Grünes Licht für Klimaanpassungsgesetz

Klimaschutzgesetz in der Ktitik

Der Umweltausschuss des Bundestags hat – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag – am 15.11.2023 dem Entwurf der Bundesregierung für ein Bundes-Klimaanpassungsgesetz (20/8764) in geänderter Fassung zugestimmt. Für das Gesetz, das erstmalig für Bund, Länder und Kommunen die Erstellung von Klimaanpassungsstrategien und -maßnahmen vorsieht, votierten bei Abwesenheit der Fraktion Die Linke die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Unionsfraktion und AfD-Fraktion lehnten die Vorlage ab. Auf starke Kritik stieß der Entwurf der Novelle eines Klimaschutzgesetzes.

Bundestag: Ausschusssaal – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Zuvor hatte der Ausschuss einen Änderungsantrag und einen Entschließungsantrag der Ampelfraktionen angenommen, mit dem die im Regierungsentwurf genannten Cluster und Handlungsfelder für Klimaanpassungsmaßnahmen erweitert werden. So sieht der Entwurf nun auch ein „Cluster mit übergreifenden Handlungsfeldern, wie beispielsweise vulnerable Gruppen oder Arbeitsschutz“ vor, für das sich insbesondere die SPD eingesetzt hatte. Bestimmte Berufsgruppen, die im Freien arbeiteten, seien von steigenden Temperaturen besonders betroffen, erklärte ein Vertreter der Fraktion dazu im Ausschuss. Es brauche daher Regelungen.

Des Weiteren wurden bei den vorrangigen Maßnahmen auch solche ergänzt, die Synergien zu Maßnahmen des resilienten Wasserhaushalts und der blau-grünen Infrastruktur aufweisen. Dafür hatten sich Sachverständige bei einer öffentlichen Anhörung im Umweltausschuss ausgesprochen. Weitere Änderungen betreffen unter anderem die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, die Betonung der Klimarisikoanalyse als „systematische Grundlage für die Klimaanpassung“ sowie eine Konkretisierung des Berücksichtigungsgebots. Danach sollen künftig Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen auch die Klimaanpassung berücksichtigen. Ein Jahr mehr Zeit sollen auch die Länder zur Erarbeitung ihrer Klimaanpassungsstrategien bekommen: Erst bis spätestens zum 31. Januar 2027 sollen sie diese vorlegen müssen.

In einem Entschließungsantrag dringen die Koalitionsfraktionen zudem darauf, eine gemeinsamen Finanzierung von Bund und Ländern zur Klimavorsorge und Klimaanpassung anzustreben und sie mit ausreichend finanziellen Mitteln ausstatten. Ein Anliegen, auf das die zuständige Umwelt-Staatssekretärin Bettina Hoffmann (Grüne) im Ausschuss bereits reagierte: In der Umweltministerkonferenz werde die Bundesumweltministerin mit den Länder-Kolleginnen und -kollegen über die Finanzierungsfrage beraten, kündigte Hoffmann an. Die Schaffung einer Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung, wie sie Sachverständige und Vertreter der kommunalen Spitzenvertreter auch in der Anhörung gefordert hatten, halte auch sie für wichtig. Klimaanpassung sei schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Gemeinsam mit den Ländern für ausreichend Mittel für die Klimaanpassung zu sorgen, verlangt auch die Union. Gleichwohl bemängelt sie in einem eigenen Entschließungsantrag „gravierende Schwachstellen“ des Gesetzentwurfs: Den Herausforderungen des Klimawandels begegne er nur ungenügend, monierte eine Unionsvertreterin etwa, daran änderten auch die Ergänzungen im parlamentarischen Verfahren nichts. Hauptkritikpunkt ihrer Fraktion bleibe, dass das Gesetz keine konkreten Klimaanpassungsmaßnahmen enthalte. Die Klimaanpassungsstrategie des Bundes komme im Herbst 2025 deutlich zu spät, Länder und Kommunen bräuchten aber schneller Planungssicherheit, monierte die Abgeordnete. Die Anforderungen durch Datenehebungen und Risikoanalysen bedeuteten zudem für alle Verwaltungsebenen zusätzliche Bürokratie, die Personal und Geld binde.

Auch die AfD bezeichnete das Gesetz nur als „ersten Schritt“, dem weitere Schritte folgen müssten. Manko aller Klimaanpassungsbestrebungen sei die offene Frage der Finanzierung, hob ein Abgeordneter hervor. Diese dürfe aber nicht allein der kommunalen Ebene aufgebürdet werde. Die Experten-Anhörung habe nicht zuletzt auch deutlich gemacht, dass viele Städte und Gemeinden im Bereich des Katastrophenschutzes bereits an ihre finanziellen Grenzen stießen.

Vertreter der Koalitionsfraktionen verteidigten hingegen den Gesetzentwurf: Das Gesetz sei bewusst als Rahmengesetz geplant, um zunächst für alle Verwaltungsebene klar zu machen, was in den verschiedenen Sektoren zu tun sein, argumentierten Abgeordnete von FDP und Grünen. Insofern sei die Kritik an fehlenden Klimaanpassungsmaßnahmen nicht nachvollziehbar. Als zentral bezeichneten sie auch das Berücksichtigungs- und Entsiegelungsgebot, die beide darauf zielten, zusätzliche Schäden in Zukunft zu vermeiden. (hib/SAS)

Experten kritisieren Klimaschutzgesetz

Der Klimaschutz-und-Energie-Ausschuss hat sich am 08.11.2023 im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung mit dem Entwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (20/8290, 20/8670) sowie der Unterrichtung durch die Bundesregierung zum „Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung“ (20/8150) befasst. Von Seiten der Experten wurde massive Kritik an der geplanten Novelle geübt. Die Experten äußerten sich in der Anhörung und in schriftlichen Stellungnahmen.

Besonders heftig fiel die Kritik seitens der Rechts-Sachverständigen aus. Der vorliegende Gesetzentwurf sei „verfassungsrechtlich ausgesprochen problematisch“, sagte Roda Verheyen, Vorstand von Green Legal Impact und Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts. „Keine Verschiebung von Reduktionslasten in die Zukunft und damit auf die nachfolgenden Generationen“ – das sei die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts gewesen, doch genau das passiere mit der geplanten Novelle. Die auf Vorschlag der SPD geladenen Expertin appellierte an die Abgeordneten: „Es ist zwingend erforderlich, dieses Gesetz so nicht anzunehmen.“ Zu dem gleichen Ergebnis kam Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, der ebenfalls auf Vorschlag der SPD eingeladen war.

Das Klimaschutzgesetz sei „nicht ansatzweise mit der 1,5 Grad-Grenze kompatibel, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Mit dem Gesetz gehe es offenbar darum, “säumige Ministerien vor schlechter Presse zu schonen und Klimablockadepolitik in Schlüsselsektoren wie dem Verkehr in einer mehrjährigen Gesamtrechnung„ zu verstecken. Müller-Kraenner, der auf Einladung der Linken-Fraktion Stellung nahm, sprach von drohender “Verantwortungsdiffussion„. Ähnlich sah das Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring. Der vorliegende Gesetzentwurf diene lediglich der Verschleierung ungenügender Klimaschutzbemühungen sagte der Experte, der auf Einladung der Grünen-Fraktion sprach.

Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach sich dezidiert gegen eine Aufweichung der Sektorziele aus und plädierte für eine Beibehaltung der derzeitigen Methodik, die eine gezielte Anreizwirkung zur Senkung der Treibhausgasemissionen in den Sektoren habe. Dazu führte die Expertin, die auf Einladung der Grünen-Fraktion an der Anhörung teilnahm, aus, dass zur Vermeidung von Zielabweichungen die Verrechnung von Über- und Untererfüllungen nur bis zu einer bestimmten Grenze zugelassen werden sollte.

Gerald Haug, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina/Nationale Akademie der Wissenschaften, nannte die sektorübergreifende Klimaschutzpolitik genauso richtig wie die daraus folgende gemeinsame Verantwortung der Regierung. Er hatte aber ein großes Aber: Aus seiner Sicht, sagte der Experte, der auf Einladung der Unionsfraktion Stellung nahm, wäre es wünschenswert, dass der Kanzler mit Blick auf das Kabinett eine klarere Führungsrolle dabei übernähme.

Verkehr und Gebäude seien die Sektoren, die schon in der Vergangenheit ihre Ziele nicht erreicht hätten, sodass man nach europäischen Regeln Emissionszertifikate mit deutschem Steuerzahlergeld zukaufen musste, erklärte Christoph Bals von Germanwatch, der auf Einladung der Unionsfraktion sprach. Das werde zukünftig aber viel teurer, sagte Bals. Abschätzungen gingen von bis zu zweistelligen Milliardenbeträgen aus. Eventuell drohten EU-Vertragsverletzungsverfahren und Strafzahlungen. Eine fehlende Strategie im Verkehrs- und Gebäudebereich wäre daher “grob fahrlässig„, so Bals.

Am bestehenden Monitoring und Kontrollmechanismus sowie der Pflicht, innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorzulegen, müsse festgehalten werden, forderte auch Tim Bagner vom Deutschen Städtetag, der auf Einladung gemäß einer Regelung der Geschäftsordnung des Bundestags zur Teilnahme von Vertretern kommunaler Spitzenverbände an Anhörungen sprach. Wie Bagner und Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag forderte Alexander Kramer vom Deutschen Städte- und Gemeindebund Bund und Länder auf, für eine langfristige und hinreichende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen.

Leon Krüger vom DGB, der auf Einladung der SPD-Fraktion sprach, unterstrich das Anliegen des Gewerkschaftsbundes, dass es für die ökonomisch ausgewogene Flankierung wie auch die soziale Akzeptanz der Klimaschutzmaßnahmen unerlässlich sei, die Bevölkerung über ein Klimageld zu entlasten und so klimaschutzbezogene Mehrbelastungen zu kompensieren“.

Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagte, der Reformbedarf für das Klimaschutzgesetz bestehe, weil dessen Steuerungsmechanismen zwar hohe Verbindlichkeit und Flexibilität aufwiesen, „aber an den jeweils falschen Stellen“. Jahresscharfe sektorale Emissionsminderungsziele und die Zuweisung von sektoraler ministerieller Verantwortlichkeit schafften eine Vielzahl von politischen Interventionspunkten – vor allem bei der Ausgestaltung der Sofortprogramme, die bisher das zentrale Instrument der Nachsteuerung seien. Es sei jedoch mehr als fraglich, ob dies auch zu höherer langfristiger Glaubwürdigkeit führe. „Denn Sofortprogramme schließen Lücken, die in der Regel überhaupt erst entstehen, weil die langfristigen und strukturellen Maßnahmen unzureichend sind“, sagte Pahle, der auf Einladung der FDP sprach.

Bernd Weber, Gründer und Geschäftsführer des Energy and Climate Policy and Innovation Council warb als eingeladener Experte der CDU/CSU für eine Verbindung von beidem: der sektorübergreifenden Betrachtung mit der vorausschauenden Planung. (hib/MIS)

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