Der digitale Produktpass …

… nur bürokratiearm eine Chance auf mehr Kreislaufwirtschaft

Die deutsche Wirtschaft benötigt große Mengen an Rohstoffen. Gleichzeitig machen die jüngsten Krisen deutlich, wie riskant eine hohe Importabhängigkeit in diesem Bereich ist. Aber auch bei wachsendem Bedarf kann die Resilienz zunehmen, wenn die Rückgewinnung von Rohmaterialien über eine funktionierende Kreislaufwirtschaft gelingt. In den letzten Jahrzehnten gab es bereits signifikante Verbesserungen, dennoch sind Rohstoffströme bei vielen deutschen Unternehmen noch nicht durchgängig auf Wiederverwendung oder Recycling ausgelegt.

Noch liegt der Anteil der recycelten Materialien am gesamten Rohstoffverbrauch in Deutschland bei nur 13 % – Foto © Veronika Neukum-Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Nach Daten des europäischen Statistikamtes Eurostat liegt der Anteil der recycelten Materialien am gesamten Rohstoffverbrauch in Deutschland bei circa 13 Prozent. Im Vergleich beispielsweise mit den Niederlanden (29 Prozent) besteht hier deutliches Aufholpotenzial. Wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) am 12.10.2023 mitteilte, will die Bundesregierung nun die weitere Transformation hin zu einem ressourceneffizienten und zirkulären System voranbringen. Das soll den Rohstoffkonsum verringern und zum vermehrten Einsatz von Recycling führen. Eine zentrale Rolle bei den Überlegungen solle dabei der digitale Produktpass (DPP) spielen.

Ein „Ausweis“ für ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit

Der DPP sei ein Ansatz im Rahmen der grundlegenden Überarbeitung der Regelungen im Bereich Ökodesign – als Teil des Europäischen Green Deal solle der DPP nachhaltigere Produkte fördern. Der digitale Produktpass solle den elektronischen Abruf produktspezifischer Daten und Informationen ermöglichen, unter anderem Informationen zu Herkunft, Zusammensetzung, Reparatur- und Demontagemöglichkeiten, einschließlich Optionen zum Recycling oder zur Entsorgung am Ende der Lebensdauer. Ziel sei es, Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch Unternehmen fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Zusätzlich wolle man Behörden verschiedene Prüfungen und Kontrollen erleichtern. Aktuell verhandeltenn die europäischen Institutionen über die genaue Ausgestaltung, heißt es in der DIHK-Pressemitteilung.

Risiken – Herausforderungen für KMU

Der Umbau des Wirtschaftssystems hin zu einem nachhaltigeren und kreislauforientierten Modell bringe enorme Herausforderungen mit sich. Für den Übergang seien bahnbrechende Innovationen, Investitionen in Milliardenhöhe und ein Umdenken speziell beim Management von Lieferketten nötig. Allerdings existiere ein digitaler Produktpass bislang nur auf dem Papier. Die digitale Entwicklung befinde sich in einem frühen Stadium, und viele Fragen zur praktischen Umsetzung seien ungeklärt. Laut einer Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie aus dem Jahr 2022 gebe es derzeit europaweit 76 verschiedene Initiativen zum DPP. Befürchtungen, dass mit der Einführung eines solchen Passes neue und hohe bürokratische Anforderungen an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entstünden, seien daher nicht von der Hand zu weisen, so die DIHK in ihrer Presseverlautbarung

Chance – Zentrales Instrument einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft

Es bedürfe deshalb eines ganzheitlichen Konzepts für den DPP, mit dem jeder Marktteilnehmende auf die jeweils relevanten Informationen zugreifen könne. Geplant sei, dass Informationen in ein übergreifendes System eingebettet würden. Schnittstellen zwischen bereits bestehenden Datenbanken sollten verhindern, dass Dopplungen entstünden. Auch überbordende Bürokratie, Überladung und Fragmentierung wolle die Kommission vermeiden.

Falls dies gelinge, böte der Produktpass den Unternehmen Potenzial für gesteigerte Transparenz, Effizienz und Nachhaltigkeit. Durch den DPP erhielten die Betriebe Einblick in den kompletten Lebenszyklus eines Produkts. Das könne das Vertrauensverhältnis zwischen den Betrieben in der Lieferkette sowie zwischen Endkunden und Produzenten verbessern. Der DPP böte sich auch als Werkzeug an, um Lieferketten effizienter zu gestalten. Zudem ermögliche er eine nachhaltigere Produktions- und Konsumpraxis sowie eine bessere Planung und Umsetzung von Recycling und Wiederverwertung. Dass das Europäische Komitee für Normung an der Entwicklung einer DPP-Norm arbeite, gebe insofern Anlass zur Hoffnung. Dennoch werde ein Erfolg des DPP ganz entscheidend davon abhängen, dass die Perspektiven und Möglichkeiten von KMU bei der Entwicklung berücksichtigt würden. Mit diesem Ziel suche die DIHK aktiv den Austausch mit der EU-Kommission, heißt es weiter.

Beitrag zur Transformation

Durch eine möglichst lange Ressourcennutzung und eine gesteigerte Kreislaufführung könne die deutsche Wirtschaft grundsätzlich Schritt für Schritt unabhängiger von Rohstoffimporten werden. Eine erste Blaupause bei der Entwicklung des DPP böte der in der Entstehung befindliche „Battery Pass“. Die Entwicklung solle bis Ende 2025 abgeschlossen sein und ab 2027 zur Anwendung kommen. Für eine erfolgreiche Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft stelle dabei jedoch das Bereitstellen von Informationen für Stakeholder mit Hilfe des Produktpasses nur eine Maßnahme dar. Gleichzeitig solle dringend der Einsatz von Sekundärrohstoffen gefördert werden – die Infrastruktur für ihre Gewinnung ebenso wie die Märkte, die sie auch wieder einsetzten, empfiehlt die DIHK abschließend.

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