Unternehmen sollen Menschenrechte und Umweltnormen in Lieferketten beachten

EU-Parlament verabschiedet Gesetz

Das Europäische Parlament hat die Position für die Verhandlungen mit den EU-Ländern über Regeln zur Integration von Menschenrechten und Umweltauswirkungen in die Unternehmensführung angenommen. Unternehmen der Europäischen Union sollen demnach künftig strenger darauf achten, dass ihre Produkte im Einklang mit Menschenrechten und Umweltschutz hergestellt werden. 366 Abgeordnete stimmten am 01.06.2023 für den Richtlinienentwurf des EU-Lieferkettengesetzes, dem zufolge große Firmen entlang ihrer weltweiten Lieferketten für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in die Pflicht genommen werden sollen. Wie die Pressestelle des Parlaments mitteilte, stimmten 225 Abgeordnete dagegen, 38 enthielten sich.

In einem Kinderheim in Buenos Aires – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Mit den neuen Vorschriften würden Unternehmen gesetzlich verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Menschenrechte und die Umwelt, wie Kinderarbeit, Sklaverei, Umweltverschmutzung oder Verlust der biologischen Vielfalt, zu ermitteln und erforderlichenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzumildern. Außerdem müssen sie die Auswirkungen ihrer Partner in der Wertschöpfungskette auf die Menschenrechte und die Umwelt bewerten, und zwar nicht nur bei den Zulieferern, sondern auch im Zusammenhang mit dem Verkauf, dem Vertrieb, dem Transport, der Lagerung und der Abfallbewirtschaftung und anderen Bereichen.

Die neuen Vorschriften gelten für in der EU ansässige Unternehmen, unabhängig von ihrer Branche, einschließlich Finanzdienstleistungen, mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 40 Millionen Euro sowie für Muttergesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro. Nicht-EU-Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro, wenn mindestens 40 Millionen in der EU erwirtschaftet wurden, werden ebenfalls einbezogen.

Sorgfaltspflicht der Mitglieder der Unternehmensleitung und Zusammenarbeit mit den Interessenträgern

Die Unternehmen müssen einen Übergangsplan zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C umsetzen. Im Falle großer Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten wird sich die Erfüllung der Ziele des Plans auf die variable Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung (z. B. Boni) auswirken. Die neuen Vorschriften verpflichten die Unternehmen außerdem, sich mit den von ihren Handlungen Betroffenen, einschließlich Menschenrechts- und Umweltaktivisten, auseinanderzusetzen, einen Beschwerdemechanismus einzuführen und die Wirksamkeit ihrer Sorgfaltspflicht regelmäßig zu überprüfen. Um den Anlegern den Zugang zu erleichtern, sollten Informationen über die Sorgfaltspflicht eines Unternehmens auch über das zentrale europäische Zugangsportal (European Single Access Point, ESAP) verfügbar sein.

Sanktionen und Kontrollmechanismen

Unternehmen, welche die Vorschriften nicht einhalten, sind schadenersatzpflichtig und können von den nationalen Aufsichtsbehörden mit Sanktionen belegt werden. Zu den Sanktionen gehören Maßnahmen wie die namentliche Anprangerung („Naming and Shaming“), die Entfernung der Waren eines Unternehmens aus dem Markt oder Geldstrafen von mindestens 5% des weltweiten Nettoumsatzes. Nicht-EU-Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, werden von der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU ausgeschlossen.

Nach dem angenommenen Text sollen die neuen Verpflichtungen je nach Größe des Unternehmens nach 3 oder 4 Jahren gelten. Kleinere Unternehmen können die Anwendung der neuen Vorschriften um ein weiteres Jahr verschieben.

Berichterstatterin Lara Wolters (S&D, NL) dazu nach der Abstimmung im Plenum: „Die Unterstützung des Europäischen Parlaments markiert einen bedeutenden Wendepunkt in unserem Verständnis der Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. Ein Gesetz zur Unternehmensverantwortung muss sicherstellen, dass die Zukunft Unternehmen gehört, die Mensch und Umwelt auf nachhaltige Weise behandeln, und nicht solchen, die aus Ausbeutung und Umweltschäden ein Geschäftsmodell gemacht haben. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen erfüllt ihre Verpflichtungen gegenüber Mensch und Umwelt gewissenhaft. Mit diesem ‚Fair Business Law‘ unterstützen wir diese Unternehmen und setzen gleichzeitig Grenzen für jene wenigen großen Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten und rücksichtslos agieren“.

Scharfe Kritik aus der Wirtschaft – Das deutsche und nun entsprechend auch das europäische Gesetzesvorhaben wird von Wirtschaftsvertretern scharf kritisiert. Sie warnen vor überbordender Bürokratie und einer Schwächung europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisierte, dem Gesetzentwurf fehle es an Praxistauglichkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit. »Das Lieferkettengesetz bürdet den Unternehmen ein neues und unkalkulierbares Haftungsrisiko auf.« Von ihnen werde eine Kontrolle erwartet, die außerhalb ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten liege, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Lieferketten bestünden oft aus mehreren Hundert, teils mehreren Tausend Firmen. In der Regel sei einem Betrieb aber nur der direkte Zulieferer bekannt. Kleine und mittlere Unternehmen würden »komplett überfordert« durch die geplanten Richtlinien.(https://www.spiegel.de/wirtschaft/eu-parlament-stimmt-fuer-strenges-lieferkettengesetz-a-231e09d2-6bae-4f15-b933-ed57f44c59f7)

Hintergrund

Das Europäische Parlament hat immer wieder eine stärkere Rechenschaftspflicht von Unternehmen und verbindliche Rechtsvorschriften über die Sorgfaltspflichten gefordert. Der Vorschlag der Europäischen Kommission wurde am 23.02.2022 vorgelegt. Er ergänzt andere bestehende und künftige Rechtsakte wie die Verordnung über Entwaldung, die Verordnung über Konfliktmineralien und den Entwurf einer Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt.

Die nächsten Schritte

Nach der Entscheidung des Parlaments können nun die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über den endgültigen Text der Rechtsvorschriften beginnen. Die Mitgliedstaaten haben ihren Standpunkt zu dem Richtlinienentwurf im November 2022 verabschiedet.

Mit der Verabschiedung dieser Rechtsvorschriften reagiert das Parlament auf die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf den nachhaltigen Konsum, wie er in Vorschlag 5(13) zum Ausdruck kommt, auf die Stärkung der ethischen Dimension des Handels, wie sie in den Vorschlägen 19(2) und 19(3) zum Ausdruck kommt, und auf das Modell des nachhaltigen Wachstums, wie es in Vorschlag 11(1) und 11(8) der Schlussfolgerungen der Konferenz zur Zukunft Europas zum Ausdruck kommt.

->Quellen: