Alte Batterien als innovativer Second-Life-Stromspeicher

Landkreis Schwäbisch Hall eine von acht Modellkommunen im BMWK-geförderten Projekt Fluxlicon

Dem Klimaschutzkonzept des Landkreises Schwäbisch Hall von 2016 entsprechend sollen alle CO2-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent reduziert werden. Für diesen Zweck soll gegenüber dem Jahr 2014 etwa der Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor auf 200 Prozent und im Wärmesektor auf 80 Prozent erhöht werden. Neuerlichen Antrieb habe die Energiewende im Landkreis mit der vollständigen Überarbeitung des Angebots des energieZENTRUMs in den letzten zwei Jahren erhalten. Das Zentrum in Schwäbisch Hall koordiniere gemeinsam mit 24 der 30 Kommunen des Landkreises die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, heißt es in einer Pressemeldung vom 28.10.2022 der Agentur für Erneuerbare Energien.

Schwäbisch Hall von oben – Foto © LK Schwäbisch Hall (mit frdl. Genehmigung)

Der ländlich geprägte Landkreis Schwäbisch Hall im Nordosten Baden-Württembergs wird von zahlreichen pittoresken Tälern durchzogen und beherbergt knapp 20 Naturschutzgebiete. Damit Kleinode wie beispielsweise das Kupfermoor in der Gemeinde Untermünkheim auch zukünftigen Generationen erhalten bleiben, setzt der Kreis unter der Koordination von Klimaschutzmanagerin Caroline Schöner aktuell einen Katalog aus Klimaschutzmaßnahmen um, die im Klimaschutzkonzept von 2016 identifiziert wurden.

Vor besondere Herausforderungen wird der Landkreis dabei bei der Umsetzung der Verkehrswende gestellt. Der mit einer Fläche von knapp 1.500 Quadratkilometern und knapp 200.000 Einwohner dünn besiedelte Kreis muss den Spagat zwischen einem attraktiven Verkehrsangebot, das die regionalen Zentren Schwäbisch Hall, Crailsheim und Gaildorf, aber auch die ländlichen Kreisgebiete miteinander verbindet, sowie einer möglichst schnellen Reduktion der sektorspezifischen CO2-Emissionen schaffen. Hier geht der Landkreis zum einen durch die Umstellung des Fuhrparks als Vorbild voran und beteiligt sich andererseits an innovativen Projekten. Insbesondere das Projekt FluxLiCon (s.u.) verbindet auf innovative Weise Verkehrs- und Stromsektor, nutzt dazu auch noch alte Autobatterien und gibt diesen ein zweites Leben.

Energiespeicher aus „Second-Life“-Batterien

Im September 2021 ist das Forschungsvorhaben „Intelligentes und flexibles System zum Einsatz von jeglichen 2nd-Life-Batterien in der kommunalen Ladeinfrastruktur“ (Fluxlicon) an den Start gegangen. Bis Ende August 2024 erarbeitet das Projekt zentrale Erkenntnisse für eine künftige Kreislaufwirtschaft in der Mobilität. Dazu entwickelt und pilotiert „Fluxlicon“ einen modularen und flexiblen Energiespeicher aus Batterien, die mit rund 80 Prozent Restlebensdauer für einen weiteren Einsatz in Elektrofahrzeugen nicht mehr geeignet sind. Die Architektur des Speichers bietet eine Netzschnittstelle für die Integration erneuerbarer Energie sowie „Fast Charging“ für einen schnelleren und kostengünstigeren Aufbau von Lademöglichkeiten. Mit dem Lehrstuhl „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) der RWTH Aachen und den weiteren Projektpartnern Agentur für Erneuerbare Energien e.V. (AEE), PEM Motion, ConAC und DEKRA wird im Zuge des Projekts eine „Trusted Platform“ entwickelt. Sie fungiert als Schnittstelle zwischen den Inverkehrbringern der Elektrofahrzeug-Batteriesysteme sowie den Zweitnutzern und stellt sämtliche Daten bereit, die für eine Weiterverwendung gebrauchter Batteriesysteme relevant sind. Zur Validierung der Ergebnisse wird in Aachen ein „Second-Life-Speicher“ mit der Kapazität einer Megawattstunde errichtet und für die Datenrückübertragung in die „Trusted Platform“ ein intelligentes Energiemanagementsystem erarbeitet. Im weiteren Verlauf stehen der Aufbau und die Erprobung zweier Pilotanlagen in zwei unterschiedlichen deutschen Kommunen im Fokus. Beide Standorte werden über einen bundesweiten Wettbewerb ermittelt. Hintergrund des Projekts ist der immer größer werdende Stellenwert der Elektromobilität. Mit Blick auf Nachhaltigkeit und Ressourceneinsatz gibt es jedoch Kritik: Die Batterien benötigen Rohstoffe, die Produktion verursacht CO2-Emissionen, und nach der Nutzungsdauer im Fahrzeug werden viele Akkus trotz hoher Restkapazität direkt recycelt. Um die Batterien künftig möglichst lange und effizient im Einsatz zu halten, wurden bereits erste Konzepte für „Second Life“-Anwendungen entwickelt, die Batteriesystemen aus Elektrofahrzeugen ein „zweites Leben“ in stationären Energiespeichern erlaubt.

Mit einem Anteil von knapp 50 Prozent der CO2-Emissionen im Kreisgebiet ist der Verkehrssektor entscheidend für die Erreichung der Klimaschutzziele. Aufgrund der ländlichen Prägung ist für den Kreis Schwäbisch Hall neben der Bereitstellung eines attraktiven öffentlichen Nahverkehrs insbesondere die Reduktion von Treibhausgasemissionen im Bereich der Individualmobilität notwendig: Mit einem Radverkehrskonzept will der Kreis zum einen die Bürger zum Umstieg aufs Fahrrad bewegen. Dafür werden neue Radwege gebaut, wichtige Strecken erneuert und gerade die Benutzung der Wege in den kalten Jahreszeiten durch eine Ausdehnung des Winterdienstes verbessert. Zum anderen investiert der Kreis über Förderprogramme in die Attraktivität der E-Mobilität vor Ort, um den schrittweisen Umstieg der eigenen Fahrzeugflotte auf E-Autos und den Ausbau des Ladenetzes realisieren zu können.

Darüber hinaus werden durch das Projekt Fluxlicon in Zukunft Verkehrs- und Stromsektor noch stärker miteinander gekoppelt. „Schon bald wird elektrische Energie in allen Sektoren, sei es Strom, Wärme oder Verkehr, eine zentrale Rolle spielen“, sagt Robert Brandt, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. „Deswegen brauchen wir Projekte – wie Fluxlicon – die mittels smarter Technologie diese Sektoren immer stärker miteinander koppeln und so den Verbrauch, die Speicherung sowie die Produktion von erneuerbarem Strom immer effizienter, aber auch flexibler machen.“

Landkreis gibt mit Fluxlicon alten Batterien ein zweites Leben

Das im September 2021 gestartet Forschungsprojekt wird in mehreren Phasen umgesetzt. Derzeit wird zum einen weiter am Speicher aus Second-Life-Batterien gearbeitet. Dieser wird als Ladepunkt für „Fast-Charging“, aber auch als Netzschnittstelle zur Speicherung und flexiblen Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien fungieren. Kurzfristige Frequenzschwankungen im lokalen Stromnetz können so ausgeglichen und das Stromnetz weiter flexibilisiert werden. Insbesondere die Möglichkeit der Kombination von Batterien verschiedener Fahrzeughersteller und Größen ist auf diesem Gebiet ein Novum. Damit steigt die Produktverfügbarkeit und im Falle eines Ausfalls können andere Batteriesysteme eingesetzt werden.

Parallel dazu identifiziert der Landkreis Schwäbisch Hall in der zweiten Phase des Auswahlprozesses ab Ende November gemeinsam mit Experten von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen), PEM Motion, ConAC, der DEKRA sowie der Agentur für Erneuerbare Energien konkrete Anwendungsfälle. Für diesen Prozess werden Vertreter des Landkreises, die Stadtwerke Schwäbisch Hall sowie Mitarbeitende des energieZENTRUMs miteinbezogen. Als eine von acht  Kommunen muss der Landkreis das Auswahlkomitee überzeugen, um für die Installation des Speichers im Laufe 2023 ausgewählt zu werden.  Bis zum voraussichtlichen Abschluss des Projektes 2024 werden die Anlagen dann in den zwei Pilotkommunen ausführlich getestet.

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