Wie Russland Europas Atomenergie in der Tasche hat

Nicht nur bei Öl und Gas hat sich Europa abhängig von Russland gemacht

Der russische Staatskonzern Rosatom ist eines der weltweit führenden Unternehmen im Urangeschäft. Über ein Drittel des weltweiten Bedarfs an angereichertem Uran, das aus großen Mengen Natururan – zu finden in Gesteinsschichten weltweit – hergestellt wird, kommt von Rosatom. Natururan ist das Brennelement, das für den Betrieb von Kernkraftwerken gebraucht wird. Der russische Staatskonzern baut dabei nicht nur in Russland Uran ab und reichert diesen für die Verwendung in Atomkraftwerken an, sondern hat in den vergangenen Jahren erhebliche Anteile an Bergbaugesellschaften weltweit übernommen, wie aus der neuesten Auflage des Uran-Atlas hervorgeht, der vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit der Nuclear Free Future Foundation, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Umweltstiftung Greenpeace und .ausgestrahlt herausgegeben wurde. Mehr dazu von Manuel Först in energiezukunft.

URAN-ATLAS 2022 – Titel © BUND; Nuclear free future; .ausgestrahlt; Umweltstiftung – Greenpeace; Rosa Luxemburg Stiftung

Weltweite Beteiligungen

In Russland selbst wurden 2020 2.846 Tonnen Uran gefördert, rund sechs Prozent der weltweiten Uranproduktion. 2013 übernahm Rosatom mit der kanadischen Bergbaugesellschaft Uranium One eines der weltweit führenden Unternehmen für den Uranabbau. Rosatom hält 94,4 Prozent der Anteile, der Rest gehört dem russischen Finanzministerium. Außerhalb Russlands ist der russische Staatskonzern insgesamt an fünf Minen in den USA, an drei Minen in Kanada sowie an Projekten in Mosambik und Tansania beteiligt.

In Kasachstan, dem Land mit der seit Jahren weltgrößten Uranförderung, ist Rosatom zudem über Uranium One und seine Tochtergesellschaft UrAsia an vier Uranminen und Vorkommen beteiligt. Mit seinen Beteiligungen ist Rosatom nach Angaben der World Nuclear Association mit einer Förderung von 7122 Tonnen Uran im Jahr 2020 der zweitgrößte Uranproduzent weltweit, nach dem kasachischen Urankonzern Kazatomprom. Kasachstan gilt als enger Verbündeter Russlands.

Nach Angaben der europäischen Atomgemeinschaft EURATOM importierte die Europäische Union 20,2 Prozent seines Uranbedarfs aus Russland. Zudem kamen 19,1 Prozent des Rohstoffs aus Kasachstan und 18,4 Prozent aus Kanada, an denen Rosatom zum Teil mitverdiente. Nach Aussagen von PreussenElektra werden die verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke hauptsächlich mit Uran aus Russland und Kasachstan betrieben. 18 Reaktoren in Finnland, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und in Bulgarien sind sogar so konzipiert, dass sie nur mit sechseckigen russischen Brennelementen von Rosatom betrieben werden können.

„Um die beiden slowakischen Atomkraftwerke mit neuen Brennelementen versorgen zu können, durfte am 1. März sogar eine russische Il-76-Transportmaschine mit Sondergenehmigung landen“, kritisiert Uwe Witt, Referent Klimaschutz und Strukturwandel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Eigentlich gilt seit Kriegsbeginn für russische Flugzeuge ein Flugverbot über der Europäischen Union. Nach eigenen Angaben beteiligt sich Rosatom auch am Bau neuer Atomkraftwerke unter anderem in Bulgarien und Finnland. Es steht zu befürchten, dass auch diese Atomkraftwerke speziell für die Verbrennung der sechseckigen Brennelemente konzipiert werden.

Europa unter Zugzwang

Die große Abhängigkeit von Russland bringe die EU-Kommission erneut unter Zugzwang, sagt Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt. „Die EU-Kommission hat noch vor wenigen Wochen die Aufnahme von Atomkraft und fossilem Gas in die EU-Taxonomie maßgeblich mit Versorgungssicherheitsaspekten begründet. Diese Begründung hat sich für alle sichtbar als falsch herausgestellt. Anders als behauptet, trägt Atomkraft gerade nicht zur Versorgungssicherheit bei.“ In Frankreich etwa sorgten Ausfälle alter Atomkraftwerke für hohe Strompreise, da das Land erhebliche Mengen Energie aus anderen europäischen Ländern importieren musste.

Der auch in Frankreich geplante Bau neuer Atomkraftwerke ist zudem kosten- und zeitaufwändig und nach Analyse von Experten wesentlich teurer und schlechter fürs Klima als der Bau Erneuerbarer Energien Anlagen.  Dazu kommen Aspekte des Umweltschutzes. Die Frage nach der Endlagerung radioaktiven Abfalls ist in weiten Teilen weiterhin ungeklärt. Zudem ist der Uranabbau mit erheblichen umweltschädlichen und gesundheitlichen Risiken verbunden.

„Jetzt nur einen Importstopp für atomare Brennstoffe aus Russland zu verhängen, wie es das EU-Parlament bereits gefordert hat, greift zu kurz. Atomkraft und fossiles Gas haben in der EU-Taxonomie nichts verloren. Die EU-Kommission muss ihre Position hierzu revidieren“, sagt Simon. Die EU-Kommission will Atomkraft und Gas vorübergehend in die europäische Taxonomie aufnehmen und als nachhaltig einstufen, was es Investoren leichter machen würde, in entsprechende Energieprojekte zu investieren. Im EU-Parlament stellen sich jedoch immer mehr Abgeordnete dagegen. Etwa 200 Parlamentarier lehnen die Taxonomie in dieser Form bereits ab, 100 weitere müssten noch folgen, um den Vorschlag der EU-Kommission zu kippen. mf

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