Rekord-Temperaturen in der Antarktis

Ungewöhnlich warm

Die Antarktis erlebte am 20.03.2022 extrem hohe Temperaturen, wie zahlreiche Medien melden: Die Forschungsstation Dome Concordia (Dome C – „Kuppel“), eine seit 2005 von Italien und Frankreich betriebene wissenschaftliche Forschungsstation auf der Eiskuppel „Charlie“ im Polarplateau der Ostantarktisin 3233 m über Meereshöhe habe am 18.03.2022 einen „Hitze“-Rekord von minus 11,5 Grad Celsius registriert, teilte der Meteorologe Etienne Kapikian von Météo-France auf Twitter mit. Normalerweise fallen die Temperaturen mit dem Ende des arktischen Sommers. Die Station Dumont d’Urville, eine 1956 gebaute französische wissenschaftliche Station auf der Pétrel-Insel im Géologie-Archipel, registrierte mit 4,9 Grad Celsius eine Rekordtemperatur für den Monat März.

Base Dumont d’Urville – Foto © Samuel Blanc, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org

Am kältesten war der 18.03.2022 mit 0,2 Grad plus. Um diese Jahreszeit lagen die Temperaturen sonst bereits unter Null. Das ungewöhnlich milde Wetter im antarktischen Osten – teilweise rund 30 Grad mehr als für die Jahreszeit üblich – nannte ein Wissenschaftler von von Météo-France ein „historisches Ereignis“. Hält das Phänomen an, könnte sich die Eisschmelze rasant beschleunigen, fürchten Experten.

„Jetzt, nach der Sommersonnenwende im Dezember, sollten die Temperaturen schnell fallen“, erklärte der Geowissenschaftler Jonathan Wille aus Grenoble auf Twitter: „Diese Hitzewelle in der Antarktis verändert das, was wir als antarktisches Wetter für möglich hielten“.

Die Küstenbasis von Terra Nova lag bei 7 Grad Celsius weit über dem Gefrierpunkt. Dies überraschte die Beamten des National Ice and Snow Data Center in Boulder, Colorado, sagte Walt Meier, Wissenschaftler des Eiszentrums. „Sie sind entgegengesetzte Jahreszeiten. Sie sehen den Norden und den Süden (Pole) nicht gleichzeitig schmelzen“, sagte Meier am Freitagabend gegenüber The Associated Press. „Es ist definitiv ein ungewöhnliches Ereignis.“ „Es ist ziemlich beeindruckend“, fügte Meier hinzu. „Wow. Ich habe so etwas in der Antarktis noch nie gesehen“, sagte der Eiswissenschaftler der University of Colorado, Ted Scambos, der kürzlich von einer Expedition auf den Kontinent zurückgekehrt ist. „Es ist kein gutes Zeichen, wenn man so etwas sieht“, warnte der Meteorologe der Universität von Wisconsin, Matthew Lazzara. Lazzara überwacht die Temperaturen in der Kuppel C-II der Ostantarktis und hat am vergangenen Freitag -10 Grad Celsius aufgezeichnet, wobei -43 Grad Celsius normal sind: „Das ist eine Temperatur, die Sie im Januar und nicht im März sehen sollten. Januar ist dort Sommer. Das ist dramatisch.“

Sowohl Lazzara als auch Meier sagten, dass das, was in der Antarktis passiert ist, wahrscheinlich nur ein zufälliges Klimaereignis und kein Zeichen des Klimawandels ist. Aber wenn es wieder oder wiederholt passiert, könnte es ein Grund zur Sorge sein und Teil der globalen Erwärmung sein, sagten sie. Die Hitzewelle der Antarktis wurde erstmals von der Washington Post gemeldet. Laut dem Climate Reanalyzer der University of Maine war der gesamte antarktische Kontinent am Freitag etwa 4,8 Grad Celsius wärmer als die Referenztemperatur zwischen 1979 und 2000, basierend auf meteorologischen Modellen der US National Oceanic and Atmospheric Administration. Zur gleichen Zeit war die Arktis insgesamt am vergangenen Freitag 3,3 Grad wärmer als der Durchschnitt von 1979 bis 2000. Im Vergleich dazu lag die gesamte Welt von 1979 bis 2000 nur 0,6 Grad Celsius über dem Durchschnitt. Weltweit ist der Durchschnitt von 1979 bis 2000 etwa 0,3 Grad Celsius wärmer als der Durchschnitt des 20. Jahrhunderts.

Was wahrscheinlich passiert ist, war „ein großer atmosphärischer Fluss“, der in warme, feuchte Luft vom Pazifik in den Süden gepumpt wurde, sagte Meier. Und in der Arktis, die sich zwei- oder dreimal schneller erwärmt hat als der Rest der Welt und als anfällig für den Klimawandel gilt, erreichte warme Atlantikluft nördlich der Küste Grönlands.

Auch wenn das Phäomen der Spitzentemperaturen nicht auf den Klimawandel zurückgeführt werden kann, ist die Häufung und Intensivierung von Hitzewellen eines der deutlichsten Anzeichen für die Erderwärmung. Die Pole heizen sich dabei schneller auf als der Rest des Planeten, auf dem die Durchschnittstemperatur 1,1 Grad Celsius über dem Niveau des vorindustriellen Zeitalters liegt. Die in Paris bei der COP21 beschlossene Grenze liegt bei „Well below 2 degrees“, also genauer gesagt bei 1,5 Grad. Klimaforscher blicken mit großer Sorge auf die „Hitzewelle“ am Südpol -so der WDR in einem Bericht. „Die Antarktis war lange Zeit relativ stabil“, erklärte der Hamburger Klimaforscher und Meteorologe Mojib Latif am Sonntag im Gespräch mit dem WDR. In den vergangenen 20 Jahren habe dann der Trend zur Erwärmung auch am südlichsten Punkt des Planeten eingesetzt. „Das ist sehr besorgniserregend.“

Insbesondere die immer schnellere Eisschmelze in der Antarktis könne auf lange Sicht ein echtes Problem für die Welt werden, warnte Latif. „Wir hatten gerade jetzt einen neuen Tiefststand beim arktischen Meereis.“ Das werde unweigerlich zu steigenden Meeresspiegeln beitragen – besonders weil das Phänomen auch am Nordpol beobachtet wird.

Auch wenn die Antarktis 14.000 Kilometer von Deutschland entfernt ist – die Auswirkungen würden irgendwann auch an den deutschen Küsten spürbar sein, warnt Latif. „Im Moment reden wir über einen Anstieg an der Nordsee um 30 Zentimeter seit 1900. Das wird sich in den nächsten Jahrzehnten aber noch dramatisch beschleunigen.“
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