Deutschland erreicht am 4. Mai Overshoot Day

Größte Volkswirtschaft der EU verschwendet die meisten Ressourcen

Wenn alle so leben würden wie die Menschen in Deutschland, bräuchten wir drei Erden. Dies zeigt, dass die deutsche Wirtschaft auf die vorhersehbare Zukunft des Klimawandels und der Ressourcenknappheit trotz vieler verfügbarer Möglichkeiten bei weitem nicht vorbereitet ist. Die Trends zeigen, dass Deutschland nicht gewillt scheint, seinen eigenen Wohlstand abzusichern. Der deutsche Overshoot Day 2023 fällt nach Zahlen des Global Footprint Networks auf den 4. Mai. Genauer gesagt, hätte die Menschheit bis dahin so viel verbraucht, wie die Ökosysteme unseres Planeten in einem ganzen Jahr erneuern können, wenn alle Menschen so viel konsumieren würden wie die Einwohner Deutschlands.

Country Overshoot Days 2023 – © overshootday.org

Die Zukunft war noch nie so vorhersehbar wie heute. 

Auch zukünftig brauchen Länder Lebensmittel, Energie und viele andere Ressourcen, um ihre Einwohner und ihre Wirtschaft zu versorgen. Aber der anhaltende Overshoot zeigt, dass wir in einer Welt leben werden, in der der Klimawandel zunimmt und die Ressourcen immer knapper werden. Diese Zukunft kommt schneller auf uns zu, als sich unsere Städte, Unternehmen, Energieinfrastrukturen und Nahrungsmittelsysteme anpassen können.

Daher wird die Ressourcensicherheit zu einem zentralen Parameter für wirtschaftliche Stärke. Auch bei der Ernährung: Der Food Footprint macht mehr als ein Viertel des Ökologischen Fußabdrucks Deutschlands aus. Deutschlands Bemühungen um erneuerbare Energien macht Fortschritte, aber zu langsam. Eine rasche Energie- und Ressourcenwende wird die Welt mit einem weniger extremen Klimawandel und die deutsche Bevölkerung mit einer weitaus verlässlicheren Ressourcensituation belohnen.

Wer seine Energie- und Ressourcenwende hinauszögert, setzt sich immer wesentlicheren Risiken aus. Die Ungleichheit zwischen denjenigen, die sich klug vorbereiten und Widerstandsfähigkeit aufbauen, und denjenigen, die abwarten und sich selbst schwächen, wächst. Diejenigen, die sich nicht auf den Wandel einlassen, werden zurückfallen. Das ist ein doppeltes Risiko, denn sie werden in einer zunehmend fragilen Welt anfällig sein. „Deutschlands aggressive Bemühungen um erneuerbare Energien helfen dem Land, erfolgreich zu bleiben“, sagte Steven Tebbe, Exekutivdirektor von Global Footprint Network. „Aber insgesamt ist Deutschland noch weit davon entfernt, für eine Welt mit anhaltendem Overshoot gerüstet zu sein. Die Lücke ist nach wie vor immens.“

Der weltweite Erdüberlastungstag rückt ständig nach vorne, ein wenig aufgehalten nur durch die Covid-19-Pandemie: 1970 war es der 29.12., im Jahr darauf bereits der 20.12.. 1979 war er schon im Oktober angekommen (29.10.). 2004 landete er auf dem 01.09., und 2022 war es der 28.07.

Warum Overshoot für die Wirtschaft relevant ist

Die Zukunft war noch nie so vorhersehbar wie heute. Wir wissen, dass die Menschen essen und schlafen werden. Auch wollen sie in der Zukunft mobil sein und sich sicher fühlen. Zudem wissen wir, dass wir in einer Welt leben werden, in der es immer mehr Klimawandel und weniger Ressourcen gibt. Das stimmt für jedes sich auszudenkende Szenario. Ausserdem rückt diese Zukunft schneller auf uns zu, als sich unsere Städte, Unternehmen, Energieinfrastrukturen und Ernährungssysteme darauf einstellen können. Ressourcensicherheit wird daher ein immer zentralerer Parameter. Das verdeutlicht auch der anhaltende Krieg in der Ukraine.

Das macht Ressourcensicherheit zu einem zentralen Treiber der wirtschaftlichen Resilienz. Der anhaltende Krieg in der Ukraine und die dadurch verursachten Unterbrechungen der Ressourcenversorgung sind ein Beispiel dafür. Der Krieg hat unsere fragile Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gezeigt. Massive Anstrengungen haben uns geholfen, uns von der russischen Versorgung abzukoppeln, aber unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist immer noch enorm. Eine rasche Energie- und Ressourcenumstellung wird die Welt mit weniger extremem Klimawandel und die Akteure mit einer weitaus verlässlicheren Ressourcenlage belohnen. Man bedenke, dass Deutschland heute dreimal mehr verbraucht, als seine eigenen Ökosysteme regenerieren können. Da Deutschland etwa gleichviel Biokapazität pro Person hat wie die Welt, bräuchte es auch drei Erden, falls alle so lebten wie die Menschen in Deutschland.

Verlängern wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, so erhöht sich das Risiko, dass wir auf weniger nützlichen (und schließlich gestrandeten) Energie- und Mobilitätsinfrastrukturen sitzen. Auch sind wir mehr globalen Spannungen und politischen Unruhen ausgeliefert. Die Ernährungssicherheit wird weltweit besonders kritisch, und auch das hat Auswirkungen auf die global integrierte Wirtschaft Deutschlands.

Wer das Risiko trägt

Die, welche mit der Energie- und Ressourcenwende zögern, werden Risiken ausgesetzt, die immer größer, mittelbarer, und auch ungleichmäßiger verteilt werden. Die Ungleichheiten steigen auch zwischen denen, die sich klug vorbereiten und Resilienz aufbauen, und denen, die warten, und sich damit schwächen. Wer sich nicht auf den Wandel einlässt, kommt ins Hintertreffen.

„Es ist unklar, ob Deutschland die Entschlossenheit hat, sich angemessen auf die absehbare Zukunft des Klimawandels und der Ressourcenknappheit vorzubereiten. Der Krieg in der Ukraine mag ein Weckruf gewesen sein, doch gleichzeitig ist der politische Wille zu einer Reorientierung noch gering“, sagt Steven Tebbe, Exekutivdirektor von Global Footprint Network. „Zwar gibt es gute Ansätze in der Deutschland, wie die weite Nutzung der Photovoltaik, die Steigerung der thermischen Effizienz von Häusern oder der Ausbau der Windkraft, aber insgesamt ist das Land noch weit davon entfernt, in einer Welt mit anhaltendem Overshoot zurechtzukommen. Die Lücke ist nach wie vor immens.“

Basierend auf den Daten von 2018 benötigte allein der Lebensmittelkonsum der deutschen Bevölkerung 20 Prozent ihres ökologischen Fußabdrucks. Unternehmen oder Länder, die sich nicht auf die vorhersehbare Zukunft vorbereiten, werden weitgehend benachteiligt sein. Sich nicht nur schnell, sondern auch richtig zu entscheiden, wird immer wesentlicher, da die physische Infrastruktur von Städten und Unternehmen nur langsam angepasst werden kann, langsamer, als die ressourcenbeschränkte Zukunft auf uns zu kommt. Wo steht Deutschland? Wo stecken die Möglichkeiten?

Über ökologischen Overshoot

Seit Anfang der 1970er Jahre befindet sich die Menschheit in einem ökologischen Defizit. In Deutschland, ist der ökologische Fussabdruck pro Einwohner etwa dreimal so groß wie die weltweite Biokapazität pro Kopf. Die Biokapazität Deutschlands ist pro Person etwa gleich groß wie die der Welt. Damit ist Deutschland exponiert. Diese Überlastung kann nicht ewig andauern. Die Auswirkungen dieses globalen ökologischen Overshoot sind bereits in Form von Abholzung, Bodenerosion, Verlust der Artenvielfalt und der Anhäufung von Kohlendioxid in der Atmosphäre zu beobachten. Ökologisch defizitär zu wirtschaften bedeutet, dass wir nicht nur die jährlichen “Zinsen” unseres Naturkapitals verbrauchen, sondern es auch abbauen, indem wir Ressourcen aus der Zukunft nehmen, um die Gegenwart zu bezahlen. Mit den ökologischen Vorschüssen zukünftiger Generationen zu arbeiten ist offensichtlich keine langfristig erfolgreiche Strategie.

Über das Global Footprint Network

Global Footprint Network ist eine internationale Nachhaltigkeitsorganisation, die sich der Schaffung einer Welt verschrieben hat, in der alle Menschen im Rahmen der Möglichkeiten der Erde gedeihen können. Das ist zentral angesichts des Klimawandels, dem Rückgang der biologischen Vielfalt und den schwierigen Lebensbedingungen vieler Menschen. Seit 2003 haben wir mit mehr als 30 Städten, 50 Ländern und 70 globalen Partnern zusammengearbeitet, um deren Ressourcensicherheit zu verbessern, indem wir wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, die für politische und Investitionsentscheidungen relevant sind.  (www.footprintnetwork.org)

Zum Food4Future Projekt

Food4Future ist ein gemeinsames Projekt von Global Footprint Network, dem Team für zirkuläre Lebensmittelsysteme der Gruppe Farming Systems Ecology der Wageningen University & Research (www.circularfoodsystems.org) und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Das Projekt zielt darauf ab, zu erforschen, wie das Lebensmittelsystem mit unserem einen Planeten kompatibel gemacht werden kann. Wir suchen neue Wege zur Ernährung der Weltbevölkerung, die gleichzeitig auch den Planeten schützen. Wir tun dies, indem wir unsere wissenschaftliche Kompetenz mit unserer Fähigkeit kombinieren, wichtige Interessengruppen und Entscheidungsträger einzubinden. Food4Future wird großzügig von der Stiftung AVINA unterstützt.

Zusätzliche Ressourcen

Ressourcen zum ökologischen Fussabdruck

->Quellen: