Längere AKW-Laufzeiten würden massiv Ökostrom verdrängen

„EE und Atom inkompatibel“

Die französischen Atompläne könnten negativen Einfluss auf das Einspeisemanagement nicht nur in Deutschland haben, sagt ein am von Erneuerbare Energien zitiertes Kurzgutachten des Analyseinstituts Energy Brainpool im Auftrag von Green Planet Energy: Verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken führen dazu, dass deutlich häufiger Erneuerbare-Energien-Anlagen in der EU abgeschaltet würden und so erhebliche Ökostrommengen verloren gingen.

Frankreich würde mehr als zwei Milliarden Kilowattstunden Ökostrom aus dem Netz drängen

EDF-Akw Cruas, Rhone-km 1465 mit spielendem Kind – Foto © Gerhard Hofmann gerhard Hofmann für Solarify

Allein durch die aktuell diskutierten Laufzeitverlängerungen für französische Akw würden 2030 in Frankreich, Spanien und Deutschland mehr als zwei Milliarden Kilowattstunden sauberer Ökostrom aus dem Netz gedrängt, besagt das Gutachten. Mit der Strommenge könnten 617.000 Durchschnittshaushalte ein Jahr lang versorgt werden. „Länger laufende Atommeiler sind schädliche Bremsklötze für die Energiewende, weil sie durch ihre träge Produktionsweise die Einspeisung von Ökostrom blockieren“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand beim Energieversorger Green Planet Energy, der die Studie in Auftrag gegeben hat.

Die Untersuchung von Energy Brainpool betrachtet eine Laufzeitverlängerung bestehender französischer Meiler auf über 50 Jahre, wie sie Paris aktuell prüft. Dieser längere Weiterbetrieb würde dazu führen, dass bis 2030 zusätzliche rund 19 GW Akw-Leistung in Frankreich Strom produzieren.

Auch deutsches und spanisches Netz wären massiv betroffen

In Zeiten hoher Einspeisung erneuerbarer Energien können die nationalen und europäischen Stromnetze diese Stromproduktion aber nicht aufnehmen, ohne überlastet zu werden. Die Netzbetreiber müssen dann Anlagen vorübergehend abregeln. Weil ältere Atomkraftwerke ihre Stromproduktion kurzfristig – vorrangig aus Kostengründen –  nur auf rund 80 Prozent der installierten Leistung reduzierten, träfen diese Abregelungen in der Regel die flexibleren Wind- oder Solarkraftwerke, die ihren Ökostrom dann nicht mehr einspeisen können, so das Gutachten.

Energy Brainpool hat berechnet, dass allein durch einen längeren Weiterbetrieb der französischen Atomreaktoren im Beispieljahr 2030 die abgeregelten Ökostrommengen um rund 12 Prozent oder um 2,16 TWh anwachsen würden, selbst wenn Speichermöglichkeiten ausgebaut werden. Ein Ökostrom-Verlust von 0,781 TWh entfällt dabei auf Frankreich selbst. Doch auch die Nachbarländer Spanien (0,78 TWh) und Deutschland (0,586 TWh) wären massiv von Abregelungen betroffen.

„Atomenergie nicht nachhaltig“

„Wenn neben Frankreich noch weitere EU-Staaten Laufzeiten für alte Atommeiler verlängern, wäre der Schaden durch ungenutzte Ökostrommengen – die durch nationale Fördersysteme wie das EEG ja oftmals dennoch vergütet werden – noch weitaus höher“, sagt Tangermann. Belgien etwa hat vor wenigen Wochen beschlossen, den Atomausstieg im Land um zehn Jahre zu verschieben. Auch in Deutschland gibt es immer wieder Forderungen, die letzten drei aktiven Atomkraftwerke über das Ende des geplanten Atomausstieg 2022 weiter am Netz zu lassen. Zudem will die EU-Kommission auf Drängen Frankreichs im Rahmen der Taxonomie durchsetzen, dass Atomkraft als ökologisch nachhaltig eingestuft wird, um Investitionen in neue Atomkraftwerke zu erleichtern.

„Die in der Studie aufgezeigte massive Vernichtung von wertvollem Ökostrom ist neben der Atommüll-Problematik und dem Störfall-Risiko ein weiterer Beleg dafür, dass Atomkraft niemals ‚nachhaltig‘ sein kann. Sie hilft uns in Europa weder beim Klimaschutz – noch dabei, wirklich unabhängig von fossilen Energie-Importen zu werden“, so Tangermanns Fazit.

Fazit der Energy-Brainpool-Untersuchung

Die Szenarioanalyse zeigt, dass die angekündigte Laufzeitverlängerung der französischen Kernkraftwerke auf 50 Jahre einen signifikanten Einfluss auf die abzuregelnden EE-Erzeugungsmengen hat. In Frankreich, Deutschland und Spanien zusammen steigt der Umfang der Abregelung 2030 als Ergebnis einer stundenscharfen, europäischen Strommarktmodellierung um 2.160 GWh bzw. 12 Prozent. Das entspricht in etwa dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 720.000 Elektroautos oder rund 617.000 deutschen Haushalten. Dies ist genau derjenige Anteil der Abregelung, der direkt auf die Verlängerung der Laufzeit der französischen Kernkraftwerke zurückgeführt werden kann. Frankreich dient dabei in dieser Kurzanalyse als Beispielmarkt, die untersuchten Effekte wären grundsätzlich auch im Falle von Laufzeitverlängerungen in anderen EU-Staaten zu erwarten. Die technischen Eigenschaften bezüglich ihrer Flexibilität machen die Technologien Solar- und Windenergie mit ihrer Wetterabhängigkeit und Volatilität auf der einen Seite und Kernkraftwerke mit sehr gering ausgeprägten Möglichkeiten zur Lastreduktion auf der anderen Seite weitgehend inkompatibel.

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