Deutsches Fusions-Startup Proxima Fusion will in den 2030er Jahren fertig sein
Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) wird laut einer Medienmitteilung vom 30.05.2023 gemeinsam mit dem Start-up Proxima Fusion die Entwicklung des Stellaratorkonzepts vorantreiben. Auf dieser Grundlage will das Münchner Unternehmen ein Kernfusionskraftwerk entwerfen. Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde jetzt unterschrieben. Proxima Fusion ist das erste Spin-out-Unternehmen in der Geschichte des IPP.
Anfang 2023 gestartet, gehörten dem Gründungsteam des Startups sechs ehemalige IPP-Wissenschaftler an. Ziel des in München ansässigen Unternehmens ist die Entwicklung eines Kernfusions-Kraftwerks auf Basis des Stellaratorkonzepts. In der Kooperation wird Proxima Fusion vor allem technologische Ansätze vorantreiben, während das IPP sein Know-how als weltweit führendes Institut in der Stellaratorphysik einbringt.
Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik ist die einzige Einrichtung weltweit, die beide wesentlichen Konzepte der Magnetfusion mit Hilfe von Großexperimenten erforscht: In Garching bei München betreibt sie den Tokamak ASDEX Upgrade, in Greifswald den Stellarator Wendelstein 7-X. Beiden ist gemeinsam, dass sie Millionen Grad Celsius heiße Plasmen erzeugen, die berührungsfrei in Magnetfeldern eingeschlossen sind. Forschende konnten an Tokamaks bereits wesentliche Plasma-Eigenschaften für eine spätere Energieerzeugung durch Kernfusion erreichen. Wegen ihrer komplexeren Bauart stehen hochentwickelte Stellaratoren dagegen erst seit wenigen Jahren zur Verfügung. Der Vorteil von Stellaratoren ist, dass sie im Gegensatz zu gepulsten Tokamaks kontinuierlich betrieben werden können und bessere Plasmastabilitäts-Eigenschaften aufweisen.
Wendelstein 7-X am IPP in Greifswald ist das weltweit modernste und leistungsfähigste Stellarator-Experiment. Im Februar gelang dort erstmals die Erzeugung eines energiereichen Plasmas, das für acht Minuten Bestand hatte. Die Anlage ist dafür ausgelegt, in den kommenden Jahren Plasmaentladungen von bis zu 30 Minuten zu erzeugen. Im IPP-Bereich Stellaratortheorie in Greifswald arbeiten zudem führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Stellarator-Optimierung.
„Wir wollen mit unserer Forschung Stellaratoren Richtung Anwendungsreife weiterentwickeln. Durch den technologischen Fokus von Proxima Fusion sehen wir große Synergien in einer Kooperation und freuen uns auf die gemeinsame Arbeit in einer Public-Private-Partnership“, sagt Prof. Sibylle Günter, Wissenschaftliche Direktorin des IPP. Wie wichtig das Know-how des Instituts auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk ist, zeigt auch das Interesse weiterer Firmen: Das IPP hat bereits einen Kooperationsvertrag mit dem US-Unternehmen Commonwealth Fusion Systems abgeschlossen. Für eine mögliche Zusammenarbeit mit den Start-ups Gauss Fusion und Type One Energy existieren schriftliche Absichtserklärungen.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) setzt große Hoffnungen in die Kernfusion. „Bis Ende Juni wollen wir eine umfassende Strategie zur Fusionsforschung vorlegen, um die Entwicklung eines Fusionsreaktors voranzutreiben“, sagte sie laut Focus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung („Kernfusion als Königsweg„) am 03.06.2023. „Wir wollen ein klares Signal senden, dass die Fusion in Deutschland erwünscht ist.“ Hierzu wolle sie in den laufenden Haushaltsverhandlungen auch mehr staatliches Fördergeld mobilisieren. Deutschland sei technologisch in Sachen Kernfusion in einer guten Ausgangslage, so Stark-Watzinger.
Bei der Kernfusion werden Atomkerne bei extremen Temperaturen miteinander verschmolzen. Dabei werden enorme Mengen Energie freigesetzt. Herkömmliche Atomkraftwerke gewinnen Energie hingegen aus der Spaltung von Atomkernen. In beiden Fällen entstehen keine Treibhausgase. Bei der Kernfusion entsteht auch radioaktiver Abfall, allerdings in viel geringerem Ausmaß als bei Atomkraftwerken.
Seit den 50er Jahren wurden bereits dutzende Versuchsreaktoren für Kernfusion gebaut. Ein bekanntes Beispiel ist der International Thermonuclear Experimental Reactor (Iter) in Südfrankreich. Das Projekt mit mehr als 30 beteiligten Staaten, darunter alle EU-Länder, Russland, China und die USA, startete 2006 und hat bereits mehr als 20 Milliarden Euro gekostet. Der Versuchsreaktor ist bisher nicht fertig gebaut.
In Deutschland ist das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) an der Erforschung der Fusionstechnologie und auch am Projekt Iter beteiligt. Seinen Angaben zufolge könnte „die Fusion in etwa 50 Jahren wirtschaftlich nutzbaren Strom liefern“.
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