Klimaneutralität oft irreführend

DUH prangert Mogelpackung „Klimakompensation“ an

Unternehmen bewerben zunehmend Produkte und Dienstleistungen mit den Adjektiven „klimaneutral“, „klimapositiv“ oder ähnlichen Begriffen – so wird etwa für Flüge, Kraftstoffe, Lebensmittel oder Kosmetika mit Klimakompensationen geworben, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am 18.05.2022 in einem Pressegespräch. Tatsächlich schwiegen sich die Unternehmen entweder ganz oder teilweise darüber aus, wie sie den angeblichen CO2-Ausgleich erbrächten – oder sie verwiesen auf Kompensationsprojekte, an die aber in der Regel nur ein niedriger Geldbetrag fließe. CO2-Emissionen würden dagegen kaum eingespart. Überprüfbare Informationen über Zahlungen, Projekte und tatsächlicher Klimawirkung seien für Verbraucher meist nicht erhältlich oder nicht nachvollziehbar.

Kaum Kompensation: Waldsterben im Ahrtal (2029) – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht daher jetzt juristisch gegen irreführende Werbeversprechen vor, in denen behauptet wird, Produkte seien „klimaneutral“. Dazu wurden rechtliche Verfahren gegen zunächst acht Unternehmen eingeleitet: Beiersdorf AG, BP Europa SE, dm-drogerie markt GmbH + CO. KG, Green Airlines GmbH, The Mother Nature GmbH, Dirk Rossmann GmbH, Shell Deutschland GmbH sowie die TotalEnergies Wärme & Kraftstoff Deutschland GmbH. Die DUH kündigte zudem an, den Schutz der Verbraucher vor irreführenden Werbeversprechen im Zusammenhang mit einer behaupteten Klimaneutralität als neuen Arbeitsschwerpunkt der Ökologischen Marktüberwachung des Verbandes einzuführen.

Resch machte eine Rechnung auf: Der Bundesfinanzminister müsse lediglich 19 Milliarden Euro in die Hand nehmen, weniger als die Hälfte des Jahresgewinns von BMW, Daimler und VW in 2021 – und Deutschland wäre „sofort und jetzt“ klimaneutral. Die Summe würde jedenfalls rechnerisch ausreichen, um die für Deutschland notwendige Jahresmenge CO2-Kompensationszertifikate weltweit zusammenzukaufen, vor allem aus Waldprojekten. Resch rechnete das nur vor, um zu zeigen, wie absurd das Modell der CO2-Kompensation ist. Dass Deutschland auf diese Weise nicht klimaneutral werden kann, sei jedem klar, der „einigermaßen bei Verstand ist“, sagte der DUH-Chef.

Resch wörtlich: „Das Werbeversprechen der Klimaneutralität ist vielfach Verbrauchertäuschung. Oftmals ist es eher ein CO2-Ablasshandel, mit dem sich Unternehmen grün waschen. So wird den Menschen Geld aus der Tasche gezogen, das Klima aber nicht geschützt. Die Absurdität vermeintlicher Klimaneutralität wird am Phänomen der ‚Überkompensation‘ deutlich, also wenn mehr Zertifikate gekauft werden, als CO2 ausgestoßen wird: Je mehr angeblich ‚überkompensierte‘ Flugreisen stattfinden, umso besser müsste es in dieser Logik fürs Klima sein. Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Diesen Irrsinn nehmen wir nicht weiter hin und werden festgestellte oder uns gemeldeten Rechtsverstöße notfalls auf den Klageweg bringen.“

DUH-Anwalt Remo Klinger: „Wer mit Umwelt- und Klimaschutz wirbt, muss dies auch belegen. Wer Verbraucherinnen und Verbraucher aber im Unklaren darüber lässt, wie vermeintliche Klimaneutralität zustande kommt, täuscht sie.“ Gerade bei Werbung mit Klimaschut hätten die Verbraucher „erhöhtes Informationsinteresse“. Das sei durch die Rechtsprechung abgesichert. Es müsse konkret aufgeklärt werden, wie die Kompensation funktioniere. Da gelte „ein sehr strenger Maßstab“. Die Unternehmen müssten deswegen nicht nur besser informieren, so Klinger weiter, sie seien auch verpflichtet, zum Beispiel bei Waldschutzprojekten die Behauptung zu belegen, der Wald werde vor Abholzung geschützt oder würde ohne das Projekt abgeholzt werden. Oder es sei nachzuweisen, dass die Wälder, die der Kompensation dienten, dauerhaft stehen blieben (siehe klimareporter.de/wenn-wald-den-suv-kompensieren-soll).

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