EU-Kommission verschärft Grenzwerte für Luft und Wasser

Der europäische Grüne Deal soll Todesrate um  mehr als 75 % senken – KLUG kritisiert – DUH begrüßt

Die Europäische Kommission legte am 26.10.2022 Vorschläge für strengere Vorschriften über Schadstoffe in der Luft, in Oberflächengewässern und im Grundwasser sowie über die Behandlung von kommunalem Abwasser vor. Aufgrund der Luftverschmutzung sterben jedes Jahr 300.000 Menschen in Europa vorzeitig, und mit den vorgeschlagenen neuen Vorschriften wird die Zahl der Todesfälle infolge von Konzentrationen des am häufigsten vorkommenden Schadstoffs PM2,5, die über den Werten in den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation liegen, in zehn Jahren um mehr als 75 % gesenkt. Die neuen Vorschriften über Luft und Wasser bringen dank der positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, die Lebensmittelproduktion, die Industrie und die biologische Vielfalt sowie durch die Energieeinsparungen auch eine klare Rendite.

WHO-Leitlinien 5 µgm³, jährlich; Vorschlag für 2030 10 µgm³, jährlich; derzeitige Richtlinie 25 µgm³ – © who.org

Ausgehend von den Erfahrungen mit den derzeitigen Rechtsvorschriften schlägt die Kommission vor, sowohl strengere Grenzwerte für Schadstoffe einzuführen als auch deren Umsetzung zu verbessern, damit die Schadstoffbekämpfungsziele in der Praxis häufiger erreicht werden. Die heutigen Vorschläge sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Null-Schadstoff-Ziel des europäischen Grünen Deals, d. h. einer schadstofffreien Umwelt bis 2050. Sie entsprechen auch spezifischen Forderungen der Konferenz zur Zukunft Europas.

Der für den europäischen Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans sagte: „Unsere Gesundheit hängt von einer gesunden Umwelt ab. Krankt die Umwelt, hat dies unmittelbar kostspielige Folgen für unsere Gesundheit. Jedes Jahr sterben Hunderttausende Menschen in Europa vorzeitig und noch mehr leiden an Herz- und Lungenerkrankungen oder an Krebserkrankungen, die durch Schadstoffe in der Umwelt verursacht werden. Je länger wir den Kampf gegen die Umweltverschmutzung aufschieben, desto höher sind die Kosten für die Gesellschaft. Wir wollen bis 2050 erreichen, dass unsere Umwelt frei von Schadstoffen ist. Das heißt, dass wir jetzt das Tempo anziehen müssen. Unsere Vorschläge zur weiteren Verringerung der Wasser- und der Luftverschmutzung sind ein wichtiger Bestandteil dieses Puzzles.“

Der für Umwelt, Meere und Fischerei zuständige Kommissar Virginijus Sinkevi?ius erklärte: „Die Qualität der Luft, die wir atmen, und des Wassers, das wir verwenden, ist für unser Leben und die Zukunft unserer Gesellschaft von grundlegender Bedeutung. Verschmutzte Luft und verunreinigtes Wasser schädigen unsere Gesundheit, unsere Wirtschaft und die Umwelt und treffen die am stärksten Benachteiligten am härtesten. Daher ist es unsere Pflicht, auch für die künftigen Generationen auf die Schadstofffreiheit von Luft und Wasser hinzuarbeiten. Wenn wir nicht handeln, kommt uns dies sehr viel teurer zu stehen als vorbeugende Maßnahmen. Deshalb möchte die Kommission jetzt für ein unionsweit koordiniertes Vorgehen sorgen, damit Schadstoffbelastungen an der Quelle – lokal und grenzübergreifend – besser bekämpft werden können.“

Sauberere Luft bis 2030, Schadstofffreiheit bis 2050

In der vorgeschlagenen Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinien sind EU-Luftqualitätsnormen für den Zeitraum bis 2030 vorgesehen, die stärker an die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation angeglichen sind, und die EU wird – in Synergie mit den Bemühungen um Klimaneutralität – auf einen Zielpfad gebracht, um bis spätestens 2050 das Null-Schadstoff-Ziel für die Luft zu erreichen. In diesem Zusammenhang schlagen wir eine regelmäßige Überprüfung der Luftqualitätsnormen vor, um sie jeweils nach Maßgabe der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen neu zu bewerten. Der Vorschlag sieht vor, den Jahresgrenzwert für den vorherrschenden Schadstoff – Feinstaub (PM2,5) – um mehr als die Hälfte herabzusetzen.

Mit der Überarbeitung wird sichergestellt, dass Menschen, deren Gesundheit aufgrund von Schadstoffen in der Luft leidet, im Falle eines Verstoßes gegen die EU-Luftqualitätsvorschriften Anspruch auf Entschädigung haben. Ferner dürfen sie sich durch kollektiven Schadensersatzklagen von Nichtregierungsorganisationen anschließen. Der Vorschlag wird auch für mehr Klarheit in Bezug auf den Zugang zur Justiz,, wirksame Sanktionen und eine bessere Information der Öffentlichkeit über die Luftqualität sorgen. Die neuen Rechtsvorschriften werden lokale Behörden unterstützen, indem die Vorschriften über die Überwachung und die Modellierung der Luftqualität verschärft und die Luftqualitätspläne verbessert werden.

Laut den heute vorgelegten Vorschlägen ist es Sache der nationalen und lokalen Behörden, die konkreten Maßnahmen festzulegen, die sie ergreifen, um die Normen einzuhalten. Gleichzeitig werden bestehende und neue Strategien und Initiativen der EU in den Bereichen Umwelt, Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Forschung und Innovation usw. einen wichtigen Beitrag leisten, wie dem Factsheet zu entnehmen ist.

Der Vorschlag wird dazu beitragen, die Luftqualität in ganz Europa bis 2030 ganz erheblich zu verbessern, und der damit verbundene Nutzen dürfte 2030 zwischen 42 Mrd. und 121 Mrd. € brutto pro Jahr liegen, während die Kosten pro Jahr weniger als 6 Mrd. € betragen.

Luftverschmutzung ist die größte umweltbedingte Gefahr für die Gesundheit und eine der Hauptursachen für chronische Erkrankungen wie Schlaganfälle, Krebs und Diabetes. Alle Menschen in Europa sind ihr ausgesetzt, und sie trifft vulnerable und schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark. Verschmutzte Luft schadet auch der Umwelt und führt zu Versauerung, Eutrophierung und Schädigung von Wäldern, Ökosystemen und Nutzpflanzen.

KLUG: EU-Vorschlag für neue Luftgrenzwerte unzureichend – weltweit bleibt Luftverschmutzung größte Umweltrisiko für Gesundheit. Stärkere Anstrengungen von Bundesregierung gefordert

Die EU-Grenzwerte liegen weiterhin über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), kritisiert KLUG, die Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit e.V.. In Europa sterben jedes Jahr immer noch etwa 400.000 Menschen und in Deutschland rund 70.000 Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung. Schlechte Luftqualität ist einer der bedeutenden Risikofaktoren für die sogenannten Volkskrankheiten (chronischen Krankheiten) und trägt erheblich zu Krankheiten wie Schlaganfällen, Herz-Kreislauferkrankungen, Lungenkrebs sowie chronischen und akuten Atemwegserkrankungen wie Asthma bei. Immer mehr Studien zeigen Zusammenhänge zwischen Luftverschmutzung und Diabetes, Demenz sowie Schäden für die Kindergesundheit auf.

Als Ergebnis einer umfangreichen wissenschaftlichen Überprüfung hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) letztes Jahr deutlich striktere Grenzwerte für Luftschadstoffe, insbesondere für Feinstaub und Stickstoffdioxid empfohlen. Für Feinstaub empfiehlt die WHO eine Langzeitbelastung mit kleinen Partikeln (PM 2,5) von höchstens fünf statt der jetzt in Deutschland geltenden 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Für Stickstoffdioxid empfiehlt sie einen Wert von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, statt der jetzt geltenden 40.  Die heute von der EU-Kommission vorgeschlagenen Grenzwerte (zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft für Feinstaub (PM 2,5) und 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft für Stickstoffdioxid) verfehlen diese internationalen Empfehlungen.

Anja Behrens, Sprecherin der AG Saubere Luft von KLUG, meint: „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Luftschadstoffe gefährden auch in niedrigen Konzentrationen die Gesundheit. Es ist bedauerlich, dass die EU-Kommission nicht den Empfehlungen der Wissenschaft gefolgt ist und keine vollständige Angleichung an die WHO-Empfehlungen vorschlägt.“

Nach den heute veröffentlichten Empfehlungen der Kommission wird es keine Grenzwerte für Ultrafeinstaub, Ruß und Ammonium geben. Diese Luftschadstoffe sind jedoch gefährlich für die Gesundheit und teilweise auch für das Klima. Die EU-Kommission unterschätzt das Potenzial zur Schadstoffminderung und die Gesundheitsvorteile durch strikte Grenzwerte.

Der Gesetzesvorschlag geht nun in die Verhandlungen zwischen Europaparlament und Mitgliedsstaaten. Die Bundesregierung muss nun zeigen, dass für sie Gesundheitsschutz Priorität hat, und bei den anstehenden Verhandlungen vorangehen, damit die Gesundheit der Menschen in Deutschland besser geschützt wird. Die AG Saubere Luft bei KLUG wird sich in den kommenden Monaten weiter für striktere, rechtlich bindende Grenzwerte einsetzen. Bereits im September 2022 hat sich KLUG in einem gemeinsamen Brief mit der Bundesärztekammer und vielen deutschen medizinischen Fachgesellschaften an die Minister:innen Steffi Lemke, Karl Lauterbach und Robert Habeck gewandt, damit sich diese in den kommenden Verhandlungen für eine vollständige Angleichung der Grenzwerte an die Empfehlungen der WHO bis 2030 einsetzen.

In den meisten Fällen reduzieren striktere Grenzwerte auch die Emissionen von Treibhausgasen oder klimawirksamen Luftschadstoffen und dienen so nicht nur der Gesundheit, sondern auch dem dringend notwendigen Klimaschutz. Allein die gesundheitlichen Folgekosten von schmutziger Luft übertreffen die Kosten für Luftreinhaltung.

Deutsche Umwelthilfe begrüßt vorgesehene drastische Verschärfung der Grenzwerte für Feinstaub und das Dieselabgasgift NO2 in der EU-Luftqualitätsrichtlinie

  • DUH begrüßt den zukünftig vorgesehenen rechtlichen Zugang aller betroffenen Menschen auf Schadensersatz, wenn die Luftgrenzwerte nicht eingehalten werden
  • Europäische Kommission will Luftschadstoffgrenzwerte gegenüber heute gültigen Werten deutlich verschärfen, geht aber nicht so weit wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen
  • Inkrafttreten der neuen Grenzwerte im Jahr 2030 deutlich zu spät angesichts jährlich 53.800 vorzeitiger Todesfälle wegen Luftschadstoffbelastung mit Feinstaub PM2,5 und 6.000 mit dem Dieselabgasgift NO2 in Deutschland
  • DUH fordert Vorziehen des Inkrafttretens auf das Jahr 2025 und weitere Verschärfung der Luftschadstoffgrenzwerte auf die Richtwerte der WHO und startet hierzu die Initiative Clean Air 2.0

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission auf Verschärfung der Grenzwerte für Feinstaub und das Dieselabgasgift NO2 in dem vorgelegten Entwurf zur Überarbeitung der Europäischen Luftqualitätsrichtlinie. Ein wichtiger Punkt ist der zukünftig vorgesehene rechtliche Zugang aller betroffenen Menschen zu Schadensersatz, wenn die Luftgrenzwerte nicht eingehalten werden. Allerdings muss der Entwurf nun im Rahmen der Konsultationen mit Blick auf das Datum des Inkrafttretens und die Grenzwertbestimmung nachgeschärft werden. Die DUH fordert die für Luftreinhaltung zuständige Bundesumweltministerin Steffi Lemke sowie die Mitglieder des Europaparlaments dazu auf, sicherzustellen, dass die Grenzwerte für die Konzentration aller problematischen Luftschadstoffe vollständig und bereits ab 2025, nicht erst ab 2030, an die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst werden.

Nur so lassen sich die jährlich rund 53.800 vorzeitigen Todesfällen aufgrund der Luftverschmutzung mit Feinstaub, 6.000 durch das Dieselabgasgift NO2 und 3.350 durch Ozon allein in Deutschland deutlich verringern. Derzeit schlägt die Kommission für Feinstaub (PM2,5) einen Grenzwert im Jahresmittel von 10 µg/m3 (WHO Empfehlung: 5µg/m3) und für Stickstoffdioxid (NO2) ein Jahresmittelwert von 20 µg/m3 (WHO Empfehlung: 10 mg/m3) vor.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dazu: „Endlich liegt der seit Jahren von der Industrie verzögerte und leider auch in den vorgeschlagenen Grenzwerten abgeschwächte Richtlinienentwurf für die ‚Saubere Luft‘ vor. Nur durch eine konsequente Verkehrswende, Aussperrung aller Dieselstinker und Halbierung der Zahl der Pkws in unseren Städten sowie weiteren Maßnahmen in allen relevanten Sektoren, wie Verkehr, Landwirtschaft und Holzfeuerung, wird es möglich sein, die vorgeschlagenen Werte zu erreichen. Tatsächlich dürfen wir aber angesichts der 300.000 vorzeitigen Todesfälle in Europa jedes Jahr aufgrund von Luftverschmutzung nicht bis 2030 warten. Wir fordern daher von Umweltministerin Steffi Lemke, sich für ein Vorziehen der Richtlinie auf 2025 bei gleichzeitiger Verschärfung der Grenzwerte auf die WHO-Luftqualitätsstandards einzusetzen.“

Bei den früheren Verschärfungen der Luftreinhalterichtlinie zu Feinstaub im Jahr 2005 und dem Dieselabgasgift NO2 im Jahr 2010 haben Bundes- wie Landesregierungen die Grenzwerteinhaltung aus Rücksichtnahme auf die Autokonzerne ignoriert. Die DUH musste daher im Rahmen ihrer Kampagne „Saubere Luft“ die 70 Umweltzonen für die Einhaltung der Feinstaubwerte zum Teil gerichtlich durchsetzen. Seit 2011 kämpft sie in 40 weiteren Gerichtsverfahren für die Einhaltung der aktuellen Grenzwerte für das Dieselabgasgift NO2.

Dass europaweit jährlich immer noch 300.000 Menschen vorzeitig wegen Luftschadstoffen sterben, macht deutlich, dass die Verschärfung der Grenzwerte schnellstmöglich erfolgen muss. Um dies zu erreichen hat die DUH am 5. Oktober 2022 im Rahmen eines internationalen Symposiums ihre bisher größte Luftreinhalte-Initiative CLEAN AIR 2.0 gestartet. Mit der Initiative will die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation in großer Allianz mit anderen Organisationen sowie über juristische Mittel –  wie zuletzt durch die Unterstützung der Verfassungsbeschwerde für Saubere Luft – die WHO-Empfehlungen durchsetzen.

Die nun auch von der EU-Kommission im Grundsatz bestätigte Notwendigkeit einer drastischen Verschärfung der Luftqualitätsgrenzwerte ist Voraussetzung, um die zuständige Politik zu wirksamen Maßnahmen für wirklich „Saubere Luft“ zu bewegen. Dazu zählt eine konsequente Verkehrswende in unseren Städten mit der Aussperrung aller Fahrzeuge, die im realen Fahrbetrieb die aktuellen Abgasgrenzwerte nicht einhalten. Darüber hinaus muss die Zahl der Pkws halbiert und die Infrastruktur für Bahn, Bus und Tram sowie Fahrradverkehr drastisch ausgebaut werden. Über die Verkehrsmaßnahmen hinaus muss zudem eine Filterpflicht für Holzfeuerungsanlagen folgen, um den Feinstaubausstoß wirksam zu senken. Und auch in der Landwirtschaft müssen Emissionsminderungsmaßnahmen umgesetzt werden.

Bessere und kostengünstigere Behandlung von kommunalem Abwasser

Die überarbeitete Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser wird sauberere Flüsse, Seen, Grundwasserkörper und Meeren für die Menschen in Europa bringen und gleichzeitig die Abwasserbehandlung kosteneffizienter gestalten. Für die optimale Nutzung von Abwasser als Ressource wird vorgeschlagen, bis 2040 Energieneutralität des Sektors anzustreben und die Qualität des Klärschlamms zu verbessern, um eine umfangreichere Wiederverwendung zu ermöglichen und so zur Förderung der Kreislaufwirtschaft beizutragen.

Etliche Verbesserungen werden den Gesundheits- und den Umweltschutz fördern. Dazu gehören Verpflichtungen zur Verwertung von Nährstoffen aus Abwasser, neue Normen für Mikroschadstoffe und neue Überwachungsanforderungen für Mikroplastik. Die Verpflichtung zur Wasseraufbereitung wird auf kleinere Gemeinden mit 1000 Einwohnern ausgeweitet (derzeit 2000 Einwohner). Als Beitrag zur Bewältigung schwerer Regenfälle, die infolge des Klimawandels häufiger auftreten, müssen in größeren Städten integrierte Wasserbewirtschaftungspläne aufgestellt werden. Und auf der Grundlage der Erfahrungen mit COVID-19 schlägt die Kommission vor, Abwasser systematisch auf verschiedene Viren, darunter auch CoV-SARS-19, und antimikrobielle Resistenz hin zu überprüfen.

Die EU-Länder müssen den Zugang zu sanitärer Grundversorgung für alle, insbesondere für schutzbedürftige und marginalisierte Gruppen, gewährleisten.

Da 92 % der giftigen Mikroschadstoffe in EU-Abwässern von Arzneimitteln und Kosmetika stammen, müssen im Rahmen eines neuen Systems der erweiterten Herstellerverantwortung die Hersteller für deren Beseitigung aufkommen. Dies entspricht dem Verursacherprinzip und wird sowohl Anreize für Forschung und Innovation im Bereich schadstofffreier Produkte schaffen als auch für eine gerechtere Finanzierung der Abwasserbehandlung sorgen.

Der Abwassersektor verfügt über erhebliches ungenutztes Potenzial zur Erzeugung erneuerbarer Energie z. B. mit Biogas.  Die EU-Länder werden verpflichtet, durch die Industrie verursachte Verschmutzungen an der Quelle zu verfolgen, um mehr Möglichkeiten zur Wiederverwendung von Klärschlamm und behandeltem Abwasser zu erschließen und so den Verlust von Ressourcen zu vermeiden. Vorschriften über die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm werden dessen Verwendung zur Herstellung von Düngemitteln für die Lebensmittelproduktion unterstützen.

Infolge der Veränderungen dürften die Kosten um 3,8 % (auf 3,8 Mrd. € im Jahr 2040) steigen, der Nutzen jedoch mit 6,6 Mrd. € pro Jahr zu Buche schlagen, und in allen Mitgliedstaaten wird ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt.

Schutz von Oberflächengewässern und Grundwasser vor neuen Schadstoffen

Die Kommission schlägt die Aktualisierung der Listen der Wasserschadstoffe, die in Oberflächengewässern und Grundwasser strenger kontrolliert werden müssen, nach Maßgabe aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse vor.

25 Stoffe, deren problematische Auswirkungen auf die Natur und die menschliche Gesundheit gut dokumentiert sind, werden in die Listen aufgenommen. Dazu gehören

  • PFAS, eine große Gruppe von „ewigen Chemikalien“, die unter anderem in Kochgeschirr, Bekleidung und Möbeln, Löschschaum und Körperpflegemitteln verwendet werden,
  • eine Reihe von Pestiziden wie Glyphosat sowie beim Abbau von Pestiziden entstehenden Stoffen,
  • Bisphenol A, ein Weichmacher und Bestandteil von Kunststoffverpackungen,
  • einige Arzneimittel, die als Schmerzmittel und Entzündungshemmer verwendet werden, sowie Antibiotika.

Die Stoffe und ihre Normen wurden in transparenter Weise und nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt.

Darüber hinaus schlägt die Kommission aufgrund der Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit Zwischenfällen wie dem Massenfischsterben in der Oder gewonnen wurden, vor, dass nach solchen Zwischenfällen Warnungen für nachgelagerte Flusseinzugsgebiete ergehen müssen. Ferner werden Verbesserungen der Überwachung und Berichterstattung vorgeschlagen sowie, künftige Aktualisierungen der Liste unkomplizierter zu machen, um mit der Wissenschaft Schritt zu halten.

In den neuen Vorschriften werden die kumulativen oder kombinierten Auswirkungen von Gemischen anerkannt und so der Fokus erweitert, der zurzeit noch auf einzelnen Stoffen liegt.

Außerdem werden die Normen für 16 Schadstoffe, die bereits unter die Vorschriften fallen, darunter Schwermetalle und Industriechemikalien, aktualisiert (meist verschärft) und vier Schadstoffe, die keine EU-weite Bedrohung mehr darstellen, gestrichen.

Nächste Schritte

Die Vorschläge werden nun vom Europäischen Parlament und vom Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beraten. Nach ihrer Annahme werden sie schrittweise mit unterschiedlichen Zielen für 2030, 2040 und 2050 in Kraft treten, sodass die Industrie und die Behörden Zeit haben, sich anzupassen und die notwendigen Investitionen vorzunehmen. 

Deutsche Umwelthilfe kritisiert EU-Kommission für abgesagte Verschärfung der Abgasnorm Euro 7: „Kniefall vor Dieselkonzernen“

  • Leak des Entwurfs der EU-Kommission zur Abgasnorm Euro 7 offenbart das Durchregieren der Autokonzerne nun auch in Brüssel: Diesel-Pkw sollen ab 2025 drei Mal mehr Stickoxide ausstoßen als in Kalifornien erlaubt
  • DUH-BGF Resch: „Durch Kniefall der EU-Kommission vor Autolobby werden europaweit weiter hunderttausende Menschen an Feinstaub und dem Dieselabgasgift NO2 erkranken und vorzeitig sterben“
  • DUH fordert Verschärfung der Euro-7-Norm auf den Stand der Technik und funktionierende Marktüberwachung sowie schärfere Luftreinhaltewerte

Der Deutschen Umwelthilfe (DUH) liegt der finale Entwurf der Neufassung des Abgasstandards Euro 7 für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vor. Dieser offenbart nach Ansicht des Umwelt- und Verbraucherschutzverbandes eindrucksvoll, wie die Autokonzerne nach der Übernahme des Kommissionsvorsitzes durch Ursula von der Leyen nun auch in Brüssel „durchregieren“.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Bei früheren Abgasvorschriften kämpfte die EU-Kommission für den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern und Umwelt und legte ambitionierte Regelungsvorschläge vor. Sieben Jahre nach der Aufdeckung des Dieselgates – der größte Industrieskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte – plant die EU-Kommission einen Kniefall vor den Dieselkonzernen. Mit einer inhaltlich entkernten Euro-7-Abgasnorm setzt die EU-Kommission das Signal für eine ‚freie Fahrt für Diesel-Stinker‘ in unseren Städten. Ich fordere die EU-Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf, die Euro-7-Abgasnorm auf den Stand der Technik zu verschärfen und zu verhindern, dass Diesel-Pkw in Europa zukünftig drei Mal schmutziger sein dürfen als beispielsweise in Kalifornien.“

Die EU-Kommission hat die Veröffentlichung zur neuen Euro-7-Abgasnorm für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge für den 9. November 2022 angekündigt. Der Termin wurde bereits mehrfach verschoben. Im vorliegenden Entwurf werden nun selbst die Empfehlungen des EU-eigenen Expertengremiums CLOVE (Consortium for ultra Low Vehicle Emissions) grob missachtet und Gesundheitsaspekte zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vernachlässigt. Statt die gesundheits- und umweltschädlichen Stickoxidemissionen zu reduzieren, soll der Grenzwert unverändert auf dem Niveau der vor über zehn Jahren festgelegten Euro-6-Abgasnorm (60 mg/km) verbleiben. Das Expertengremium hatte einen Stickoxidgrenzwert von 20 mg/km für alle Pkw vorgeschlagen. Zum Vergleich: In Kalifornien liegt der Grenzwert für die Summe aus Stickoxiden und non-Methane Organic Gases (NMOG) aktuell bei umgerechnet 32 mg/km und ab 2025 bei 19 mg/km.

„Die EU-Kommission dokumentiert, dass es ihr nicht darum geht, dass die Bürgerinnen und Bürger hochwertige, haltbare und weniger umweltbelastende Fahrzeuge und eine Saubere Luft bekommen. Einzig die Steigerung der Profite weniger Dieselkonzerne liegt im Fokus der EU-Kommission. Spätestens mit dem Bekanntwerden des Dieselgates im Jahr 2015 sollte die EU-Kommission aus den Fehlern lernen und sich nicht länger von der Autolobby um den Finger wickeln lassen“, so Resch weiter.

Laut Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) der DUH konnten Diesel-Pkw bereits vor Jahren selbst den Wert von 60 mg/km unterschreiten, sofern eine ordnungsgemäße Abgasreinigungsanlage verbaut wurde. Ein schwerer Stadtpanzer wie der Mercedes GLS 350d mit der aktuellen Abgasnorm Euro 6 kann die Stickoxidemissionen mit aktuell verfügbarer Technik demnach spielend leicht unter den kalifornischen Grenzwert von 19 mg/km absenken. Die auf der Straße gemessenen Stickoxidemissionen lagen im Durchschnitt bei 6 mg/km – gerade einmal ein Zehntel des neu vorgesehenen Grenzwerts nach Euro 7.

Hintergrund:

Die untersuchten Szenarien des Expertengremiums CLOVE, welches unter anderem im ambitionierten Szenario eine Dauerhaltbarkeitsanforderung von 240.000 Kilometer Laufleistung vorgeschlagen hat, werden ebenso abgelehnt wie eine Verschärfung der veralteten Grenz- und Prüfwerte für Bremsen, Reifen und Batterielebensdauer. Hingegen werden auch für leichte Nutzfahrzeuge die am wenigsten ambitionierten Anforderungen verlangt und deren Haltbarkeit sowie die maximale Laufleistung auf gerade einmal acht Jahre oder 160.000 Kilometer festgelegt. In Kalifornien und China müssen beispielsweise die Hersteller die Anforderungen von 240.000 bzw. 200.000 Kilometer Laufleistung erfüllen.

Link:

Hier finden Sie weitere Informationen zur Abgasnorm Euro 7:

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