Niederlage für Pforzheimer Stadtwerke: Preissteigerung auf 336% unzulässig

Landgericht Mannheim stoppt doppelte Tarifstruktur für Grundversorgung

Die Pforzheimer Stadtwerke (SWP) dürfen in der Grundversorgung nicht mit zwei Tarifen agieren. Das Landgericht Mannheim untersagte am 25.02.2022 den SWP, von Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung höhere Preise zu verlangen. In der am Mittwoch verkündeten Entscheidung heißt es, das Stadtwerk „missbrauche seine marktbeherrschende Stellung“. Schon in der Woche zuvor hatte das Landgericht Frankfurt dem Versorger Mainova die Aufspaltung der Grundversorgung in Bestands- und Neukunden-Tarife untersagt. Beide Verfahren hatte der Grünstromanbieter LichtBlick angestrengt. Gegen die Stadtwerke Pforzheim ermittelt in der gleichen Sache auch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg. Inzwischen sind weitere E-Werke vor Gericht unterlegen.

Kohlekraftwerk der Mainova, Frankfurt am Main – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Das Landgericht Frankfurt hat dem Energieversorger Mainova untersagt, von Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung höhere Preise zu verlangen. Die Praxis der sogenannten Preisspaltung ist laut Gericht wettbewerbswidrig und verstößt gegen das Energiewirtschaftsgesetz. Der Gerichtsbeschluss wurde in der vergangenen Woche verkündet (Az. 03-06 O 6 / 22). LichtBlick hatte das Verfahren angestrengt, um gegen Preiswucher in der Grundversorgung vorzugehen. Die zuständige Richterin bestätigte nun die Rechtsauffassung von LichtBlick. (20.02.2022)

„Das Landgericht legt den Finger in Wunde. Die Stadtwerke betreiben Preiswucher auf Kosten der Verbraucher und nutzen eine Notlage aus. Ein Preis von 1,08 Euro pro Kilowattstunde ist durch nichts zu rechtfertigen, auch nicht durch die hohen Einkaufspreise für Strom“, erklärt Markus Adam, Chefjurist von LichtBlick.

Im konkreten Fall hatten die Stadtwerke Pforzheim Ende 2021 von Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung 107,66 Cent pro Kilowattstunde verlangt – eine Anhebung des Preisniveaus auf 336 Prozent im Vergleich zu Bestandskunden. Im Januar hatte der Versorger den Preis dann auf immer noch deutlich überhöhte 55,24 Cent gesenkt, was einem Preisniveau von 173 Prozent entspricht. Die Stadtwerke, so stellt das Gericht nüchtern fest, hätten „nicht glaubhaft gemacht, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt war“. Das Landgericht Mannheim stellt fest, dass die Grundversorgung generell „wirtschaftlich attraktiv“ sei. Trotzdem hatten hunderte Stadtwerke in den letzten Monaten höhere Neukunden-Tarife in der Grundversorgung eingeführt.

Überhöhte Preise für Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung behindern laut Gericht jedoch gleich auf zwei Wegen den Wettbewerb: Erstens ermöglichten sie niedrige Bestandskunden-Tarife, was den Wettbewerb beschränke. Und zweitens kämen sie einer „faktischen Marktabschottung“ gleich. Denn ein Stadtwerke-Kunde, der grundsätzlich bereit sei, zu einem Wettbewerber zu wechseln, werde abgeschreckt. Schließlich müssen Kunden fürchten, selbst die exorbitant hohen Neukunden-Preise zahlen zu müssen, sollten sie in Zukunft auf die Grundversorgung angewiesen sein. „Mit der Preisspaltung missbrauchen aktuell hunderte Stadtwerke ihre ohnehin lukrative Markstellung als regionale Monopolisten und Grundversorger. Es ist höchste Zeit, die Grund- und Ersatzversorgung wettbewerblich zu organisieren“, so Adam.

Erneut untersagen Richter Tarifsplit in der Grundversorgung

Nach den Landgerichten in Frankfurt und Mannheim hat auch das Landgericht Hannover einem Stadtwerk untersagt, von Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung mit Strom höhere Preise zu verlangen. In dem Urteil vom 10.03.2022 geht es um die Preisspaltung bei der EVI Energieversorgung Hildesheim (Az. 25 O 6 / 22).

„Ein Grundversorger muss von allen Kunden die gleichen Strom- und Gaspreise verlangen. So werden Verbraucheren und Wettbewerb geschützt. Angesichts der Energiekrise und steigender Endkundenpreise dürfen sich die regionalen Monopolisten nicht gegen den Wettbewerb abschotten“, so LichtBlick Chefjurist Markus Adam. Laut LichtBlick haben hunderte Stadtwerke in den letzten Monaten Splittarife in der Grundversorgung eingeführt.

Bereits im Februar hatten Gerichte die Versorger Mainova und Stadtwerke Pforzheim angewiesen, die Aufspaltung in Bestands- und Neukunden-Tarife zu unterlassen. Alle drei Verfahren hat LichtBlick angestrengt. Die betroffenen Versorger hatten das Preisniveau für Neukunden in der Spitze um bis zu 336 Prozent gegenüber Bestandskunden angehoben. Gegen die Stadtwerke Pforzheim ermittelt in der gleichen Sache auch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg. Auch Verbraucherzentralen haben gegen Stadtwerke mit Splittarifen geklagt und die von LichtBlick erwirkten Urteile begrüßt.

Einige Gerichte hatten in den letzten Wochen gegenteilige Entscheidungen getroffen und den Tarifsplit für zulässig erklärt. „Diese Position wird sich nicht durchsetzen, weil sie die kartellrechtlichen Vorgaben außer Acht lässt“, so Adam. LichtBlick fordert eine Reform der Grund- und Ersatzversorgung: „Die Tatsache, dass den regionalen Strom-Monopolisten jährlich automatisch hunderttausende Kunden per Gesetz zufallen, stärkt ihre marktbeherrschende Rolle. Dieser Automatismus verstößt gegen das europäische Kartell- und Beihilferecht. Künftig muss auch die Grund- und Ersatzversorgung wettbewerblich organisiert werden“, so Adam.

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