acatech und DECHEMA mit Analyse internationaler Wasserstoffstrategien

Große Ähnlichkeiten verschiedener nationaler Pläne zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft

Am 19.12.2022 veröffentlichten acatech, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, und DECHEMA, Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, im Rahmen des gemeinsamen Projektes Wasserstoff-Kompass eine Analyse von internationalen Wasserstoffstrategien. Die Analyse vergleicht nationale Wasserstoffstrategien, Wasserstoff-Roadmaps oder Konzeptpapiere von 22 Ländern oder Regionen, die im Zeitraum von 2017 bis 2022 veröffentlicht wurden. Zukünftig soll die Analyse regelmäßig um weitere Strategien ergänzt und aktualisiert werden.

Wasserstoff-Tanklastzug - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Wasserstoff-Tanklastzug – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die Autorinnen und Autoren haben die Strategien der folgenden Länder und Regionen untersucht (in Klammern Veröffentlichungsjahr und Strategie):

  1. China (2017),
  2. Japan (2017),
  3. Kalifornien (2018),
  4. Südkorea (2019),
  5. Australien (2019),
  6. Niederlande (2020),
  7. Deutschland (2020),
  8. Norwegen (2020),
  9. Europäische Union (2020),
  10. Portugal (2020),
  11. Frankreich (2020),
  12. Chile (2020),
  13. Spanien (2020),
  14. Italien (2020),
  15. USA (2020),
  16. Kanada (2020),
  17. Ungarn (2021),
  18. Polen (2021),
  19. Vereinigtes Königreich (2021),
  20. Russland (2021),
  21. Marokko (2021),
  22. Tschechien (2022).

Die in der Auswertung berücksichtigten Strategien wurden 2017 bis 2022 veröffentlicht. Alle Strategien entstanden vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. „Der Vergleich von Wasserstoffstrategien bietet die Möglichkeit, priorisierte Anwendungsgebiete, spezifische Vorgehensweisen und potenzielle Handelspartner zu identifizieren“, resümiert Dr. Andrea Lübcke, Leiterin des Projektes Wasserstoff-Kompass bei acatech.

Fokus auf grünen Wasserstoff dominiert untersuchte Strategien

Die untersuchten Strategiepapiere zielen bei der Wasserstofferzeugung auf Elektrolyseure, v.a. auf Basis von Strom aus Erneuerbaren Energien. Blauer Wasserstoff wird aber in einigen Strategien als Übergangslösung benannt. Blauer Wasserstoff entsteht aus fossilen Ressourcen (z.B. Kohle oder Erdgas) mittels Dampfreformierung oder Vergasung. Das dabei entstehende Kohlendioxid (CO2) wird abgeschieden, gespeichert oder genutzt. „Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ist es nicht unwahrscheinlich, dass insbesondere europäische Länder ihre bisherige Haltung zu blauem Wasserstoff ändern, da davon auszugehen ist, dass nicht mehr Erdgas als bisher für die Wasserstofferzeugung verwendet wird“, ordnet Dr. Jens Artz, Leiter des Projektes Wasserstoff-Kompass bei der DECHEMA, die Ergebnisse ein. Deutschland plant eine Aktualisierung der eigenen Wasserstoffstrategie bis Ende des Jahres 2022.

Chile, Spanien, Portugal und Marokko wollen grünen Wasserstoff exportieren

Aufgrund günstiger Standortbedingungen durch ein hohes Angebot an Erneuerbaren Energien haben Chile, Spanien, Portugal und Marokko festgehalten, dass sie grünen Wasserstoff (mit Ökostrom in Elektrolyseuren hergestellt) exportieren wollen. Australien, Kanada und Norwegen geben an, dass sie auch Wasserstoff auf Basis fossiler Rohstoffe exportieren wollen. „Als Land, das auf Wasserstoffimporte angewiesen sein wird, tut Deutschland gut daran, früh die Entwicklungen in jenen Ländern genau zu beobachten, die jetzt schon den Export von grünem Wasserstoff avisieren“, rät Dr. Andrea Lübcke.

Unterschiedliche Strategien, wo Wasserstoff eingesetzt wird

Viele Länder streben die Nutzung von Wasserstoff in der Industrie in jenen Bereichen an, die bereits hohe Wasserstoff-Bedarfe sowie eine vorhandene Infrastruktur aufweisen. Hier nennen die Strategien v.a. die chemische Industrie und Raffinerien. Im Rahmen von Wärme- und Energieanwendungen wird der Einsatz von Wasserstoff oder Wasserstoffderivaten zumeist mittel- bis langfristig gesehen.

Im Verkehrssektor streben die meisten Länder an, Wasserstoff kurz- bis mittelfristig im (Schwer-)Lastverkehr sowie in Flottenverbünden einzusetzen. Im PKW-Bereich unterscheiden sich die Länderstrategien stark: China und Kalifornien haben eine dedizierte Strategie zum Hochlauf von Brennstoffzellenfahrzeugen veröffentlicht. Auch Japan, Südkorea, die USA, Kanada und Niederlande sehen einen frühzeitigen Einsatz von Wasserstoff im motorisierten Individualverkehr. Deutschland, Norwegen, Europäische Union, Frankreich, Chile, Spanien, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Marokko erwähnen Wasserstoff-PKW in ihren Strategien nicht.

Große Ähnlichkeiten der Pläne für Aufbau nationaler Wasserstoffwirtschaften

Der Prozess, wie ein Land seine Wasserstoffwirtschaft aufbaut, wird in vielen nationalen Strategien ähnlich beschrieben. 20 von 22 Strategien setzen auf staatliche Fördermittel, 18 von 22 auf den Aufbau von internationalen Kooperationen in Bezug auf Wissenschaft und Handel. Ein Großteil beschreibt die Notwendigkeit, Infrastrukturen aufzubauen und Erzeugungskosten zu senken. Auch setzen die meisten auf einheitliche Regulierung und Zertifikate.

In den Strategien der bislang betrachteten Länder wird die Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft vor allem aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen verfolgt. Ge­nerell stehen Anwendungsmöglichkeiten für Wasser­stoff im Mittelpunkt der Papiere. Aber auch der Auf­bau von internationalen Kooperationen, der Auf- und Ausbau der erforderlichen Infrastruktur oder die wei­tere Stärkung der F&E-Aktivitäten werden benannt. Außerdem spielen in einigen Papieren regulatorische Maßnahmen eine Rolle mit dem erklärten Ziel, eine Kostenparität zwischen Wasserstoff auf Basis erneu­erbarer Energien und Wasserstoff auf Basis fossiler Rohstoffe zu erreichen. In den meisten Fällen geht es dabei um eine Einführung beziehungsweise Anhe­bung der CO2-Bepreisung.

Bei der zukünftigen Nutzung von Wasserstoff sind sich die Länder großteils einig, dass Wasserstoff auf Basis fossiler Ressourcen zu ersetzen ist. Alle Länder setzen dabei auf den Einsatz von Wasserelektrolyse zur Wasserstofferzeugung, vor allem auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energien. Wasserstofferzeu­gung auf Basis fossiler Rohstoffe mit CO2-Abschei­dung wird aber in einigen Strategien als Übergangslösung benannt. Hierbei gilt zu berücksichtigen, dass alle ausgewerteten Strategien vor dem Angriffskrieg in der Ukraine verfasst wurden. Vor diesem Hinter­grund ist zu erwarten, dass insbesondere europäi­sche Länder diese Option in nächster Zeit anders bewerten: ein Einsatz von Erdgas zur Wasserstoffer­zeugung über das bestehende Maß hinaus erscheint in nächster Zeit nicht wahrscheinlich.

Bezogen auf Anwendungsgebiete, wird im Ver­kehrssektor in den meisten Fällen der Einsatz von Wasserstoff im (Schwer-)Lastverkehr sowie in Flottenverbünden auf einer kurz- bis mittelfristi­gen Basis angestrebt. Im PKW-Bereich unterschei­den sich die Länderstrategien stark: Es wird ent­weder ein Einsatz in den nächsten Jahren erwartet oder der Einsatz von Wasserstoff für PKW wird über­haupt nicht angesprochen. Die Nutzung von Wasserstoff in der Industrie wird auf kurz- und mittelfristiger Basis besonders in Bereichen angestrebt, die bereits hohe Wasserstoffbedarfe sowie eine vorhandene In­frastruktur aufweisen. Hier sind unter anderem die chemische Industrie und Raffinerien zu nennen. Im Rahmen von Wärme- und Energieanwendungen wird der Einsatz von Wasserstoff zumeist mittel- bis langfristig gesehen.

Eine wichtige Fragestellung innerhalb der ver­schiedenen Strategien ist auch, wie zukünftige Was­serstoffbedarfe gedeckt werden können. Immerhin ein Drittel der Länder sehen sich explizit als zukünf­tige Exporteure von Wasserstoff und dessen Deriva­ten. Die Entwicklung einer globalen Wasserstoffwirt­schaft wird daher für Länder wie Deutschland, die sich als klarer Wasserstoffimporteur positionieren, von großem Interesse sein.

Über das Projekt Wasserstoff-Kompass  

acatech und DECHEMA führen seit Juni 2021 das zweijährige Projekt Wasserstoff-Kompass durch. Gemeinsam erarbeiten sie mithilfe einer Metaanalyse einen Überblick über Wege in die Wasserstoffwirtschaft sowie entsprechende Handlungsoptionen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Weiterhin organisiert der Wasserstoff-Kompass einen Dialog mit Stakeholder*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, öffentlicher Verwaltung und Zivilgesellschaft, um deren Sichtweisen einzuholen und auf ein gemeinsames Zielbild einer Wasserstoffwirtschaft hinzuwirken. Die Projektergebnisse kann die Politik als Grundlage für eine Wasserstoff-Roadmap nutzen. Das Projekt Wasserstoff-Kompass wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

->Quellen und weitere Informationen: