CCS und CCU: alles andere als nachhaltig

Energie- und Entropieanalyse deckt grundsätzliche Irrtümer auf

Naturwissenschaftliche Analyse von Bernhard Weßling – Gastbeiträge geben Informationen, bzw. Meinungen der Autoren wieder, nicht in jedem Fall die von Solarify.

Am 10.04.2024 veröffentlichte die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina eine Ad-hoc-Stellungnahme zur Entnahme und Speicherung von CO2 (Solarify berichtete). Sie forderte darin, dass der Atmosphäre zusätzlich zur Einsparung von Emissionen auch dauerhaft CO2 entzogen und gespeichert (endgelagert) werden müsse. Es müssten jährlich 60 bis 130 Millionen Tonnen sein. Zwar werden auch Ökosysteme (Moore, Wälder) erwähnt, deren Speicherpotenzial könne aber noch nicht quantifiziert werden. Neben der Speicherung (CCS) wird auch die Nutzung (CCU) positiv bewertet und empfohlen.

Carbon Capture and Storage (Symbolbild) – Fotomontage – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Es gab immer wieder kritische Stimmen dazu, die jedoch alle politischer Art waren und im wesentlichen nur auf drei Aspekte verwiesen:

  1. Mit CCS/CCU werde es erlaubt, weiterhin fossile Energieträger zu nutzen und auch die Zementindustrie so weitermachen zu lassen wie bisher;
  2. die Speicherung sei nicht sicher, und
  3. CCS/CCU seien zu teuer.

Der entscheidende Aspekt wurde dabei übersehen: Weder CCS noch CCU sind nachhaltig. Das heißt, sie verursachen an anderer Stelle der Umwelt weit mehr Schäden (sog. Kollateralschäden), als an positiven Effekten für das Klima zu erhoffen wären. Das ergibt sich aus einer Energie- und einer Entropie-Bilanz von CCS bzw CCU.

In einem Grundsatz-Artikel in „Naturwissenschaftliche Rundschau“ (NR) Nr. 5-2024 sind Details dazu nachzulesen. Darin wird in einfach verständlicher Form auch in den thermodynamischen Hintergrund dazu eingeführt – fraglos ein bislang ungewöhnlicher Gedankengang, nichtsdestoweniger auf solider naturwissenschaftlicher (thermodynamischer) Basis. Eine Kritik daran müsste ebenfalls auf thermodynamischer Basis stehen und z.B. Rechenfehler oder einen grundsätzlichen Gedankenfehler nachweisen (den ich nicht ausschließen kann), deshalb stelle ich ja meinen Vorschlag unter Wissenschaftlern zur Diskussion, und auch der Leopoldina habe ich ihn zukommen lassen. Aber wahrscheinlich ist eine reine Energiebetrachtung für die Allgemeinheit leichter zugänglich.

Wahrscheinlich irgendwann im Sommer 2009 debattierte der Bundestag über CCS: Der damalige SPD-Energieexperte Hermann Scheer ergriff schließlich das Wort und nannte vier Wahlkreise als wahrscheinliche Örtlichkeiten für die CO2-Speicherung – alle in Wahlkreisen von Parlamentariern der Union. Damit war die Auseinandersetzung beendet: Gegen die Stimmen von CDU/CSU ging nichts, CCS war gestrorben, noch ehe es in eigendeine Pilotphase gehen konnte. (S_Y)

Für die Absorption und Speicherung  einer Tonne CO2 (mittels CCS) sind insgesamt 16 Mio kJ (= 16 GJ) Primärenergie erforderlich (zur Bereitstellung von Wärme und Elektrizität inkl. Wirkungsgradverlusten), das ist etwa sechsmal so viel, wie wir an Energie nutzen konnten, als diese eine Tonne CO2 in einem Kraftwerk erzeugt wurde (Details dazu im NR-Artikel). Allein das müsste ausreichen, uns erkären, dass CCS nicht nachhaltig ist.

Nun müssen wir das Ganze aber noch mit 60 bis 130 Millionen Tonnen CO2, welche die Leopoldina mittels CCS/CCU zu entfernen für notwendig hält, multiplizieren. Wenn wir als Mittelwert 100 Mio. t für die Berechnung nehmen, kommen wir auf einen Primärenergiebedarf von 1.600 PJ (1.600 Billiarden Joule). Das wären 15% des Primärenergieverbrauchs Deutschlands in 2023 oder gut 18% des für 2030 angestrebten Primärenergieverbrauchs (siehe Diagramm des Umweltbundesamtes).

Das gilt aber nur für die chemische Umwandlung des CO2! Vorher muss es ja noch eingesammelt und verflüssigt werden. Dann sieht es aber noch absurder aus, denn: Bei der derzeit jährlichen CO2-Emissionen von etwa 36 Gigatonnen benötigen wir nur für die Stabilisierung der CO2-Konzentration auf aktuellem Niveau ca 22 PWh an elektrischer Energie (und 72 PWh thermischer Energie). Die für 2030 prognostizierte Gesamtstromerzeugung von ca 33 PWh würde somit zu zwei Dritteln für CCS bzw DAC benötigt werden. Wohlgemerkt: der Gesamtstrombedarf, nicht nur der aus regenerativen Energiequellen. Mit welchem Strom soll dann weltweit Infrastruktur und Industrie betrieben werden? Es blieben ja nur noch 9 PWh Strom konventioneller zusammen mit regenerativer Erzeugung für das übrig, was heute (2023) knapp 30 PWh erfordert.

Es wäre sicherlich sinnvoll, CCS und CCU nochmals grundsätzlich zu durchdenken, und das endlich einmal nicht politisch, sondern naturwissenschaftlich, genauer: thermodynamisch. Die Naturgesetze können nicht überwunden werden, indem man sie ignoriert.

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Über den Autor: Dr. Bernhard Weßling ist kein Klimaleugner. Er ist als promovierter Chemiker seit Jahrzehnten neben seinem Beruf im Umwelt- und Artenschutz (inkl. Klima) aktiv tätig (Webseite ). Er hat sich aus seiner eigenen hauptberuflichen chemischen Forschung und Produktentwicklung heraus sowohl mit Thermodynamik als auch mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Er war 1990 Mitgründer und größter Investor des ersten Windparks in den damals Neuen Bundesländern (am Kap Arkona auf Rügen), hat selbst privat seit 2018 eine 10-kW-PV-Anlage auf seinem Hausdach, fährt seit sechs Jahren ein Elektroauto, ist seit 2009 Investor und Mitgeschäftsführer eines Biohofes, der über die Zeit hinweg vergleichsweise groß entwickelt wurde – mit nunmehr 450 ha Pachtland, 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 7 eigenen Hofläden und der wohl größten Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) Europas. Der Hof hat vor kurzem eine 100-kW-Solaranlage in Betrieb genommen. Die 450 ha Pachtland des Hofes sind größer als der Durchschnitt der deutschen Naturschutzgebiete, und diese Flächen leisten signifikante Beiträge für CO2-Speicherung und Biodiversität.

->Quellen: