Umwelt und Verkehr einander nicht grün

BMDV stärkt Biosprit-Herstellern den Rücken

Erneuter Konfliktstoff für die Ampel: Mit harschen Worten hat der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) auf den am 24.01.2023 bekannt gewordenen Referentenentwurf aus dem Bundesumweltministerium (BMUV) zum Biokraftstoff-Ausstieg reagiert. Gleichzeitig sagte das Bundesverkehrsministerium (BMVDI) in der Debatte über die zukünftige Nutzung von konventionellen Biokraftstoffen wie Biodiesel und Bioethanol laut Jonathan Packroff auf EURACTIV.de den Kraftstoffherstellern Unterstützung zu.

Bereitet Bundesumweltministerium (BMUV) Biokraftstoff-Ausstieg vor? – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Mit dem Referentenentwurf aus dem BMUV würden die Treibhausgasemissionen im Verkehr bis 2030 um rund 32 Millionen Tonnen CO2 steigen. Zum Vergleich: nach dem Klimaschutzgesetz dürfen im Verkehr 2030 insgesamt noch 85 Mio t CO2 emittiert werden. Bis 2030 würden nach den Plänen des BMUV rund 9,4 Mio t mehr fossile Kraftstoffe verbraucht, anstatt wie klimapolitisch erforderlich deren Nutzung herunterzufahren. Das ergeben Berechnungen des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB).

„Das Ministerium verfehlt seine Daseinsberechtigung, wenn es in so unsäglicher Weise Maßnahmen ergreift, die zum Reißen der Klimaziele führen“, sagte VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann. „Das BMUV fördert nach Kräften den Verbrauch fossiler Kraftstoffe, anstatt ihn zu begrenzen. Das ist grotesk klimaschutzfeindlich. Mit dem Ansinnen, den Großteil der heutigen Biokraftstoffe vom deutschen Markt auszuschließen, beschreitet Steffi Lemke einen deutschen Sonderweg. Sie sendet das klare Signal, dass Investitionen in Erneuerbare Energien in Deutschland nicht sicher sind.“ Nach dem Entwurf soll die Nutzung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse bis 2030 in Deutschland beendet werden. Baumann: „Klar ist: Wenn das BMUV landwirtschaftliche Rohstoffe nur zur Ernährung nutzen will, wird es auch keine Investitionen mehr in eine stoffliche Nutzung von Biomasse geben. Fossile Rohstoffe zum Beispiel in der chemischen Industrie zu ersetzen, wäre damit nicht möglich.“

Begründet werde das mit indirekten Effekten, die aus Sicht des BMUV zu einer negativen Treibausgasbilanz von Biokraftstoffen führen. Die dahinter stehende Theorie der indirekten Landnutzungsänderung (indirect land use change, iLUC) werde jedoch vom Weltklimarat (IPCC) abgelehnt.

Der entsprechende IPCC-Report sah das differenzierter: „‚Land spielt eine wichtige Rolle im Klimasystem‘, sagte Jim Skea, Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe III. ‚Land- und Forstwirtschaft sowie andere Formen der Landnutzung sind für 23 % der menschlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gleichzeitig absorbieren natürliche Landprozesse Kohlendioxid, das fast einem Drittel der Kohlendioxidemissionen aus fossilen Brennstoffen und der Industrie entspricht‘, so Skea. Der Bericht zeige, wie eine nachhaltige Bewirtschaftung der Landressourcen zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen könne, sagte Hans-Otto Pörtner, Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II. ‚Bereits genutzte Flächen könnten die Welt in einem sich ändernden Klima ernähren und Biomasse für erneuerbare Energien liefern, aber es sind frühzeitige, weitreichende Maßnahmen in verschiedenen Bereichen erforderlich‘, sagte er. ‚Auch für die Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen und der biologischen Vielfalt.'“ Und: „Land muss produktiv bleiben, um die Ernährungssicherheit aufrechtzuerhalten, während die Bevölkerung wächst und die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation zunehmen. Das bedeutet, dass der Beitrag von Land zur Bekämpfung des Klimawandels, beispielsweise durch den Anbau von Energiepflanzen und Aufforstung, begrenzt ist. Außerdem brauchen Bäume und Böden Zeit, um Kohlenstoff effektiv zu speichern. Die Bioenergie muss sorgfältig verwaltet werden, um Risiken für die Ernährungssicherheit, die biologische Vielfalt und die Bodendegradation zu vermeiden. Wünschenswerte Ergebnisse hängen von lokal angemessenen Strategien und Governance-Systemen ab.“

Der VDB weiter: „Dass ein Bundesministerium die seit Jahren vorliegenden Erkenntnisse hochrangiger Wissenschaftler zu indirekten Landnutzungsänderungen ignoriert, ist nicht nur für die Biokraftstoffbranche bedenklich. Hier wird willkürlich in einen funktionierenden deutschen Wirtschaftszweig eingegriffen, der Marktführer in der EU und für die deutsche Landwirtschaft zur Einkommenssicherung und Produktion von nachhaltigen Lebens- und Futtermitteln von außerordentlicher Bedeutung ist. Es stellt sich die Frage, wer der nächste ist, den das BMUV absägt“, sagte Baumann. Im IPCC-Report erläutern die Autoren, dass indirekte Effekte nicht messbar sind. Daher müssen sie anhand von Modellen und Preiseffekten ermittelt werden. Aufgrund der Unsicherheit der Methode ist nicht geklärt, ob dabei positive oder negative Ergebnisse herauskommen.

Das BMUV argumentiere zudem damit, dass für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse Rohstoffe verbraucht würden, die eigentlich auf den Teller gehörten. Offenbar will das Ministerium diese Rohstoffe stattdessen in Entwicklungsländer exportieren. „Mit solchen Lebensmittelexporten würden lokale Märkte wie in den schlimmsten Zeiten der EU-Überproduktion zerstört.“ Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir habe eben erst erklärt, dass es sinnvoller sei, Getreidesilos zu bauen, als Getreidesäcke zu schicken – also die Resilienz der Agrarbranche im globalen Süden zu stärken“, sagte Baumann.

Verkehrsressort will Biosprit-Hersteller schützen

„Wir müssen alle Ressourcen nutzen“, sagte der parlamentarische Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) am 24.01.2023 beim von Kraftstoffherstellern organisierten 20. Internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe der Zukunft – Navigator für nachhaltige Mobilität!“.  Am 23. und 24. Januar diskutierten mehr als 70 Redner über Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele. Im Zentrum der Vorträge und Diskussionsrunden steht der innovative Einsatz und die technische Weiterentwicklung von erneuerbaren Kraftstoffen im Mobilitätssektor.

Die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Nahrungsmittelkrise hat in Deutschland eine Debatte über die künftige Rolle von Biokraftstoffen aus Anbau-Biomasse, etwa Biodiesel und Bioethanol, ausgelöst. Das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium hatten angekündigt, diese bis 2030 auslaufen lassen zu wollen, da für ihre Herstellung Pflanzen wie Raps, Weizen und Mais verwendet werden, die auch zur Lebensmittelproduktion eingesetzt werden könnten.

Vergangene Woche hatten Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) angekündigt, diese Kraftstoffe ab 2030 nicht mehr auf die Treibhausgasminderungsquote des Bundesimmissionsschutzgesetzes anrechnen zu wollen, welches die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED) in deutsches Recht umsetzt.

Seit dem 01.01.2023 kann Palmöl-Biokraftstoff in Deutschland nicht mehr auf die Treibhausgasquote (THG) angerechnet werden. Ein Liter Biokraftstoff spart 84 Prozent CO2 (Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) gegenüber einem Liter fossilen Kraftstoff ein.

Lemke kündigte an, dass ihr Ministerium „sehr zeitnah“ einen Gesetzesvorschlag im Bundeskabinett vorlegen werde, mit dem Deutschland „stufenweise bis 2030 aus Agrokraftstoffen, die auch für Nahrungs- und Futtermittel verwendet werden könnten“, aussteigen würde. Der in Deutschland eingesetzte „Agrosprit“ ersetze nur rund 4 Prozent des fossilen Kraftstoffs im deutschen Straßenverkehr, verbrauche aber eine Fläche im In- und Ausland, die rund 20 Prozent der gesamten deutschen Ackerfläche entspräche, so Lemke. Stattdessen sei eine „Konzentration auf Lebensmittelproduktion“ notwendig. Bei der FDP, die das Bundesverkehrsministerium innehat, stießen Lemkes Äußerungen nun jedoch auf Widerspruch.

„Für uns ist klar: Tank oder Teller ist nicht das Thema“, sagte Oliver Luksic, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, am Montag (23. Januar) auf einer Konferenz von Biokraftstoffherstellern in Berlin. „Wir wollen effiziente, marktwirtschaftliche Ressourcennutzung“, sagte er und fügte hinzu: „Wir müssen alle Ressourcen, die es gibt, nutzen und können dort auf keine Ressourcen verzichten. Das ist unsere klare Auffassung dazu.“ Den Herstellern von Biokraftstoffen sicherte Luksic seine Unterstützung zu. „Für uns ist ganz klar: Biokraftstoffe brauchen Verlässlichkeit“, sagte Luksic. „Wir sind deswegen an diesem Punkt an Ihrer Seite“, fügte er hinzu.

Klimaziele im Verkehrsbereich verfehlt

Das Verkehrsministerium steht unter Druck, da der Sektor die im deutschen Klimaschutzgesetz vorgesehenen Emissionsreduktionsziele wiederholt verfehlt hat. Daher ist es verpflichtet, ein „Sofortprogramm“ vorzulegen, um die Emissionsreduzierung mit den Zielen in Einklang zu bringen. Dies betonte auch Arthur Auerhammer, Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie und gleichzeitig Bundestagsabgeordneter der CDU.

Derzeit würden konventionelle Biokraftstoffe den größten Anteil an der Emissionsersparnis im Verkehr ausmachen, sagte Auerhammer, der vor Luksic auf der Konferenz sprach. „Sie können sich selber ausrechnen, wie hoch die Zielverfehlung ohne den Klimaschutzbeitrag von Biokraftstoffen wäre“, fügte er hinzu. „Die mit der Reform der europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) und der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED) beabsichtigte Anhebung der Klimaschutzziele und des zu erreichenden Anteils erneuerbarer Energien wird bis 2030 kaum noch erfüllbar sein, wenn wir weiterhin auf fossile Energieträger setzen, anstatt in sämtlichen Sektoren schneller auf erneuerbare Energien umzusteigen“, sagte er.

Die ESR (Effort Sharing Regulation) legt nationale Emissionsreduktionsziele für die Sektoren fest, die nicht unter den traditionellen EU-Emissionshandel (ETS) fallen, dazu gehören der Straßenverkehr, Gebäude und die Landwirtschaft. Wenn Mitgliedsstaaten ihre Ziele über- oder unterschreiten, können sie ihre Zertifikate mit anderen Mitgliedsstaaten handeln, damit die Emissionsreduzierung in der gesamten EU gewährleistet ist. Bereits für den Zeitraum von 2013 bis 2021 musste Deutschland 11 Millionen zusätzliche Emissionszertifikate im Rahmen der ESR kaufen, so Auerhammer. „Nutznießer waren Bulgarien, Tschechien und Ungarn“, die am Verkauf der Zertifikate an Deutschland verdienen konnten.

Umweltministerium: Emissionsminderungen nur „auf dem Papier“

Nach Ansicht des Umweltministeriums sind die Emissionsminderungen durch konventionelle Biokraftstoffe jedoch nicht aussagekräftig. „Agrokraftstoffe [haben] tatsächlich nur eine wesentlich geringere CO2-Minderung zur Folge […], als es auf dem Papier den Anschein hat, weil nämlich die Nutzung von Flächen für den Tank dazu führt, dass woanders eben auch wieder Wälder gerodet werden und Moore stillgelegt werden“, sagte eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums am 20. 01.2023. „Die Weltnaturkonferenz hat in Montreal Beschlüsse dazu gefasst, dass wir jetzt endlich den Trend umkehren, nämlich von der Zerstörung hin zur Renaturierung von Ökosystemen“, fügte sie hinzu. „Wir haben eine Klimakrise, wir haben eine Artenkrise, und wir haben auch eine beginnende Ernährungskrise. Vor diesem Hintergrund ist das unsere Motivation, zu sagen: Agrokraftstoffe sollen nicht in den Tank“, so die Sprecherin.

Als Alternativen will das Umweltministerium den Einsatz von „echten Biokraftstoffen“ aus Abfällen und Reststoffen sowie weitergehende Maßnahmen verstärken. „Wir [haben] hier schon eine Reihe von Maßnahmen immer wieder auf den Tisch gelegt und sind natürlich auch offen, im Rahmen der Diskussion alle möglichen Optionen dessen, was man im Verkehrssektor tatsächlich zur CO2-Minderung tun kann, zu diskutieren“, so die Sprecherin.

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