IT-Plattform synchronisiert Stromangebot und -nachfrage

Mit Flexibilität in die Energiewende

2045 soll Strom in Deutschland vollständig aus erneuerbaren Quellen stammen. Eine wesentliche Herausforderung liegt bekanntermaßen in der Volatilität von Wind- und Solatstrom. Im Kopernikus-Projekt SynErgie entwickelt das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA einer Medienmitteilung vom zufolge gemeinsam mit Partnern eine Energiesynchronisationsplattform, welche die Industrie befähigt, diese Schwankungen auszugleichen und die Produktion mit der Stromerzeugung zu synchronisieren. Zudem realisieren die IPA-Forscher eine erste stromsparende Anwendung für die IT-Plattform.

Autonome Roboter als Zwischenspeicher in der Produktion – Foto © Fraunhofer IPA

Bereits Mitte dieses Jahrhunderts soll Deutschland weitestgehend klimaneutral sein. Doch die zunehmende Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen führt aufgrund der Wetterabhängigkeit zu einem zunehmend volatilen Stromangebot. Damit das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im Stromsystem jederzeit gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zum Ausgleich dieser Schwankungen notwendig. Energieintensive Industrieprozesse beinhalten ein hohes Flexibilitätspotenzial, um diesen Schwankungen durch Veränderungen der Stromnachfrage zu begegnen. Im Kopernikus-Projekt SynErgie mit mehr als 90 Partnern arbeiten derzeit 18 Partner aus Industrie und Forschung an einer Energiesynchronisationsplattform, mit der sich der Energiebedarf der einzelnen Industrieunternehmen effektiv mit dem volatilen Energieangebot synchronisieren lässt. Mit dieser Plattform sollen künftig Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden, der komplette Prozess des Energieflexibilitätshandels von der Maschine bis an die Märkte soll mittels der IT-Plattform und ihrer Services automatisiert und standardisiert sowie in einer Referenzarchitektur abgebildet werden.

Digitale Services, die auf der Plattform laufen, greifen auf die Daten von System oder Anlagen der Unternehmen zu und bestimmen den bedarfsgerechten Einsatz verschiedener Flexibilitätsmaßnahmen, die zur Verfügung stehen. Abschluss der Entwicklungen an der Referenzarchitektur ist für Ende 2022 geplant. Diese sollen mit zahlreichen Forschungs- und Industriedemonstratoren, insbesondere in der energieflexiblen Modellregion Augsburg, im Testbetrieb erprobt werden. Das Fraunhofer IPA koordiniert das Vorhaben gemeinsam mit dem Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) an der Universität Stuttgart.

„Wir entwickeln im Projekt Produktions- und Querschnittstechnologien, die wir flexibilisieren, sowie den notwendigen IT-Backbone, um die Anlagen energieflexibel zu steuern und die Flexibilität am Energiemarkt nutzbringend einzusetzen. Wir haben also zwei Schwerpunkte: die IT-Systeme mit den entsprechenden Services, Prognosealgorithmen und Aggregationsalgorithmen sowie die unterschiedlichen technologischen Lösungen, um die Produktion mit der Stromerzeugung zu synchronisieren oder den Energieverbrauch des Prozesses vom Stromverbrauch am Netzanschlusspunkt zu entkoppeln“, erläutert Ozan Yesilyurt, Wissenschaftler am Fraunhofer IPA.

Zahlreiche Fragen werden mit der Energiesynchronisationsplattform adressiert: Wie ist das derzeitige Stromangebot auf dem Markt – gibt es Mängel oder Überschüsse? Wie werden sich die Strompreise entwickeln? Wie lange und wie schnell muss reagiert wer-den? Welches Unternehmen kann gerade einspringen, um diesen Mangel oder Über-schuss auszugleichen? Für diesen Abgleich zwischen Flexibilitätsangebot und -nachfrage ist eine intelligente Steuerung notwendig. „Die IT-Plattform soll die Unternehmen mit der Flexibilitätsnachfrage zusammenbringen. Als Basis dient unsere am Fraunhofer IPA entwickelte Cloud-Plattform Virtual Fort Knox“, so Yesilyurt aus der Abteilung „Digitale Werkzeuge in der Produktion“ am Fraunhofer IPA.

Markt- und Unternehmensplattform

Die Energiesynchronisationsplattform besteht aus zwei Teilplattformen, einer Markt- und einer Unternehmensplattform. Letztere kann die einzelnen Energieflexibilitäten eines Unternehmens erfassen, verwalten und aggregieren. Sie informiert das Unternehmen, wie es seine Flexibilität am Markt nutzen kann, um günstig Energie einzukaufen oder zu verkaufen, wenn es sie bereits erworben hat. Die Marktplattform wiederum sorgt als Servicevermittler dafür, dass Unternehmen auf der Suche nach Flexibilität mit dem Angebot zusammen kommen. Aggregatoren können sich beispielsweise auf der Marktplattform registrieren und ihr Interesse melden, Flexibilitäten einzukaufen oder zu verkaufen. Die Marktplattform vermittelt dann die Unternehmensflexibilitäten an die Flexibilitätsvermarkter. Und diese wiederum verkaufen die Flexibilität an der Energiebörse. Die Energiesynchronisationsplattform ist also keine Energiehandelsplattform, auf der energetische Flexibilitäten gehandelt werden. Vielmehr vermittelt sie zwischen den Händlern an den Energiebörsen und den Unternehmen, die Flexibilität bereitstellen können.

Mit autonomen Robotern Stromkosten senken

Eine entscheidende Rolle spielen digitale Services, die den bedarfsgerechten Einsatz der Energie regeln und helfen, Stromverbrauch zu senken. Mit dem Batterieeinsatzoptimierungsservice hat Yesilyurt einen dieser Dienste auf der Unternehmensplattform realisiert – er läuft bereits im Testbetrieb. Mit ihm können Industriebetriebe Verbrauchs-Lastspitzen vermeiden: Produktionsunternehmen haben einen hohen Stromverbrauch, vor allem wenn alle Maschinen gleichzeitig im Einsatz sind, steigt der Stromverbrauch sprunghaft an. Diese Lastspitzen, auch Peaks genannt, können für einen Betrieb teuer werden, denn die Stromanbieter verwenden genau diese Spitzenwerte, um den Leistungspreis zu berechnen. Bei Überschreitung werden zusätzliche Gebühren fällig.

„In vielen Unternehmen gibt es fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF), die mit leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterien ausgestattet sind. Diese Batterien lassen sich nutzen, um Verbrauchs-Peaks zu vermeiden. Dafür muss man die autonomen Roboter nur bei steigendem Strombedarf zu den Ladestationen rufen und überschüssige Ladung ins unternehmenseigene Netz einspeisen. Hierfür ermitteln wir die Verfügbarkeit der FTF und gleichen sie mit den Peaks ab, die Anlage kann weiterarbeiten“, erklärt Yesilyurt.

Die Betriebe müssen den Strom nicht mehr vom Anbieter beziehen, die Batterie der autonomen Roboter wird zum Energielieferanten. Man nennt das auch bidirektionales Laden. „Bislang gibt es dieses Konzept nur für E-Autos, aber nicht für FTF. Wir leisten hier quasi Pionierarbeit. Einen vergleichbaren Software-Dienst für die Produktion gibt es bislang noch nicht.“ Der digitale Service funktioniert bereits, Unternehmen erhalten zuverlässige Prognosen, wieviel Geld sie sparen können. Einziges Manko: Derzeit fehlt noch die komplette Hardware inklusive der Ladestationen.

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