Schokolade: Undurchsichtiges Geschäft, teils Cadmium-belastet

Schokoladen-Scorecard 2023: Umweltzerstörung, Schwermetalle, Pestizide, Kinderarbeit: Was steckt wirklich in unserer Schokolade?

Pünktlich zu Ostern – dem Fest (auch) der Schokolade: Kakaobohnen können giftige Schwermetalle wie Cadmium aus dem Boden aufnehmen. Einige Anbaugebiete, insbesondere in Südamerika, sind mit diesen Schwermetallen zum Teil erheblich belastet. Durch das Zusammenspiel verschiedener Röntgenfluoreszenz-Techniken konnte nun ein Team an BESSY II erstmals nichtinvasiv messen, wo sich Cadmium in den Kakaobohnen anreichert: Weniger im Inneren der Bohne, sondern vor allem in der Schale. Weitere Untersuchungen zeigen (06.04.2023), dass die Verarbeitung der Kakaobohnen großen Einfluss auf die Schwermetallbelastung haben kann. Der WWF veröffentlichte zudem am 28.03.2023 die jährliche „„Schokoladen-Scorecard„.

Milchschokolade – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Seit mindestens 5000 Jahren ernten Menschen die Bohnen des Kakaostrauchs. Sie haben gelernt, die Bohnen zu fermentieren, zu rösten, zu mahlen und mit Zucker und Fett zu köstlichen Schokoladen zu verarbeiten. Heute sind jedes Jahr rund fünf Millionen Tonnen Bohnen auf dem Markt, die nur aus einigen wenigen Anbaugebieten in tropischen Regionen kommen, denn Kakao wächst nicht überall.

Wunderbare Schokoladen

Schokolade gilt als Seelentröster, Aminosäuren wie Tryptophan hellen die Stimmung auf. Außerdem enthalten Kakaobohnen anti-entzündliche Verbindungen und wertvolle Spurenelemente. Allerdings nehmen die Kakaopflanzen auch giftige Schwermetalle auf, wenn die Böden entsprechend belastet sind, zum Beispiel durch Abraum von Bergbau, der Grundwasser und Böden allmählich vergiften kann.

Wo reichern sich Schwermetalle an?

Dabei kommt es jedoch auch darauf an, wo sich die Schwermetalle in der Bohne anreichern, ob eher in der Schale oder eher im Mehlkörper im Inneren der Bohne: Denn die Bohnen durchlaufen von der Ernte bis zum Rohstoff für Schokolade viele Behandlungsschritte, die die Belastung möglicherweise reduzieren könnten. Und zwar idealerweise so, dass die Schwermetalle reduziert werden, aber die erwünschten Spurenelemente erhalten bleiben.

Kakaobohnen „kartiert“

Ein Team um Dr. Ioanna Mantouvalou (HZB) und Dr. Claudia Keil (TU Berlin/Toxikologie) hat nun an der BAMline von BESSY II verschiedene Imaging Methoden genutzt, um die Schwermetallkonzentrationen in Kakaobohnen präzise zu kartieren. Damit untersuchten sie Kakaoproben aus einer Anbauregion in Kolumbien, die mit durchschnittlich 4,2 mg/kg Cadmium belastet waren. Das ist deutlich über den Europäischen Grenzwerten von 0,1-0,8 mg Cadmium/kg in Kakaoerzeugnissen.

Drei Analysemethoden an BESSY II kombiniert

Das Team hat mit drei verschiedenen Röntgenfluoreszenz-Techniken gearbeitet, um die Kakaobohnen zu untersuchen. Sie entwickelten u.a. eine neue Analysemethodik für die Absorptionskorrektur bei der Bildgebung mit einer Röntgenfarbkamera. „Es gab bisher wenig Erkenntnisse dazu, wie Cadmium vom Boden durch Wurzeln in die Pflanze einwandert und wo sich das Element in den Bohnen anreichert. Insbesondere auch deswegen, weil es nicht möglich war, den Cadmium-Gehalt nichtinvasiv genau zu lokalisieren“, sagt Mantouvalou. Die Doktoranden Frank Förste (TU Berlin) und Leona Bauer (TU Berlin und HZB) führten die Experimente durch.

Nachweis von Cadmium

Cadmium ist besonders schwer nachzuweisen, erklärt Mantouvalou. Denn das Cadmium-Signal, das die Anregung der äußeren Elektronen erzeugt, liegt genau unter dem sehr viel stärkeren Fluoreszenz-Signal des Elements Kaliums, das in höherer Konzentration im Kakao vorkommt. „Wir regen daher ganz gezielt eine tiefere Elektronenschale des Cadmium-Atoms an, was nur mit harten Röntgenstrahlen an der BAMLine möglich ist“, sagt Frank Förste. „Damit konnten wir die Querschnitte von Kakaobohnen nun mit hoher Auflösung kartieren, und zeigen, dass sich Cadmium vorwiegend in der äußeren Schale anreichert“, sagt Leona Bauer.

Rösten verändert die Verteilung

Dabei entdeckten sie auch interessante Unterschiede zwischen Bohnen vor und nach dem Röstvorgang: „Wir konnten nachweisen, dass sich durch das Rösten die Elementverteilung in den Bohnen ändert“, sagt Mantouvalou. Da es mit dem Zusammenspiel der genutzten Methoden nun erstmals möglich ist, die Anreicherung von Cadmium ortsgenau zu messen, könnten weitere Untersuchungen systematisch erkunden, mit welchen verbesserten Verarbeitungsschritten die Belastung minimiert wird.

Schokoladen-Scorecard des WWF

Unser Pro-Kopf-Verbrauch an Schokolade liegt höher als in den meisten anderen europäischen Ländern und auch weltweit steigt jährlich die Nachfrage. Doch wie nachhaltig ist unsere Lieblingsschokolade? Und unter welchen Bedingungen wurde sie produziert? Welche Schokoladenhersteller sind vorbildlich und welche Sorten sollte man meiden? Welche Schokolade man guten Gewissens kaufen kann, ist nicht immer leicht zu beantworten.

Viele Schokoladenhersteller selbst können ihre komplizierten Lieferketten nicht einwandfrei zurückverfolgen und sicher sein, dass bei der Produktion nicht gegen Menschenrechte verstoßen oder die Umwelt illegal zerstört wurde. Um Licht in das dunkle Geschäft mit der Schokolade zu bringen und Verbraucher:innen bei ihrer Kaufentscheidung zu unterstützen, bewertet die sogenannte Schokoladen-Scorecard jährlich die größten Schokoladenhersteller unter Gesichtspunkten der Umweltfreundlichkeit und fairen Produktion.

Schokoladenhersteller unter der Lupe

Die Schokoladen-Scorecard wird, unterstützt vom WWF, von der Organisation Be Slavery Free herausgegeben und ihre Grundlage sind Befragungen der Hersteller und Kakaoverarbeiter. Insgesamt 43 Firmen und 29 Einzelhändler wurden angefragt und einige der Unternehmen haben sich dieser Herausforderung tatsächlich gestellt. Letztendlich wurden insgesamt 53 Firmen und Einzelhändler in der Schokoladen-Scorecard 2023 analysiert.

Die einzelnen Kriterien, nach denen die Schokoladen-Scorecard die Unternehmen beurteilt und in einer Rangliste sortiert, sind Transparenz, Einkommen, Kinderarbeit, Entwaldung, Pestizideinsatz und Anbau im Agroforstsystem. Letzteres ist eine besonders naturnahe Anbaumethode, wie unten genauer erklärt.

Nachhaltige und faire Schokolade: Die besten Hersteller 2023

Auf den beiden besten Plätzen der Punkte-Karte für nachhaltige Schokolade landen in diesem Jahr die Schweizer Marke Original Beans und Tony’s Chocolonely aus den Niederlanden. Original Beans schneidet in allen Punkten sehr gut ab. Tony’s Chocolonely – bekannt durch knallbunte Verpackungen – zeichnet sich zusätzlich dadurch aus, die Schokoladenindustrie insgesamt weltweit verändern zu wollen.

„Ganz okay“ bis 2stark verbesserungswürdig“

Im vorderen Mittelfeld auf den Plätzen sechs bis zwölf befinden sich die Marken Ritter Sport, Ben & Jerry’s, Nestlé und Ferrero, die in manchen Punkten schon sehr gut abschneiden und in den anderen Punkten Fortschritte machen. Nestlé auf Platz zehn allerdings beginnt gerade erst, seinen Pestizideinsatz zu verbessern. Im hinteren Mittelfeld liegt zum Beispiel der Hersteller der „Alpia“-Schokolade Stollwerk. Doch selbst dieser beginnt, in allen Punkten Verbesserungen umzusetzen.

Die Nachfrage nach umweltfreundlicher und fair produzierter Schokolade und dass der Schokoladenindustrie genauer auf den Zahn gefühlt wird, scheint Wirkung zu zeigen. Das ist bitter nötig, denn noch immer fällt die Produktion des süßen Genussmittels viel zu oft zu Lasten der Natur – und ebenfalls zu Lasten der Menschen, die den Kakao dafür pflücken.

Kellogg’s: Verlierer der Schokoladen-Scorecard 2023

Auf dem vorletzten Platz der Schokoladen-Bewertung rangiert die Firma Kellogg’s, gefolgt nur vom japanischen Unternehmen Daito Cacao. Beide sind absolute Verlierer in diesem Jahr, schneiden in allen Punkten schlecht ab und haben hier großen Nachholbedarf in ihrer Firmenpolitik. Einschließlich der Entwaldung, des Pestizideinsatzes und der Kinderarbeit.

„Faules Ei“: Undurchsichtig bis zum Schluss

Leider gibt es immer noch genügend Firmen, die nicht offenlegen wollen oder können, ob ihre Schokolade frei von Kinderarbeit, Armut und Abholzung ist und unter welchen Bedingungen der Kakao dafür angebaut wurde.

Mit der Auszeichnung „faules Ei“ – in Anlehnung an den Erscheinungstermin kurz vor Ostern – kürt die Schokoladen-Scorecard in diesem Jahr das Milliardenunternehmen General Mills, das zum Beispiel die Eiscreme Haagen-Dazs vertreibt, für seine mangelnde Transparenz.

Nachhaltiger Kakao ohne moderne Sklaverei? Auch Supermärkte wurden bewertet

Welche Supermarktketten zeigen Initiative für Kakao und Schokolade aus besserem Anbau? Welche Rolle spielen entsprechende Zertifikate in der Produktpalette und geht das Engagement durch eigene Programme und Partnerschaften sogar noch darüber hinaus? Unter diesen Fragestellungen bewertet die Schokoladen-Scorecard 2023 auch Einzelhändler.

Die ersten beiden Plätze belegen dabei Aldi Nord und Aldi Süd! Mit dem sechsten Platz im vorderen Mittelfeld kann auch der Discounter Lidl punkten. Die letzten Plätze gehen an ausländische Ketten wie zum Beispiel Walgreens aus den USA.

Armut und Umweltzerstörung: Die bittere Kehrseite der Schokolade

Kakao ist ein wertvoller Rohstoff. Sein Anbau gehört zu den größten Verursachern von Entwaldung weltweit und befeuert damit den Klimawandel. Dazu kommen ein enormer Wasserverbrauch und der Einsatz hochgefährlicher Pestizide. Obwohl die Schokoladenindustrie hohe Gewinne einstreicht, leben außerdem viele Kakaobäuer:innen unter dem Existenzminimum. Sie erhalten nur einen winzigen Bruchteil des Erlöses und sind nicht selten darauf angewiesen, ihre Kinder in die schwere Arbeit einzubinden, um die Familie gerade eben ernähren zu können.

Agroforstsystem: Wie Schokoladenanbau nachhaltig funktionieren kann

Immer noch bleibt also oft im Dunkeln, wie der Kakao für unsere Schokolade angebaut wurde und welche Wege er genommen hat. Und immer noch übernehmen zu wenige Unternehmen die Verantwortung für saubere, entwaldungsfreie Lieferketten. Doch der Kakaoanbau kann nachhaltiger und fairer gelingen, als auf großen Plantagen. Eine Alternative sind Agroforstsysteme.

Nachhaltige Anbaumethode: Das Agroforstsystem

In Agroforstsystemen werden Landwirtschaft und Forstwirtschaft kombiniert, wachsen also Bäume neben Acker- und Gemüsepflanzen. Im Fall der Schokolade bedeutet Agroforstwirtschaft, dass die Kakaobäume gemeinsam mit anderen Bäumen und Nutzpflanzen angebaut werden. Plantagen aus Monokulturen werden vermieden und der Pflanzenmix fördert die Widerstandsfähigkeit und Produktivität.

Der WWF arbeitet mit verschiedenen indigenen Kakaokooperativen in Südamerika zusammen, die nach diesem Jahrhunderte alten Prinzip anbauen. Wir empfehlen außerdem Initiativen wie Fairafric oder Paccari, die darüber hinaus die Schokolade im Anbauland produzieren, um die Wertschöpfung vor Ort zu belassen.

->Quellen: