EWI fürchtet Stromversorgungslücken

„Bis 2030 möglich“

Mehr Stromnachfrage, weniger fossile Kraftwerke, aber (noch) zu wenig Erneuerbare Energien: Die Energiewende verändert die Struktur der Stromversorgung in Deutschland. Mögliche Folgen für die Versorgungssicherheit zeigt eine Untersuchung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) vom 29.09.2022. Mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien steigt die Wetterabhängigkeit der Stromerzeugung in Deutschland. Die EWI-Analyse zeigt, dass die Versorgungssicherheit mit Strom in diesem Jahrzehnt derzeit nicht in allen extremen Wettersituationen garantiert ist.

Bau eines Windgenerators in der Lausitz – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Entscheidende Faktoren sind hierbei unter anderem die steigende Stromnachfrage durch fortschreitende Elektrifizierung, der Rückbau fossiler Kraftwerkskapazitäten sowie der im Verhältnis zu langsame Ausbau Erneuerbarer Energien.

In der Publikation „Analyse der Versorgungssicherheit bis 2030“ untersucht ein Team des EWI, in welchen (historischen) Wettersituationen die Stromversorgung jederzeit gesichert ist und unter welchen Umständen Versorgungslücken im Verlaufe dieses Jahrzehnts auftreten könnten.

Versorgungslücken bei extremen Wettersituationen

Eine Analyse von Wetterdaten der Jahre 1982 bis 2016 zeigt, dass Versorgungslücken insbesondere bei Wetterlagen mit stark unterdurchschnittlicher Windverfügbarkeit in Nord- und Mitteleuropa sowie einer deutlich limitierten Sonneneinstrahlung in Südeuropa auftreten könnten. Diese beiden Wetteranomalien gab es in Kombination beispielsweise im Januar 1997 und im Dezember 2007 über einen längeren Zeitraum von mindestens sieben Tagen.

Für solche für die Stromerzeugung extremen Wettersituationen hat das Team des EWI die Möglichkeit von Versorgungslücken für die Jahre 2025 bis 2030 in verschiedenen Szenarien der Entwicklung des Stromsystems analysiert und quantifiziert. Hierbei haben sie unterschiedliche Pfade zum Kohleausstieg, des Ausbaus von Erneuerbaren Energien, der Verfügbarkeit von Stromimporten und Speicherkapazitäten sowie des Grades der Elektrifizierung zwischen 2025 und 2030 untersucht.

Nicht nur steuerbare Kapazität kann Resilienz der Stromversorgung erhöhen

Das Team aus Tom Brinker, Berit Czock, Hendrik Diers, Philip Schnaars und Johannes Wagner nennt eine Vielzahl von Faktoren für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Versorgungslücken in den betrachteten Extremwettersituationen. Beispielsweise ist die in diesem Jahrzehnt fortschreitende Elektrifizierung, insbesondere von Verkehr und Wärme, in Verbindung mit einem Rückbau steuerbarer Leistung ein Grund für höhere Lastspitzen. „Die Flexibilisierung der Stromnachfrage ist daher von signifikanter Bedeutung für die Versorgungssicherheit mit Strom“, sagt Schnaars, Manager am EWI. Die einzelnen Einflussfaktoren sollten jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Zusätzliche Wind- und PV-Kapazität könne auch in Extremwettersituationen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit beitragen. Dieser zusätzliche Nutzen sei dann am größten, wenn überschüssige Energie gespeichert werden könne und anschließend zur Deckung von Spitzenlast eingesetzt werde.

In den betrachteten Szenarien führt ein im Koalitionsvertrag angestrebter beschleunigter Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 dazu, dass im Betrachtungszeitraum mehr und größere Versorgungslücken auftreten könnten. Diese sind um durchschnittlich 5 GW größer und treten in 60 Stunden pro Jahr mehr auf als bei einem Kohleausstieg bis 2038. Diesen möglichen Versorgungslücken kann mit zusätzlicher Erneuerbarer Erzeugungskapazität, insbesondere in Kombination mit zusätzlichen Batteriespeichern, entgegengewirkt werden. Allen betrachteten Szenarien ist gemein, dass Stromimporte aus dem Ausland einen signifikanten Beitrag zur Deckung der deutschen Stromnachfrage leisten. „Eine verminderte Möglichkeit, Strom aus dem Ausland zu importieren, hat großen Einfluss auf die Versorgungssicherheit in Deutschland. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, Versorgungssicherheit auf europäischer Ebene zu betrachten“, so Schnaars.

Über das EWI – Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) ist eine gemeinnützige GmbH, die sich der anwendungsnahen Forschung in der Energieökonomik und Energie-Wirtschaftsinformatik widmet und Beratungsprojekte für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft durchführt. Annette Becker und Prof. Marc Oliver Bettzüge bilden die Institutsleitung und führen ein Team von etwa 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das EWI ist eine Forschungseinrichtung der Kölner Universitätsstiftung. Neben den Einnahmen aus Forschungsprojekten, Analysen und Gutachten für öffentliche und private Auftraggeber wird der wissenschaftliche Betrieb finanziert durch eine institutionelle Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIKE).­­­­

->Quellen: