Bald klimafreundlicher Kraftstoff aus Abfällen?

Altes Speisefett aus der Mensa

Künstliche Kraftstoffe sind nicht übertrieben neu. Der finnische Konzern Neste (siehe: solarify.eu/bioenergie-ueber-den-tellerrand-hinaus) produziert hydriertes Pflanzenöl bereits in großen Raffinerien in Porvoo, Rotterdam und Singapur. Bis 2025 könnten nach Branchenschätzungen 30 Millionen Tonnen im Jahrhergestellt werden, sagt Prof. Dr.-Ing. Thomas Willner, Projektleiter von READi-PtL am Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der HAW Hamburg. Das Besondere an seinem Projekt READi-PtL (Reactive Distillation Power to Liquid – Reaktivdestillation Energie zu Flüssigkeit) ist die Effizienz: Eine Anlage zur Produktion von einigen Tausend Tonnen Kraftstoff könne direkt neben einem Entsorgungsbetrieb aufgebaut werden und wirtschaftlich arbeiten.

Tankstelle in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft, für Solarify

Mit Kraftstoffen aus Abfällen das Klima schonen – das ist das Projekt von Forschern der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg-Bergedorf. In einer Pilotanlage stellen sie Bio-Rohöl und künstlichen Diesel aus Altspeisefetten her. Mit dem klimaneutralen Kraftstoff könnten ohne weiteres herkömmliche Autos und Lastwagen betankt werden, sagt Willner.

Für die Herstellung von einem Liter Kraftstoff benötige die Anlage eine Kilowattstunde Strom. Um ein Auto 100 Kilometer weit fahren zu lassen, seien also rund fünf Kilowattstunden Strom nötig. Ein Elektroauto verbrauche dagegen auf dieser Strecke etwa 15 Kilowattstunden, sagt Willners Kollegin Prof. Anika Sievers.

02.02.2023: Neue Pilotanlage im Rahmen des READi-PtL-Forschungsprojektes eingeweiht

Das Projekt ist Teil der X-Energy-Forschungspartnerschaft am Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der HAW Hamburg. Die READiTM-Pilotanlage (READi = Reactive Distillation) soll Abfallstoffe wie Altfette und Plastikabfälle in klimaneutralen schwerölfreien Erdölersatz umwandeln und ist auf eine Jahreskapazität von 100 Tonnen ausgelegt. Aus dem Erdölersatz können unter anderem flüssige Kraft- und Brennstoffe aller Art, Kunststoffe und vieles mehr hergestellt werden. Das Verfahren wurde von der Forschungsgruppe „Verfahrenstechnik“ unter der Leitung von Willner und Sievers an der Fakultät Life Sciences der HAW Hamburg in Zusammenarbeit mit der Partnerfirma Nexxoil GmbH entwickelt. Weiterer Kooperationspartner ist Krebs Brüggen Sekundärrohstoffe GmbH & Co. KG (KBS) zur Bereitstellung der Abfallstoffe.

Das NEXXOIL-Kernverfahren produziert flüssige Öle aus organischen Rohstoffen wie Stroh, Holz, organischen Abfällen, Klärschlamm, Kunststoffen oder Altöl. NEXXOIL Bio-Rohöle erreichen hohe Energiegehalte, die über denen von Ethanol liegen und denen von konventionellen Kohlenwasserstoff-Kraftstoffen nahekommen. Die Öle können mit herkömmlicher Raffinerietechnik in Standardkraftstoffprodukte wie Benzin, Diesel und Kerosin umgewandelt werden. Das NEXXOIL-Verfahren ist derzeit die effizienteste Technologie zur Herstellung nachhaltiger Kraftstoffe im Hinblick auf Kosten und Energieausbeute. In den nächsten Jahren werden unsere Kunden in der Lage sein, diese Anlagen auch in kleinerem Maßstab wirtschaftlich zu nutzen.

Schwerpunkt des Projektes ist es, einen Beitrag zu einer klimaneutralen Mobilität als Teil der Energiewende zu leisten. Das Forschungsprojekt READi-PtL liefert dabei vielversprechende Ergebnisse: Der Wasserstoffbedarf für die Hydrierung, also die Aufbereitung des Erdölersatzes aus dem READiTM-Prozess zu synthetischen Kraftstoffen konnte so weit reduziert werden, dass der Stromverbrauch bei  1 kWh pro Liter Kraftstoff und damit bei nur rund 5 kWh pro 100 km Fahrstrecke liegt. Damit besteht das Potenzial für eine Schlüsseltechnologie zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors. Die Sektorenkopplung als Verbindung zwischen Erneuerbaren Energien und Verbrauchssektoren wie der Mobilität über den Wasserstoffpfad und die Verwendung von Rest- oder Abfallstoffen bieten hierfür erfolgsversprechende Potentiale, auch, weil Strom und Wasserstoff effizient eingesetzt werden.

Das Forschungsprojekt READi-PtL findet im Rahmen der Forschungsinitiative X-Energy statt und wurde mit 655.200 Euro Fördermitteln vom BMBF unterstützt. Nachdem das READiTM-Verfahren in den vergangenen Jahren bereits im Labor- und Technikummaßstab erfolgreich getestet wurde, wurde es danach in einer Pilotanlage mit einem erhöhten Reaktorvolumen von 200 Litern getestet. Mithilfe der neuen Pilotanlage an der Fakultät Life Sciences der HAW Hamburg sollen die Daten zur Übertragung des Prozesses auf die industrielle Produktion bereitgestellt werden.

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