Salz aus der Karibik beeinflusst unser Klima

Studie untersucht Zusammenhang von Salzgehalt, Meeresströmungen und Klima

Die Verteilung von Salz im Ozean durch Meeresströmungen spielt eine entscheidende Rolle in der Regulierung des globalen Klimas. Das haben Forschende von der kanadischen Dalhousie-University, vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen in einer neuen Studie herausgefunden.

Analysierter Sedimentkern aus dem Karibischen Meer. Der Einsatz zeigt eine Foraminiferenart – Mikrofossilien – namens Globigerinoides ruber (weiß), die aus den Sedimentproben extrahiert und zur Rekonstruktion vergangener Veränderungen der Temperatur und des Salzgehalts in den Tropen verwendet wurde. – Foto © A. Zhuravleva und T. Boeschen, GEOMAR

Dafür haben die Forschenden die natürlichen Klimaanomalien wie die sogenannte Kleine Eiszeit untersucht. Diese Kälteperiode vom 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts führte in Europa zu schlechten Ernten, Hungersnöten und Krankheiten. Obwohl die Kleine Eiszeit eine der am besten untersuchten Perioden der jüngeren Geschichte ist, bleiben die ihr zugrunde liegenden Klimamechanismen umstritten.

„Ein Blick auf die jüngsten, natürlichen Klimaanomalien hilft, die Prozesse und Mechanismen zu verstehen, die die vom Menschen verursachte globale Erwärmung auslösen kann“, sagt Dr. Anastasia Zhuravleva, Erstautorin der Studie. Sie war Doktorandin am GEOMAR und erhielt 2019 den Annette-Barthelt-Preis für ihre Dissertation. Anschließend arbeitete sie als Postdoktorandin am GEOMAR und an der Dalhousie University, wo die jetzt veröffentlichte Studie abgeschlossen wurde.

„Forschende betrachten häufig eine Zunahme der Meereisausdehnung sowie eine Aussüßung im subpolaren Nordatlantik als mögliche Auslöser für vergangene Kälteperioden, doch Prozesse im tropischen Atlantik scheinen ebenso wichtig zu sein“, sagt Dr. Zhuravleva. „Tatsächlich gibt es im Gegensatz zu den nördlichen und mittleren Breiten kaum Informationen über diese jüngeren Klimaereignisse aus dem subtropisch-tropischen Atlantischen Ozean und deren Auswirkungen auf die Regionen in der nördlichen Hemisphäre“, ergänzt Dr. Henning Bauch, Paläoklimatologe am AWI und am GEOMAR sowie Co-Initiator und Co-Autor der Studie. „Hier kommt unsere Forschung ins Spiel.“

Was geschah also im tropischen Atlantik während historischer Klimaanomalien, und wie könnten potenzielle Veränderungen dort die Ozeanzirkulation und das Klima viel weiter nördlich beeinflusst haben? Um diese Fragen zu beantworten, arbeitete das Team an einem Sedimentprofil aus der südlichen Karibik und rekonstruierte den Salzgehalt und die Temperatur des Oberflächenwassers in den letzten 1700 Jahren. Dafür bestimmten die Forschenden unter anderem die isotopische und elementare Zusammensetzung von Plankton-Kalkschalen.

Die Ergebnisse zeigen eine Abkühlung von etwa 1°C während der Kleinen Eiszeit. „Das ist eine signifikante Temperaturänderung für diese Region“, sagt PD Dr. Mahyar Mohtadi, Co-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe „Klimavariabilität der niedrigen Breiten“ am MARUM. „Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen einer weiteren ausgeprägten Abkühlung für den Zeitraum des 8. bis 9. Jahrhunderts. Kältere Temperaturen im sonst warmen tropischen Ozean führten zu geringeren regionalen Niederschlägen, die mit schweren Dürren auf der Yucatan-Halbinsel und dem Untergang der klassischen Maya-Kultur zusammenfielen.“

Darüber hinaus fanden die Forschenden heraus, dass die kalten Klimaanomalien im subpolaren Nordatlantik und in Europa von einer schwächeren Ozeanzirkulation und erhöhtem Salzgehalt in der Karibik begleitet wurden. „Die Advektion, also die Bewegung, von tropischem Salz in hohe nördliche Breiten ist für die Aufrechterhaltung hoher Oberflächendichten im subpolaren Nordatlantik unerlässlich. Dies ist eine Voraussetzung für die allgemeine Stabilität der großräumigen Ozeanzirkulation, einschließlich der Übertragung von warmem Golfstromwasser, das für unsere milden Temperaturen in Europa verantwortlich ist“, sagt Dr. Bauch.

Die Daten zur historischen Vergangenheit ermöglichen somit eine Rekonstruktion der Verbindung über den Nordatlantik. Es gibt Hinweise darauf, dass eine anfängliche Abkühlung durch vulkanische Ausbrüche, schwache Sonnenaktivität und die Rückkopplungen zwischen Meereis und Ozean im Norden verursacht werden kann.

Die Studie belege, dass ein Rückgang der Salzbewegung in hohe nördliche Breiten diese Klimaereignisse verstärkt und zeitlich verlängert habe. Umgekehrt könne die langsame Bewegung positiver Salzgehaltsanomalien aus tropischen Gebieten die Dichte an der Oberfläche des subpolaren Nordatlantik erhöhen. Auf diese Weise könnte der Wärmetransport nach Norden durch Meeresströmungen und damit mildere Temperaturen über Europa und Nordamerika begünstigt werden.

„Eine solche Rückkopplung des Salzgehalts ist aus Modellen bekannt und wurde auch für die Kleine Eiszeit angenommen. In Ermangelung von Daten über den tropischen Ozean basierten diese Annahmen jedoch bisher auf weniger direkten Niederschlagsaufzeichnungen“, sagt Dr. Zhuravleva.

Es gebe Anzeichen dafür, dass der Golfstrom schwächer werde, und dass die vom Menschen verursachte Erwärmung eine wahrscheinliche Ursache dafür ist. Fest stehe, dass die Folgen dieses Wandels global sein werden. Inwieweit sich die verschiedenen Klimamechanismen gegenseitig beeinflussen werden, war bislang noch offen. Diese Studie bestätige nun, dass der Salztransport in Süd-Nord-Richtung ein entscheidender Faktor für die beteiligten Prozesse sei, so die Hauptautorin.

Original-Publikation:

Zhuravleva, A. et al (2023): Caribbean salinity anomalies contributed to variable North Atlantic circulation and climate during the Common Era: Tropical salinification and historical cold anomalies. Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adg2639. http://doi.org/10.1126/sciadv.adg2639

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