EU will „Natur wiederherstellen“ (bis 2050) und Pestizide halbieren (bis 2030)

Der Grüne Deal: Richtungsweisende Vorschläge

Die EU-Kommission hat am 22.06.2022 einer Medienmitteilung zufolge richtungsweisende Vorschläge zur Renaturierung und Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme in ganz Europa angenommen – von landwirtschaftlichen Flächen und Meeresgebieten bis hin zu Wäldern und städtischen Gebieten. Sie schlägt ferner vor, die Verwendung chemischer Pestizide und der von ihnen ausgehenden Risiken bis 2030 um 50 % zu verringern. Dies sind die wichtigsten Gesetzesvorschläge zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die dazu beitragen sollen, die Widerstandsfähigkeit und Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung in der EU und weltweit zu gewährleisten.

Langer See bei Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Der Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist nach Aussage der Kommission „ein wichtiger Schritt, um den Kollaps von Ökosystemen zu verhindern und den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels und des Biodiversitätsverlusts vorzubeugen“. Die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Flüssen, Wäldern, Grasland, Meeresökosystemen und städtischen Gebieten in der EU und der darin vorkommenden Arten sei eine grundlegende, kostenwirksame Investition in unsere Ernährungssicherheit, unsere Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel, unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Desgleichen würden auch die neuen Vorschriften für chemische Pestizide den ökologischen Fußabdruck des Lebensmittelsystems der EU verringern, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Bürgerinnen und Bürgern und Beschäftigten in der Landwirtschaft schützen und dazu beitragen, die wirtschaftlichen Verluste zu mindern, die wir aufgrund der sich verschlechternden Bodengesundheit und des durch Pestizide verursachten Rückgangs an Bestäubern bereits hätten hinnehmen müssen.

Gesetz zur Wiederherstellung Europas geschädigter Natur bis 2050

Die Kommission präsentierte  Vorschläge für die allerersten Rechtsakte ihrer Art, die ausdrücklich auf die Wiederherstellung der Natur in Europa abzielen, um 80 % der europäischen Lebensräume in schlechtem Zustand wiederherzustellen und um alle Ökosysteme zu renaturieren – von Wald- und landwirtschaftlichen Flächen bis hin zu Meeres-, Süßwasser- und städtischen Ökosystemen. Laut diesem Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gelten für jeden Mitgliedstaat rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung der Natur in verschiedenen Ökosystemen. Diese Ziele ergänzen die bestehenden Rechtsvorschriften. Bis 2030 sollen für mindestens 20 % der Land- und Meeresgebiete der EU Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt und diese bis 2050 auf alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme ausgedehnt werden.

Das Gesetz wird die bisherigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur wie z. B. Renaturierung, Wiederaufforstung, Begrünung von Städten oder Beseitigung von Umweltbelastungen ausweiten, damit sich die Natur erholen kann. Die Wiederherstellung der Natur ist nicht gleichbedeutend mit Naturschutz und führt nicht automatisch zu mehr Schutzgebieten. Die Wiederherstellung der Natur ist zwar auch in Schutzgebieten notwendig, deren Zustand sich zunehmend verschlechtert, aber nicht alle wiederhergestellten Gebiete müssen zu Schutzgebieten erklärt werden. Bei vielen davon wird dies nicht geschehen, da die Wiederherstellung Wirtschaftstätigkeiten nicht ausschließt. Bei der Wiederherstellung geht es darum, im Einklang mit der Natur zu leben und zu produzieren, indem überall für mehr biologische Vielfalt gesorgt wird, und zwar auch in den Gebieten, in denen Wirtschaftstätigkeiten stattfinden, wie z. B. Wälder, landwirtschaftliche Flächen und Städte.

Alle Teile der Gesellschaft wirken eng bei der Wiederherstellung mit und ziehen Nutzen daraus. Sie muss inklusiv sein und hat besonders positive Auswirkungen auf diejenigen, die für ihren Lebensunterhalt unmittelbar auf eine gesunde Natur angewiesen sind, darunter Land- und Forstwirte sowie Fischer. Jeder Euro, der in die Wiederherstellung der Natur investiert wird, bringt eine Rendite von 8–38 € dank der Ökosystemdienstleistungen, die die Ernährungssicherheit, Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen, Klimaresilienz und Anpassung an den Klimawandel und menschliche Gesundheit fördern. Die Investitionen führen auch zu mehr Natur in unseren Landschaften und im Alltag – mit nachweislichen Vorteilen für Gesundheit und Wohlbefinden sowie kulturellem und Erholungswert.

Im Gesetz zur Wiederherstellung der Natur werden Zielvorgaben und Verpflichtungen für die Wiederherstellung verschiedenster Ökosysteme an Land und im Meer festgelegt. Dabei werden die Ökosysteme mit dem größten Potenzial für den Abbau und die Speicherung von CO2 und die Prävention oder Verringerung der Auswirkungen von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen zu den obersten Prioritäten gehören. Das neue Gesetz baut auf bestehenden Rechtsvorschriften auf, beschränkt sich aber nicht auf die Schutzgebiete der Habitat-Richtlinie und von Natura 2000, sondern soll alle natürlichen und naturnahen Ökosysteme in der EU bis 2030 auf den Weg der Erholung bringen. Dafür werden umfangreiche EU-Mittel bereitgestellt. Aus dem aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen werden rund 100 Mrd. € für die Förderung von biologischer Vielfalt und Wiederherstellung zweckgebunden.

Zu den vorgeschlagenen Zielen gehören:

  • Umkehr des Rückgangs von Bestäuberpopulationen bis 2030 und danach Vergrößerung ihrer Populationen,
  • Kein Nettoverlust an städtischen Grünflächen bis 2030, eine Zunahme um 5 % bis 2050 und eine Baumüberschirmung von mindestens 10 % in allen europäischen Städten, Kleinstädten und Vororten sowie Nettozunahme an Grünflächen, die in Gebäude und Infrastruktur integriert sind,
  • In landwirtschaftlichen Ökosystemen Zunahme der biologischen Vielfalt insgesamt und positive Entwicklung bei Wiesenschmetterlingen, Feldvögeln, organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden und Landschaftselementen mit großer Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen,
  • Die Wiederherstellung und Wiedervernässung von landwirtschaftlich genutzten entwässerten Torfmooren und Torfabbaugebieten,
  • In Waldökosystemen Zunahme der biologischen Vielfalt insgesamt und positive Entwicklung in Bezug auf die Vernetzung der Wälder, Totholz, den Anteil von Wäldern mit uneinheitlicher Altersstruktur, Waldvögel und den Bestand an organischem Kohlenstoff,
  • Wiederherstellung von Meereslebensräumen wie Seegraswiesen oder Sedimentböden und Wiederherstellung der Lebensräume von Meerestieren wie Delfinen und Schweinswalen, Haien und Seevögeln,
  • Entfernung von Hindernissen in Flüssen, damit mindestens 25 000 Flusskilometer bis 2030 in frei fließende Flüsse umgewandelt werden.

Um zur Erreichung der Ziele beizutragen und gleichzeitig genug Flexibilität für nationale Besonderheiten einzuräumen, schreibt das Gesetz vor, dass bei der Erstellung der nationalen Wiederherstellungspläne eng mit Wissenschaftlern, Interessenträgern und der Öffentlichkeit zusammengearbeitet werden muss. Ferner gibt es spezifische Governance-Vorschriften (Überwachung, Bewertung, Planung, Berichterstattung und Durchsetzung), die auch auf nationaler und europäischer Ebene die Politikgestaltung verbessern und sicherstellen würden, dass die Behörden die damit zusammenhängenden Fragen der biologischen Vielfalt, des Klimas und der Existenzgrundlagen gemeinsam berücksichtigen.

„Mit dem Vorschlag wird ein zentrales Element des europäischen Grünen Deals verwirklicht: die in der Biodiversitätsstrategie für 2030 gemachte Zusage, dass Europa mit gutem Beispiel vorangeht, wenn es darum geht, den Verlust an biologischer Vielfalt umzukehren und die Natur wiederherzustellen. Er ist der wichtigste Beitrag der EU zu den laufenden Verhandlungen über einen globalen Rahmen für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020, der noch in diesem Jahr auf der Klimakonferenz (COP15) in Montreal vom 7. bis 15. Dezember angenommen werden soll.“

Strenge Vorschriften sollen Einsatz chemischer Pestizide verringern und nachhaltigere Lebensmittelsysteme gewährleisten – bis 2030

Mit dem  Vorschlag setzen wir unser Versprechen, den Verlust an biologischer Vielfalt in Europa zu stoppen, in die Tat um. Er wird zum Aufbau nachhaltiger Lebensmittelsysteme im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ beitragen und gleichzeitig eine dauerhafte Ernährungssicherheit gewährleisten und unsere Gesundheit schützen.

Wissenschaft und Bürger sind zunehmend besorgt über den Einsatz von Pestiziden und ihre sich akkumulierenden Rückstände in der Umwelt. Im Schlussbericht der Konferenz zur Zukunft Europas haben Bürgerinnen und Bürger die Union explizit dazu aufgefordert, die Verwendung und Risiken von Pestiziden anzugehen. Die geltenden Vorschriften der Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden haben sich als nicht streng genug erwiesen und werden nicht überall in gleichem Maße umgesetzt. Auch beim integrierten Pflanzenschutz (IPM) und mit anderen alternativen Konzepten wurden keine hinreichenden Fortschritte erzielt.  Chemische Pestizide schädigen die menschliche Gesundheit und sind Ursache für den Rückgang der biologischen Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen. Sie kontaminieren die Luft, das Wasser und die Umwelt im weiteren Sinne. Die Kommission schlägt daher klare und verbindliche Regeln vor:

  • Rechtsverbindliche Ziele auf EU- und nationaler Ebene zur Verringerung der Verwendung und des Risikos chemischer Pestizide und der Verwendung der gefährlicheren Pestizide um 50 % bis 2030. Die Mitgliedstaaten werden ihre eigenen nationalen Reduktionsziele innerhalb vorgegebener Parameter festlegen, um sicherzustellen, dass die EU-weiten Ziele erreicht werden. Strenge neue Vorschriften über umweltfreundliche Schädlingsbekämpfung: Mit neuen Maßnahmen wird sichergestellt, dass alle Landwirte und anderen beruflichen Verwender von Pestiziden die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes (IPM) einhalten, wonach zunächst auf alternative umweltfreundliche Methoden zur Schädlingsprävention und -bekämpfung zurückgegriffen werden muss und chemische Pestizide nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen.  Die Maßnahmen umfassen auch die obligatorische Führung von Aufzeichnungen durch Landwirte und andere gewerbliche Verwender. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten für alle Nutzpflanzen spezifische Vorschriften festlegen, in denen die anstelle von chemischen Pestiziden zu verwendenden Alternativen genannt werden.
  • Verbot aller Pestizide in empfindlichen Gebieten. Die Verwendung von Pestiziden an Orten wie städtischen Grünflächen, einschließlich öffentlicher Parks und Gärten, Spielplätzen, Schulen, Freizeit- und Sportplätzen, öffentlichen Wegen und Natura-2000-Schutzgebieten sowie in allen ökologisch empfindlichen Gebieten, die für bedrohte Bestäuber erhalten werden müssen, wird generell verboten. Diese neuen Vorschriften sorgen dafür, dass wir im Alltag in unserer unmittelbaren Umgebung nicht mehr mit chemischen Pestiziden in Berührung kommen.

Mit dem Vorschlag wird die bestehende Richtlinie in eine Verordnung umgewandelt, die unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. Damit werden die Probleme aufgrund der schwachen und uneinheitlichen Umsetzung der bestehenden Vorschriften in den letzten zehn Jahren angegangen.  Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission ausführliche jährliche Fortschritts- und Durchführungsberichte vorlegen.

Unterstützung des Übergangs:

Ein Paket politischer Maßnahmen wird Landwirte und andere Nutzer beim Übergang zu nachhaltigeren Lebensmittelerzeugungssystemen unterstützen, darunter:

  • Neue Regeln der Gemeinsamen Agrarpolitik, damit Landwirte einen Ausgleich für etwaige Kosten erhalten, die ihnen aufgrund der Umsetzung der neuen Vorschriften entstehen, für einen Übergangszeitraum von 5 Jahren;
  • Intensivere Maßnahmen zur Erweiterung des Angebots an biologischen und risikoarmen Alternativen auf dem Markt;
  • Forschung und Entwicklung im Rahmen von Horizont-Programmen der EU zur Förderung neuer Technologien und Verfahren, einschließlich Präzisionslandwirtschaft, und
  • Ein Aktionsplan für den Bio-Sektor, um die Ziele der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ für Pestizide zu erreichen.

Der Übergang wird auch durch den Vorschlag eines Datennetzes für die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe und durch Marktentwicklungen im Bereich der Präzisionslandwirtschaft wie z. B. Sprühgeräte, die Geolokalisierung und Schädlingserkennungstechniken einsetzen, unterstützt.

Weltweit Ergebnisse erzielen:

Im Einklang mit ihrer Politik der nachhaltigen Verwendung von Pestiziden wird die Kommission in Kürze erstmals eine Maßnahme vorschlagen, mit der sie ihrer Zusage nachkommt, bei Entscheidungen über Höchstwerte für Rückstande in Lebensmitteln globale Umwelterwägungen zu berücksichtigen. Eingeführte Lebensmittel mit messbaren Rückständen verbotener Stoffe dürften dann in der EU nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Dies wird zu einem positiven Kreislauf beitragen und soll Drittländer dazu anregen, die Verwendung von Pestiziden, die in der EU bereits verboten sind, ebenfalls einzuschränken oder zu verbieten.

Konkret wird die Kommission in Kürze die Mitgliedstaaten und Drittländer zu einer Maßnahme konsultieren, mit der die Schwelle für Rückstände von Thiamethoxam und Clothianidin, zwei Stoffen, die bekanntermaßen erheblich zum weltweiten Rückgang der Bestäuber beitragen, auf null gesenkt wird. Diese Stoffe sind in der EU nicht mehr zugelassen. Nach Annahme der Maßnahme dürfen eingeführte Lebensmittel, die messbare Rückstände dieser beiden Stoffe enthalten – nach bestimmten Übergangszeiträumen – in der EU nicht mehr in Verkehr gebracht werden.

Stimmen aus dem Kollegium:

Der für den europäischen Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans erklärte: „Wir Menschen sind auf die Natur angewiesen. Für die Luft, die wir atmen, für das Wasser, das wir trinken, für das Essen, das wir zu uns nehmen – um zu überleben. Ohne Natur geht auch in der Wirtschaft nichts. Die Klima- und die Biodiversitätskrise bedrohen die Grundlagen des Lebens auf der Erde. Bei der Bewältigung der Klimakrise erzielen wir Fortschritte, und mit den beiden heute vorgelegten Rechtsakten machen wir einen enormen Schritt nach vorn bei der Bewältigung des drohenden Ökozids. Wenn wir die Natur wiederherstellen, kann sie weiterhin saubere Luft, sauberes Wasser und Lebensmittel hervorbringen und uns vor den schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise abschirmen. Auch die Verringerung des Einsatzes von Pestiziden hilft der Natur, sich zu erholen, und schützt die Menschen, die mit diesen Chemikalien arbeiten.

Der für Umwelt, Meere und Fischerei zuständige Kommissar Virginijus Sinkevi?ius sagte: „Die Menschen in Europa haben klar zum Ausdruck gebracht: sie möchten, dass die EU sich für die Natur stark macht und sie in ihren Alltag zurückbringt. Auch die Wissenschaft hat eine klare Botschaft: die Zeit drängt, das Fenster schließt sich. Und auch die Wirtschaftlichkeit liegt klar auf der Hand: jeder Euro, der für die Wiederherstellung ausgegeben wird, bringt uns mindestens acht Euro. Darum geht es bei diesem richtungsweisenden Vorschlag – die Wiederherstellung von biologischer Vielfalt und Ökosystemen, damit wir mit der Natur leben und gedeihen können. Dieses Gesetz kommt allen Menschen in Europa auf Generationen hinaus zugute, und es dient einem gesunden Planeten und einer gesunden Wirtschaft. Es ist das erste seiner Art, und wir hoffen, dass es auf der bevorstehenden COP15 großes internationales Engagement für den Schutz der biologischen Vielfalt inspirieren wird.“ 

Die Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, betonte: „Wir müssen die Art und Weise, in der wir in der EU mit Pestiziden umgehen, ändern. Es geht um die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger und unseres Planeten. Mit diesem Vorschlag erfüllen wir die Erwartungen unserer Bürgerinnen und Bürger und kommen den in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ gemachten Zusagen nach, für eine nachhaltigere und gesunde Lebensmittelerzeugung zu sorgen. Wir müssen den Einsatz chemischer Pestizide verringern, um Boden, Luft und Lebensmittel und so letztlich die Gesundheit der Menschen in der EU zu schützen. Zum ersten Mal wird der Einsatz von Pestiziden in öffentlichen Gärten und auf Spielplätzen verboten und damit sichergestellt, dass wir alle im Alltag weniger damit in Berührung kommen. Die Gemeinsame Agrarpolitik wird Landwirte über einen Zeitraum von fünf Jahren finanziell unterstützen, damit sie alle infolge der neuen Vorschriften anfallenden Kosten decken können. Wir werden niemanden im Stich lassen.“ 

Nächste Schritte

Die beiden Vorschläge werden nun vom Europäischen Parlament und vom Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren geprüft. Nach der Annahme wird sich die Wirkung vor Ort schrittweise entfalten: bis 2030 müssen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur ergriffen worden sein, und die Ziele für Pestizide sollen bis 2030 erreicht werden.

An sich besteht zwar kein direkter Zusammenhang mit den unmittelbaren Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Aber diese Vorschläge werden die Widerstandsfähigkeit und Ernährungssicherheit Europas auf mittlere Sicht stärken, weil Bestäuberpopulationen gesünder und größer werden, die Bodenerosion zurückgeht, die Wasserrückhaltung sich verbessern wird. Außerdem wird unsere natürliche Umwelt sauberer und zunehmend frei von Giften sein. Zudem wird die Abhängigkeit der Landwirte von teuren Betriebsmitteln wie chemischen Pestiziden abnehmen. Dadurch werden bezahlbare Lebensmittel für alle Menschen in der EU gefördert.

Hintergrund 

Gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme sind das Rückgrat unseres Wohlergehens und unseres Wohlstands, da sie Nahrungsmittel und sauberes Wasser liefern, CO2 speichern und Schutz vor auch durch den Klimawandel verursachten Naturkatastrophen bieten. Mehr als die Hälfte des globalen BIP hängt von der Natur und den von ihr erbrachten Dienstleistungen ab, und weltweit sind mehr als 75 % der Nahrungsmittelpflanzenarten auf Bestäuber angewiesen.

Trotzdem verschlechtert sich der Zustand der Natur in Europa alarmierend und mehr als 80 % der Lebensräume sind in schlechtem Zustand.  Feuchtgebiete, Torfmoore, Grasland und Dünenlebensräume sind am stärksten betroffen.  Die Feuchtgebiete in West-, Mittel- und Osteuropa sind seit 1970 um 50 % geschrumpft. 71 % der Fisch- und 60 % der Amphibienpopulationen sind in den letzten zehn Jahren zurückgegangen. Zwischen 1997 und 2011 führte der Verlust an biologischer Vielfalt geschätzt zu jährlichen Einnahmeeinbußen von 3,5-18,5 Billionen €.

Die Folgenabschätzung für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur hat gezeigt, dass der Nutzen der Wiederherstellung der Natur die Kosten bei Weitem überwiegt. Der wirtschaftliche Nutzen der Wiederherstellung von Torfmooren, Sümpfen, Wäldern, Heide- und Buschgebieten, Grasland, Flüssen, Seen, Meeres- und Auenlebensräumen sowie Feuchtgebieten an der Küste ist Schätzungen zufolge acht Mal höher als die Kosten.

Der Vorschlag für eine Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ersetzt die Richtlinie 2009/128/EG über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden, mit der eine nachhaltige Verwendung von Pestiziden in der EU erreicht werden sollte, indem die Risiken und Auswirkungen des Einsatzes von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt verringert und die Verwendung des integrierten Pflanzenschutzes gefördert wurden. Die wichtigsten Maßnahmen der Richtlinie betrafen die Schulung von Verwendern und Händlern, die Inspektion von Pestizidausbringungsgeräten, das Verbot des Sprühens aus der Luft und die Begrenzung des Einsatzes von Pestiziden in empfindlichen Bereichen. In mehreren Berichten wurde auf Schwächen bei der Umsetzung der Richtlinie hingewiesen, sodass die Verwendung und das Risiko von Pestiziden nicht ausreichend verringert wurden.

Menschen aus ganz Europa und allen Gesellschaftsschichten empfahlen auf der Konferenz zur Zukunft Europas eine „drastische Verringerung chemischer Pestizide und Düngemittel in allen Arten landwirtschaftlicher Betriebe“ und „die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft, in der auch die Natur und die Arbeitskräfte respektiert werden“. Mit dem heute vorgelegten Paket geht die Kommission auf fünf Vorschläge und acht spezifische Maßnahmen ein, die von Bürgerinnen und Bürgern empfohlen wurden.

Dazu Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK):

„Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die planetaren Grenzen bestätigen, dass wir uns mitten in einem planetaren Notstand befinden. Sowohl die Freisetzung chemischer Verbindungen mit begrenzten oder gar keinen Sicherheitsstandards als auch die übermäßige Nutzung der Bodenfeuchtigkeit (des so genannten grünen Wassers), die das gesamte Biomassewachstum und damit die Nahrung, die biologische Vielfalt und die Kohlenstoffsenken in der Natur bestimmt, gefährden unsere Lebensgrundlagen. Dies bestätigt, dass wir uns weiterhin auf einem sehr riskanten Weg befinden und alle planetaren Grenzen, die die Stabilität und Widerstandsfähigkeit unseres Planeten ausmachen, von ‚Grün‘ nach ‚Rot‘ verschieben. Durch die Earth Commission, ein Zusammenschluss internationaler Forschender, werden wir bald die erste globale wissenschaftliche Bewertung vorlegen, die aufzeigen wird, dass für die Integrität der Natur – um die Fähigkeit der Natur zu sichern, die Lebensbedingungen für die Menschen zu erhalten – mindestens 20 % jedes Quadratkilometers Landfläche gesunde biologische Vielfalt und ökologische Funktionen aufweisen müssen. Diese wissenschaftliche Abschätzung geht also in dieselbe Richtung wie das jetzt von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, das darauf abzielt, dass bis 2030 20 % aller Land- und Meeresflächen der EU unter Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur fallen. Nichts Geringeres ist erforderlich. Dringend.“

->Quellen und weitere Informationen