Multiresistente Bakterien vermehrt in Klinik-Abwässern nachgewiesen

Umfangreiche Studie zum Vorkommen von Acinetobacter in der Umwelt – Multiresistente Stämme überleben auch ohne Sauerstoff

Gegen Antibiotika resistente Bakterien, oftmals landläufig auch als Krankenhauskeime bezeichnet, werden offenbar tatsächlich vor allem durch Kliniken in die Abwassersysteme eingeleitet, wie eine am 22.12.2022 publizierte Studie des Instituts für Angewandte Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) zum Vorkommen von Acinetobacter-Bakterien nahelegt. Die Forscherinnen und Forscher wiesen Vertreter der Bakteriengattung zwar sowohl in landwirtschaftlichen, ländlichen und städtischen Proben nach – aber nur im Abwasser der städtischen Kläranlagen, die auch Krankenhausabwässer reinigen, konnten sie multiresistente Acinetobacter-Stämme nachweisen. Damit stellte das Team erstmals und systematisch deutliche Unterschiede zur Verbreitung von multiresistenten Acinetobacter-Bakterien in der Umwelt fest.

Acinetobacter baumannii – Foto © phil.cdc.gov/PHIL_Images/, Gemeinfrei, commons.wikimedia.org – Public Health Image Library Image #6498 – Janice Carr

Die Zunahme von Antibiotikaresistenzen ist ein weltweites und immer drängenderes Problem. Mit dem „One Health“-Ansatz – also dem Zusammenwirken von Human- und Veterinärmedizin sowie den Umweltwissenschaften – soll die Resistenzausbreitung eingedämmt werden. Acinetobacter-Arten kommen überall in der Umwelt vor. Bisher ist allerdings noch wenig darüber bekannt, wie sich resistente Stämme von Acinetobacter baumannii und verwandte klinisch relevante Arten in der Umwelt verbreiten. Auch die Frage, ob Resistenzen stabil erhalten bleiben, wenn derartige Bakterien zum Beispiel über das Abwasser oder aber auch durch landwirtschaftliche Einträge in die Umwelt freigesetzt werden, ist noch zu klären.

Interessanterweise waren Stämme der eigentlich auf Sauerstoff angewiesenen Gattung Acinetobacter auch nach sauerstofffreier Behandlung von Gülle und Klärschlämmen in Biogasanlagen und Faultürmen nachweisbar und überlebensfähig. Die Forscherinnen und Forscher erklären das mit der Fähigkeit der Bakterien, auch unter sauerstofffreien Bedingungen Polyphosphat als Energiequelle zu nutzen. Es handelt sich um ein Phänomen, das bereits im Zusammenhang der biologischen Phosphoreliminierung aus Abwasser bekannt ist, aber bislang nicht in Zusammenhang mit der Überdauerung antibiotikaresistenter Bakterien gebracht wurde.

Die Studie zeigt aber auch weiterhin große Wissenslücken bei der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Umwelt. In weitergehenden Untersuchungen soll daher vor allem untersucht werden, wie sich die resistenten Bakterien im gereinigtem Abwasser und in Klärschlämmen verhalten, und wie der Austausch von Resistenzen mit anderen Bakterien erfolgt, nachdem sie in die Umwelt freigesetzt werden.

Abstract des Artikels in Science of The Total Environment

„Carbapenem-resistente Acinetobacter baumannii verursachen immense Behandlungsprobleme in Krankenhäusern. Über die Häufigkeit und Stabilität erworbener Resistenzen und die Vielfalt resistenter Acinetobacter in der Umwelt gibt es noch immer eine Wissenslücke. Ziel der Studie war es, die Vielfalt und die antimikrobiellen Resistenzen von Acinetobacter spp. zu untersuchen, die aus Abwässern aus der Tierhaltung und von Menschen in die Umwelt gelangen. Es wurden rohe und vergorene Gülle aus kleinen landwirtschaftlichen Biogasanlagen sowie unbehandelte und behandelte Abwässer und Klärschlamm aus ländlichen und städtischen Kläranlagen vergleichend untersucht…. Die Studie deutet auf die Ausbreitung verschiedener Acinetobacter aus anthropogenen Quellen in die Umwelt hin, wobei ein starker Zusammenhang zwischen klinisch assoziierten MDR-A. baumannii-Stämmen und dem Einleiten von Krankenhausabwässern in Kläranlagen besteht. Der häufigere Nachweis von Acinetobacter in Klärschlamm als in Abwässern deutet darauf hin, dass die Partikelanhaftung von Acinetobacter bei der Risikobewertung dieser Bakterien berücksichtigt werden muss.

Acinetobacter baumannii und verwandte Arten sind opportunistische Krankheitserreger, die vor allem bei immungeschwächten Patienten in Krankenhäusern Infektionserkrankungen verursachen. Waren derartige Infektionen durch Acinetobacter vor wenigen Jahren noch eher selten, verursachen vor allem multiresistente Stämme zunehmend große Probleme bei der Behandlung infizierter Personen. Die WHO hat deshalb Carbapenem-resistente Acinetobacter baumannii bereits 2017 auf die Prioritätsliste von Pathogenen gesetzt, bei denen die herkömmlichen Antibiotika zunehmend unwirksam sind. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) berichtet in einer kürzlich veröffentlichten Studie von 35.000 Todesfällen in der EU durch antibiotikaresistente Bakterien im Zeitraum zwischen 2016 und 2020 mit einem Anstieg von Acinetobacter-assoziierten Fällen von 121 Prozent im Vergleich zum Zeitraum 2018/2019.

Die Studie wurde finanziert durch das BMBF (Projekt ARMIS: Antimicrobial Resistance Manure Intervention Strategies) und die DFG. Dipen Pulami führte die Untersuchungen, die zu dieser Publikation führten, im Rahmen seiner Promotion durch, die durch ein Graduiertenstipendium der JLU gefördert wurde.

->Quellen und weitere Informationen: