Wärmepumpen als Schlüssel zur Klimaneutralität in Gebäuden
Ab 2024 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden – so hat es die Ampel-Koalition im März 2022 vereinbart. Was sind die drängendsten To-Dos der Bundesregierung, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen? Wie der Markthochlauf gelingen kann, zeigen Alexandra Langenheld und Simon Müller in ihrem Blog von Agora-Energiewende auf.
Die Bundesregierung habe 2021 ihr Klimaziel im Gebäudesektor verfehlt und stehe nun laut Klimaschutzgesetz in der Pflicht, mit einem Sofortprogramm nachzubessern, um die Wärmewende auf Kurs zu bringen. „Der Nachholbedarf ist enorm – zwei Jahre in Folge hat Deutschland die zulässigen Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich bereits überschritten. Eine wirksame Klimapolitik im Gebäudebereich muss jetzt erstens den Rückstand bei der energieeffizienten Sanierung von Gebäuden aufholen, zweitens, die Umstellung der Fernwärme auf Erneuerbare Energien forcieren und drittens, den Austausch von Millionen fossiler Öl- und Gasheizungen voranbringen. Immer noch werden jedes Jahr 700.000 neue Heizkessel eingebaut, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Allein diese neu installierten Heizungsanlagen verursachen jährlich mehr als vier Millionen Tonnen CO2 – bei einer Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren konterkarieren sie das Ziel eines klimaneutralen Heizsystems bis 2045. Dabei ist der Abschied von fossilen Brennstoffen für die Wärmeversorgung dringender denn je: Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der fossilen Energiekrise ist eine schnelle Reduktion des Öl- und Gasverbrauchs sowohl für die Klimaziele als auch für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung entscheidend.“
Entscheidendes Instrument zur Ablösung fossil betriebener Heizungen sei die sogenannte 65-Prozent-Regel: Demnach müsse jede neue Heizung – egal ob im Neubau oder bei Bestandsgebäuden – mit mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden. Die Koalition hatte die Regel im Koalitionsvertrag festgeschrieben und im März dieses Jahres das Inkrafttreten von 2025 auf 2024 vorgezogen. Damit die Regel ihren Zweck erfülle, müsse sie dringend konsequent umgesetzt werden.
Was für eine Wärmepumpen-Revolution nötig ist
„Eine zentrale Voraussetzung, um die 65-Prozent-Anforderung ab 2024 erfüllen zu können, ist, dass die Politik den Rahmen für den Markthochlauf von Wärmepumpen schafft: Ab 2023 müssen pro Jahr rund eine halbe Million Wärmepumpen eingebaut werden, bis 2030 muss die Zahl auf sechs Millionen wachsen. Nur mit einer radikalen Abkehr vom ‚Weiter So‘ kann diese Wärmepumpen-Revolution gelingen: Das erfordert schnelles Handeln, milliardenschwere Investitionen und den Aufbau von Kapazitäten zur Umsetzung. Die Politik ist nun gefordert, zügig Planungssicherheit zu schaffen, um den Hochlauf der Kapazitäten entlang der Wertschöpfungskette – von der Zulieferung und Herstellung über die Planungsbüros und Installation bis hin zum Handwerk – zu ermöglichen.“
Das Handwerk müsse fit für den Einbau von Wärmepumpen gemacht werden: Dazu gehöre, die Ausbildungsberufe und Kompetenzzentren für Wärmepumpen gezielt zu stärken sowie eine Finanzierung der Arbeitszeit, die Installateure auf Wärmepumpen-Schulungen verbrächten. Auch Förderprogramme müssten an die neue Regelung angepasst werden: Der Heizungstausch müsse dabei für alle Einkommensklassen erschwinglich bleiben und auch in den Gebäudeklassen attraktiv werden, in denen der Markthochlauf heute noch stocke, etwa in Mehrfamilienhäusern oder Gebäuden mit Etagenheizung. Biomasse-Heizungen sollten dagegen nur noch in Ausnahmefällen gefördert werden.
Daneben müsse ein deutliches Signal an Hersteller, Installateure, Handwerk und Verbraucher, um gemeinsam mit den Marktakteuren sicherzustellen, dass bis zum Inkrafttreten der 65-Prozent-Regelung am 01.01.2024 alle wesentlichen Hemmnisse ausgeräumt seien. Je länger sich dieser Prozess noch verzögere, desto größer müssten die Kraftanstrengungen später werden, um schnellstmöglich Energiesouveränität und Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.
„Um die erforderliche Dynamik beim Hochlauf der Wärmepumpen zu entfachen, muss auch der Strompreis für Wärmepumpen über die Befreiung von Umlagen entlastet werden. Zudem gilt es, regulatorische Hemmnisse abzubauen: Genehmigungen und örtliche Vorschriften können große Hürden sein und unterscheiden sich erheblich von Kommune zu Kommune. Das betrifft Genehmigungskriterien für die Bohrung von Erdwärmesonden, Abstandsregeln für die Aufstellung von Luft-Wasser-Wärmepumpen und Vorgaben für die Erschließung weiterer Wärmequellen.“
Warum Wärmepumpen und Wärmenetze jetzt Vorrang haben müssen
Die 65-Prozent-Regel besiegle faktisch das Aus von Öl- und Gasheizungen. Eine schlichte Ergänzung eines herkömmlichen Heizkessels, zum Beispiel mit solarem Warmwasser, reiche nämlich nicht aus, die Anforderung von 65 Prozent Erneuerbarer Energie für den Betrieb von Heizungen zu erfüllen. Mit dem Abschied aus der fossilen Heizwelt müsse die Hauptrolle in der Wärmeversorgung neu besetzt werden: Ins Zentrum rückten nun Wärmepumpen und grüne Wärmenetze.
„Wärmepumpen bergen gegenüber Alternativen wie Pelletheizungen oder Biomethan zentrale Vorteile: nachhaltige Biomasse wird absehbar teuer beziehungsweise knapp sein, da sie in anderen Bereichen, wie etwa zur Dekarbonisierung der Industrie aus Mangel an Alternativen dringender gebraucht wird. Eine flächendeckende Umstellung auf Bioenergie kommt daher keinesfalls in Frage – die Ausgestaltung der 65-Prozent-Regel muss diesem Umstand Rechnung tragen und darf Biomasse nur in klar benannten Ausnahmefällen zulassen. Ähnliches gilt für die Verwendung von grünem Wasserstoff für Gebäudeheizungen. Dazu kommt, dass dieser praktisch noch gar nicht verfügbar ist: Wasserstoff als Energieträger bei der Erfüllung der 65-Prozent-Regel kann daher absehbar keine Rolle spielen.“
Wärmepumpen seien dagegen bei unterschiedlichsten Voraussetzungen eine geeignete Option, wie die Zwischenergebnisse einer Studie von Öko-Institut und Fraunhofer ISE im Auftrag von Agora Energiewende zeigten. Auch für mäßig sanierte Bestandsgebäude eigneten sich Wärmepumpen inzwischen. Mit den technischen Fortschritten der letzten Jahre hätten sich ihre Einsatzmöglichkeiten deutlich erweitert. Hybrid-Wärmepumpen, die in Verbindung mit fossilen Heizsystem betrieben würden, seien in den meisten Fällen weder ökonomisch noch ökologisch vorteilhaft.
„Wärmenetze sind die optimalen Partner der Wärmepumpe: In städtischen Gebieten verknüpfen sie eine Vielzahl von Verbrauchern und Wärmequellen. So lassen sich auch Abwärme, Solar- und Geothermie gut nutzen. Auch Großwärmepumpen spielen in Wärmnetzen eine wichtige Rolle. Dabei ist entscheidend, dass Wärmenetze, die heute noch fossil gespeist werden, schnell auf grüne Quellen umgestellt werden. Mit Blick auf 2024 gehört die gesetzliche Verankerung der 65-Prozent-Regelung jetzt ganz oben auf die To-Do-Liste der Bundesregierung. Sie ist die Grundlage, um den Heizungsmarkt auf die Klimaziele auszurichten und Deutschland gleichzeitig aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffimporten zu lösen.“
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