es zu dieser Situation kommen konnte. Als ursächlich hierfür sieht er den Deal zwischen E.ON und RWE 2018. Beide Unternehmen haben seitdem in ihren jeweiligen Märkten marktbeherrschende Stellungen, behindern so einen fairen Wettbewerb und nutzen ihre Marktmacht zum Nachteil der Verbraucher und Unternehmen.

„Nachdem ihre Zukunft wenig rosig aussah, wollten RWE und E.ON mit dem Ende 2018 verabredeten Megadeal den Energiemarkt untereinander aufteilen. Nun wird deutlich, dass unsere Warnungen vor den Folgen dieses Deals zutreffend waren: Die Strategie der beiden Konzerne zeigt Erfolg – zum Nachteil von Stromabnehmern und Wettbewerb. Nachdem bei RWE in dem Tausch von Unternehmensteilen die Erzeugungskapazitäten konzentriert wurden, hat der Energieriese nun nicht nur in den Augen anderer Marktteilnehmer, sondern auch in denen des Bundeskartellamtes eine marktbeherrschende Stellung erreicht. Vor dieser absehbaren Entwicklung und ihren Folgen haben wir schon lange gewarnt. Dass sie sich nun ausgerechnet mitten in einer Energiepreiskrise manifestiert, muss als ein Schlag ins Gesicht aller Verbraucher und ein erheblicher Rückschlag für die liberalisierten Energiemärkte gewertet werden. Während die gesamte Wirtschaft unter hohen Energiepreisen ächzt, kann RWE aufgrund der extremen Situation an der Strombörse als größter Erzeuger, leider vor allem aus konventionellen Kraftwerken, seine Gewinnprognose deutlich anheben“.

Im Kartellamtsbericht werde bescheinigt, dass RWE nach mehreren Jahren knapp unter der formellen Schwelle für eine marktbeherrschende Stellung diese nun deutlich überschritten habe. Insgesamt stelle RWE demnach mehr als ein Viertel der Stromerzeugung des Erst-Absatzmarktes. Entscheidend sei aber vor allem, dass die Nachfrage an vielen Zeitpunkten nicht mehr ohne die RWE-Kapazitäten zu decken sei, wodurch das Unternehmen den Markt und die gehandelten Preise beeinflussen könnte. Diese Dominanz werde auch dadurch verstärkt, dass RWE mit weiteren Strommengen anderer Stromerzeuger am Markt handle. Die Situation verschärfe sich laut Bundeskartellamt durch die anstehenden Abschaltungen von Atom- und Kohlekraftwerken sogar weiter.

Banning fordert eine zügige Bearbeitung der Klagen, die NATURSTROM sowie zehn kommunale Energieversorger bereits im Mai 2020 beim Europäischen Gerichtshof gegen die Freigabe des Deals durch die EU-Kommission eingereicht haben: „Es war absehbar, dass der Deal von RWE und E.ON zu Lasten des Wettbewerbs geht, weshalb wir und andere auch schnell auf eine juristische Überprüfung der Freigabe hingearbeitet haben. In dem Prozess fallen die Gegenparteien allerdings vor allem durch Verzögerungstaktiken sowie das Aufblasen der Kosten zur Abschreckung der Klägerinnen auf – und auch das Europäische Gericht behandelt die Sache nicht mit dem aus unserer Sicht notwendigen Nachdruck. Während sich in Luxemburg das Verfahren immer weiter hinzieht, werden von den Energiekonzernen Fakten geschaffen – mit den nun sichtbar werdenden schädlichen Folgen. Die Verhandlung muss nun endlich beschleunigt und dabei auch die aktuellen Entwicklungen berücksichtigt werden, die ja genau das abbilden, was wir prognostiziert haben.“

Von der neuen Bundesregierung erhofft sich der NATURSTROM-Chef dabei eine deutlich neutralere Rolle als die der zuvor regierenden Großen Koalition, die die Wünsche von RWE und E.ON wohlwollend begleitet hatte und dann sogar als Streithelferin auf Seiten der Konzerne dem Verfahren beigetreten ist. „Die Ampelkoalition hat sich vollkommen zurecht eine dezentrale Energiewende, mehr Innovation und eine Stärkung des Wettbewerbs auf die Fahnen geschrieben. Diese Ansinnen vertragen sich aber nicht mit zwei Megakonzernen, die einerseits die Stromerzeugung, andererseits das Netz- und Endkundengeschäft zu großen Teilen unter ihren Fittichen haben. Ich hoffe daher sehr, dass die nun Verantwortlichen im Kanzleramt und den Ministerien nicht mehr einfach Unternehmen allein ihrer Größe wegen protegieren, sondern verstärkt Wettbewerb und Verbraucherschutz als Leitmotive nutzen. Die Energiewende und unsere ganze deutsche Wirtschaft leben vom innovativen Mittelstand, nicht von Marktaufteilung und -beherrschung. Diese Stärken müssen wieder in den Fokus der Politik rücken“, so Banning abschließend.

->Quellen: