WWF-Hintergrundpapier Circular Economy im Gebäudesektor

Kreislaufwirtschaft zentraler Hebel

In Deutschland steht der Gebäudesektor vor großen Herausforderungen. Dem Gebäudesektor kommt mit seinem hohen Ressourceneinsatz, Flächenbedarf, Energieverbrauch und hohen Abfallmengen sowohl in der Herstellungs- und Bau- als auch in der Nutzungsphase eine bedeutende Rolle im Klima- und Ressourcenschutz sowie im Schutz unserer Ökosysteme zu – so ein WWF-Papier unter dem Titel „Gebäude in der Kreislaufwirtschaft“. Einerseits gibt es einen Bedarf an Wohnungen, der u. a. durch den Neubau von jährlich 400.000 Wohnungen gedeckt werden soll (aber in diesem Jahr nicht gedeckt werden kann). Zugleich muss der Gebäudebestand aus Gründen der Energieeinsparungen weitreichend saniert werden.

Baustelle in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Dem Gebäudesektor kommt mit seinem hohen Ressourceneinsatz, Flächenbedarf, Abfallmengen und Energieverbrauch sowohl in der Herstellungs-, Bau- als auch in der Nutzungsphase eine bedeutende Rolle im Klima- und Ressourcenschutz sowie im Schutz unserer Ökosysteme zu. Denn europaweit werden enorme Mengen an Zement, Stahl, Aluminium und Kunststoff für den Gebäudebau verbraucht.

Nur wenig wird hierbei durch Sekundärrohstoffe gedeckt, denn der Bausektor hat kaum hochwertiges Recycling und verursacht in Deutschland jährlich über die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens. Zudem führen die Versiegelung der Flächen und der Ressourcenabbau weltweit zu Eingriffen in die Ökosysteme.

Gleichzeitig ist der Gebäudesektor für 1/3 des Energieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Neben der Energie für die Gebäudenutzung durch Heizen und Kühlen, spielt die graue Energie eine entscheidende Rolle. Laut Bundes-Klimaschutzgesetz muss der Gebäudesektor seine Gesamtemissionsmenge bis 2030 etwa halbieren.

Graue Energie

Als graue Energie wird die Primärenergie bezeichnet, die für die Produktion von Baumaterialien sowie die Verarbeitung, den Transport, den Bau sowie den Rückbau des Gebäudes und die Entsorgung der Materialien notwendig ist.

Zirkuläre Maßnahmen für den Wandel

Die Circular Economy stellt einen zentralen Hebel dar, den Sektor nachhaltig umzugestalten und ein Wirtschaften innerhalb planetarer Grenzen zu ermöglichen.

Circular Economy im Gebäudesektor bedeutet:

    • Vermeidung & Reduzierung: Gebäudebestand erhalten, sanieren, weiter- und umnutzen; Gebäude durch zirkuläres Design so konzipieren, dass sie von Anfang modular, langlebig, reparierbar und recyclebar sind
    • Teilen: Gebäude durch alternative Nutzungsformen wie Co-Working intensiver nutzen
    • Wiederverwendung: Gebäudeteile und Materialien wie Fenster oder Stützbalken in anderen Bauprojekten wiederverwenden
    • Reparatur: Gebäude regelmäßig instand halten durch Reparaturen und (energetische) Sanierungen
    • Remanufacturing: Gebäudekomponenten und Bauteile wie Bodenplatten wiederaufbereiten und zurück in den Umlauf bringen
    • Recycling: beim Rückbau Baumaterialien sortenrein trennen und hochwertig recyclen

Durch Circular-Economy-Maßnahmen im Gebäudesektor kann Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen, Abfallmengen und Ressourcenverbrauch reduzieren, Flächen erhalten und wirtschaftlich nachhaltiger bauen. So werden die Ökosysteme entlastet, deren Belastungsgrenzen respektiert und weniger Emissionen freigesetzt, als es innerhalb einer linearen Wirtschaftsweise möglich ist.

WWF-Hintergrundpapier: Circular Economy im Gebäudesektor – Was passieren muss, damit der Gebäudesektor die zirkuläre Transformation schafft, detailliert der WWF Deutschland in seinem Hintergrundpapier.

Ein Umbau des Gebäudesektors in eine Circular Economy ist sowohl klima- als auch ressourcentechnisch unumgänglich. Das Thema wurde seitens der politischen Entscheidungsträger:innen lange ignoriert. Mittlerweile gibt es erste rechtliche Rahmenbedingungen, die sich der Notwendigkeit einer Transformation des Sektors annehmen. Gleichzeitig werden jedoch wichtige Veränderungen noch nicht adressiert.

Daher muss die Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene:

  • Den Gebäudebestand erhalten und sanieren.
  • Der Neubau von Beginn an zirkulärer konzipieren.
  • Wiederverwendung auf allen Ebenen des Gebäudesektors fördern.
  • Öffentliche Gebäude und Beschaffung als zentrale Hebel nutzen.

17 zentrale Forderungen stellt der WWF Deutschland in seinem Hintergrundpapier zu Circular Economy im Gebäudesektor. Wie lassen sich diese Forderungen umsetzen? Wer muss aktiv werden? Und wie schnell sind die Änderungen realisierbar? Dies hat der WWF durch eine juristische Studie vom Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) umfänglich prüfen lassen. Die Studie kommt zu dem Schluss:

  • Entscheidende gesetzliche Änderungen sind alle kurz- bis mittelfristig machbar!
  • Die Bundesregierung muss nicht auf EU-Vorgaben warten, sondern sollte bereits jetzt öffentliche Hebel nutzen, um die Transformation zu beschleunigen.
  • Durch die Besonderheit der Bausektors mit 16 unterschiedlichen Landesbauverordnungen spielen auch die Länder bei der Umsetzung eine tragende Rolle.

Laut Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) muss der Gebäudesektor seine Gesamtemissionen bis 2030 auf 67 Mio. t CO2-Äquivalente/Jahr halbieren; gleichzeitig erhöht die EU die Vorgaben zur Nachhaltigkeitsperformance, Energieeffizienz und Finanzierbarkeit von Gebäuden stetig. Die Kreislaufwirtschaft ist ein zentraler Hebel, den Sektor nachhaltig umzugestalten und ein Wirtschaften innerhalb planetarer Grenzen zu ermöglichen. Berechnungen zeigen, dass eine Bauweise, die Klima- und Ressourcenschutz maßgeblich berücksichtigt, bspw. bei Mehrfamilienhäusern zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von etwa 37 % gegenüber einer herkömmlichen Bauweise beiträgt. Durch Renovierung und Bestandserhalt können sogar noch mehr Ressourcen eingespart werden.

Das neue WWF-Hintergrundpapier Circular Economy im Gebäudesektor analysiert den aktuellen Stand des Gebäudesektors und präsentiert Stellschrauben einer Circular Economy zum Schutz von Klima, Natur und Ressourcen. Daran knüpfen sich Forderungen zur Transformation des Gebäudesektors. Der WWF fordert politische Maßnahmen zur Erhaltung und Sanierung des Gebäudebestands, zur zirkulären Konzeption des Neubaus von Beginn an, zur Förderung der Wiederverwendung auf allen Ebenen des Gebäudesektors und zur Nutzung von öffentlichen Gebäuden und Beschaffung als zentrale Hebel. Die Studie prüft die rechtliche Umsetzbarkeit der Maßnahmen, die Zuständigkeit der Legislativorgane auf Bundes-, Landes und Kommunalebene und erarbeitet Vorschläge zum gesetzlichen Änderungsbedarf. Dieses Papier enthält einen Überblick über die Bewertung und kommt zu dem Schluss: Entscheidende gesetzliche Änderungen sind alle kurz- bis mittelfristig machbar.

  1. Der Gebäudesektor im KSG bezieht sich auf die Verbrennung von Brennstoffen im Gebäudebereich. Emissionen, die in der Bauwirtschaft anfallen, werden dem Industriesektor zugeordnet.
  2. Die Begriffe „Kreislaufwirtschaft“ und „Circular Economy“ sind Synonyme. Die Autor:innen setzen vorwiegend den englischen Begriff „Circular Economy“ ein, um den hierzulande zwar etablierten, aber stark abfallwirtschaftlich kon-notierten Begriff der „Kreislaufwirtschaft“ in Bedeutung und Anspruch zu erweitern.
  3. Dieses WWF-Hintergrundpapier analysiert den aktuellen Stand des Gebäudesektors und prä-sentiert dann Stellschrauben einer Circular Economyb (CE) im Gebäudesektor zum Schutz von Klima, Natur und Ressourcen. Daran knüpfen sich eine Reihe zentraler politischer Forderun-gen zur Transformation des Gebäudesektors, denn die Voraussetzung für einen umfassenden systemischen Wandel zu Circular Economy im Gebäudesektor sind verbindliche politische Rahmenbedingungen.

Der WWF fordert politische Maßnahmen zur Erhaltung und Sanierung des Gebäudebestands, zur zirkulären Konzeption des Neubaus von Beginn an, zur Förderung der Wiederverwendung auf allen Ebenen des Gebäudesektors und zur Nutzung von öffentlichen Gebäuden und Be-schaffung als zentrale Hebel. Die Forderungen hat der WWF durch das Institut für Klima-schutz, Energie und Mobilität (IKEM) rechtlich prüfen lassen. Die Studie prüft die rechtliche Umsetzbarkeit der Maßnahmen, die Zuständigkeit der Legislativorgane auf Bundes-, Landes-und Kommunalebene und erarbeitet Vorschläge zum gesetzlichen Änderungsbedarf. Dieses Papier enthält einen Überblick der Bewertung und kommt zu dem Schluss: Entscheidende gesetzliche Änderungen sind alle kurz- bis mittelfristig machbar.

Der Gebäudesektor

Unter dem Begriff „Gebäudesektor“ werden alle Tätigkeiten zum Bau von Gebäuden vereint: vom Bau über den Aus- und Umbau bis hin zum Rückbau. Zudem betrifft er Vorleistungen wie Planung und Baustoffherstellung sowie Dienstleistungen und Logistik während der Bauphase, während der Nutzung und am Nutzungsende. Im Gegensatz dazu umfasst der Bausektor neben Gebäuden auch andere Infrastruktur wie Brücken oder Straßen. Die speziellen Anforderungen und Circular-Economy-Ansätze dieser Infrastruktur werden in diesem Papier nicht behandelt.

Hoher Ressourceneinsatz

Neubauten und Bestandssanierungen sind ressourcenintensive Branchen. Für den Gebäude-bau wird hauptsächlich Beton verwendet, für den Sand, Kies und Zement angemischt werden. Außerdem kommen Holz, Kunststoffe, Ziegel, Stahl und (mineralische) Dämmstoffe beim Bau zum Einsatz.

Europaweit werden 65 Prozent des Zements, 33 Prozent des Stahls, 25 Prozent des Alumini-ums und 20 Prozent der Kunststoffe für den Gebäudebau verbraucht. Dabei hinterlassen Bau-materialien einen CO2-Fußabdruck von rund 250 Millionen Tonnen pro Jahr. Auch Sand und Kies sind in großen Mengen für den Gebäudebau nötig. 262 Millionen Tonnen Bau-sand und -kies wurden 2020 in Deutschland abgebaut. Seit 2012 ist die Menge an abgebautem Kies um ca. zehn Prozent gestiegen. 95 Prozent des in Deutschland abgebauten Sandes wer-den von der Baubranche nachgefragt. Denn ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Deutschland verbraucht für Beton und Glas mehr als 200 Tonnen Sand. In einem Krankenhaus stecken sogar 3.000 Tonnen Sand.

Der Einsatz dieser Ressourcen führt deutschland- und weltweit zu Eingriffen in die letzten natürlichen Ökosysteme. Denn die Ressourcen sind begrenzt, die Nachfrage wächst stetig, und viele Sandvorkommen liegen unter bebauter Fläche oder in Naturschutzgebieten. Bei Metallerzen ist die Lage noch kritischer. Hier importiert Deutschland nahezu 100 Prozent der Ressourcen aus dem Ausland. Ein Drittel des Stahls wird für den Bausektor verwendet. Die Folgen in den Abbaugebieten sind enorm und reichen von Abholzung über Erschöpfung von Wasserressourcen und Umweltvergiftungen bis hin zu Verschmutzungskatastrophen.

Hoher Verbrauch von grauer Energie

Gebäude verbrauchen während ihres gesamten Lebenszyklus Energie. Die Nutzung und der Bau von Gebäuden setzen hierzulande etwa ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen frei. In der Nutzung von Gebäuden geschieht dies vor allem durch das Heizen mit fossilen Energieträgern. Im Bau spielt die sogenannte graue Energie eine entscheidende Rolle beim Ausstoß der Emissionen.

Beispielsweise besteht bei einem neu gebauten Gebäude mit KfW-Effizienzhausstandard 55c die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs im Lebenszyklus des Gebäudes aus grauer Ener-gie.12 Der Anteil grauer Energie, der in einem Gebäude mit KfW-Effizienzhausstandard 55 steckt, ist so hoch wie der Verbrauch durch eine Familie in 50 Jahren ihres Bewohnens.

Der KfW-Effizienzhausstandard 55 entspricht dem mittlerweile üblichen Baustandard beim Neubau von Wohnge-bäuden. Energieeffizientere und damit verbrauchsschonende Gebäude entsprechend dem Standard 40 oder 40+.

Als „graue Energie“ wird die Primärenergie bezeichnet, die für den Gebäudebau und -rückbau notwendig ist. Sie beinhaltet die Produktion von Baumaterialien sowie die Verarbeitung, den Transport, den Bau sowie den Rückbau des Gebäudes und die Entsorgung der Materialien. Die aus diesen Prozessen resultierenden Emissionen werden als „graue Emissionen“ bezeichnet.

->Quellen: