Carbon2Chem® soll NRW zu klimaneutral werden lassen

5. C2C-Konferenz beleuchtete Technologien zur Realisierung einer Circular Economy

Ergebnisse der Carbon2Chem®-Forschenden im vergangenen Jahr und deren Umsetzung in die industriellen Anwendung sollte die 5. Konferenz zur nachhaltigen chemischen Konversion in der Industrie am 03.11.2022 in Düsseldorf bringen. Eingeladen hatten die Koordinatoren des vom BMBF geförderten Projektes: das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, die thyssenkrupp AG und das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC).

Carbon2Chem – altes Stahlwerk Thyssen – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Einige der wissenschaftlichen und technischen Ergebnisse, die auf dem Weg, Prozessgase der Industrie – z.B. Hüttengase aus der Stahlproduktion – als Kohlenstoffquelle für die chemische Industrie zu erschließen, erzielt wurden, stellte Prof. Görge Deerberg (Fraunhofer UMSICHT) gleich zu Beginn vor: „Mit Blick auf die Gasreinigung haben wir beispielsweise alle Komponenten im Dauerbetrieb und können eine vollständige Gasanalytik durchführen. Darüber hinaus liegen simulierte Detailkonzepte u.a. für eine integrierte Hochofengasnutzung ebenso vor wie eine dynamische Life Cycle Analysis (LCA),“ so der Carbon2Chem®-Koordinator. Ein besonderer Meilenstein: Die 50l-Methanol-Anlage war im dynamischen Dauerbetrieb (1.300 Stunden) erfolgreich. Als nächster Schritt steht nun der Betrieb mit echten Hüttengasen im Technikum Duisburg an.

Angesichts dieser Ergebnisse war wenig verwunderlich, dass sich sowohl Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger als auch Mona Neubaur (NRW-Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie) in ihren Grußworten als überzeugte Unterstützerinnen von Carbon2Chem® positionierten. Die Bundesministerin betonte beispielsweise, dass sich die Industrie auf Basis von Ideen aus der Forschung neu erfinden müsse. Dafür sei das Verbundprojekt das beste Beispiel – auch weil sich die entwickelten Technologien auf andere Industriezweige übertragen ließen. Mona Neubaur nannte Carbon2Chem® einen wichtigen Schritt, um Nordrhein-Westfalen klimaneutral zu machen. Das Projekt integriere den Grundgedanken der Circular Economy in die Industrie.

Dank Carbon Capture and Utilization (CCU) zur Circular Economy?

Die Frage, welche Rolle Carbon Capture and Utilization (CCU) für eine Kreislaufwirtschaft spielen kann, stand dann auch am Anfang der anschließenden Diskussionsrunde. Die Beteiligten: Till Mansmann (BMBF-Innovationsbeauftrager „Grüner Wasserstoff“), Michael Theben (Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen), Matthias Brey (Ernest & Young Global Limited) und Peter Müller-Baum (VDMA). Der Tenor: Es geht auf dem Weg in die Circular Economy nicht um Technologie allein. Auch Rahmenbedingungen – angefangen bei dem richtigen Mindset über die Kommunikation in die Öffentlichkeit bis zur Risikominimierung beim Einsatz der Technologie – sind entscheidend.

Gedanken, die in den folgenden Vorträgen vertieft wurden: Matthias Brey brachte neben industriellen Prozessgasen auch Biomasse als CO2-Quelle für CCU ins Gespräch und stellte heraus, was in seinen Augen getan werden muss, um Kohlenstoff zukünftig gewinnbringend im Kreis zu führen: „Wir müssen unsere Story so weit vereinfachen, dass sie noch stimmt und verstanden wird. Wir müssen eine europäische Strategie für Carbonmanagement entwickeln. Und wir brauchen Institutionen, die das Ganze fördern und unterstützen.“

Auch Peter Müller-Baum hob die Bedeutung der CO2-Circular-Economy hervor: „Kohlenstofffreisetzungen vollständig zu vermeiden, ist unmöglich – und auch gar nicht sinnvoll. CO2 muss als Rohstoff anerkannt und genutzt werden.“ Bei den Technologien, mit denen sich eine entsprechende Infrastruktur aufbauen lassen, sei Deutschland weltweit führend. An den Investitionen hapere es noch.

Transformationsprozesse im Ruhrgebiet und in der Kommunikation

Markus Oles (thyssenkrupp Steel Europe AG) lenkte den Blick der Konferenzteilnehmenden auf das Ruhrgebiet. „Wir sind eine Region mitten in einem Transformationsprozess. Und dabei spielt die Frage, wie wir den Kohlenstoff, der früher die zum Trocknen aufgehangene Wäsche schwarz gemacht hat, wieder loswerden, eine wichtige Rolle.“ 83 Millionen Tonnen CO2 werden im Ruhrgebiet emittiert – 67,4 Millionen von der Stahl-, Zement oder Glasindustrie, 9,1 Millionen vom Verkehr und 6 Millionen im Bereich Wohnen. Für die Wende Richtung Klimaneutralität sei Carbon2Chem® exemplarisch. „Ich bin optimistisch und glaube, dass uns das gelingt. Dafür sind wir in dem Projekt richtig aufgestellt. Die richtigen Leute sind dabei und auch die Region stimmt.“

Das Verbundprojekt zeigt also: Wirtschaft und Forschung sind äußert aktiv in Sachen Energie- und Rohstoffwende. Doch unterstützt die Bevölkerung entsprechende Maßnahmen? Und hat sich diese Einstellung durch den Ukraine-Krieg verändert? Diese Fragen beleuchtete Dorothee Arlt (TU Ilmenau) und nahm in ihrem Vortrag Bezug auf eine bundesweite Befragung 2021 und 2022. Ergebnis: Die Unterstützung von Infrastrukturmaßnahmen ist in großen Teilen unverändert geblieben – mit leichten Steigerungen beim Bau von Windkraftanlagen und großen Energiespeichern in der Nähe des Wohnorts. Bei der Bewertung klimapolitischer Maßnahmen haben sich drei Punkte verändert: Die Unterstützung der Industrie bei der Umstellung auf klimaneutrale Produktion durch Steuermittel wird positiver gesehen, während sowohl die staatliche Förderung der Elektromobilität als auch die Schließung von Industrieanlagen, die nicht klimaneutral produzieren (können), kritischer gesehen werden.

Internationale und nationale Projekte

Zum Abschluss der Konferenz blickten die Vortragenden über den Tellerrand von Carbon2Chem® hinaus. Steffen Schirrmeister (thyssenkrupp Industrial Solutions AG) stellte das – ebenfalls vom BMBF geförderte – Leitprojekt H2Mare vor. Im Fokus steht die Offshore-Erzeugung von grünem Wasserstoff und anderer Power-to-X-Produkte. Wasserstoff steht auch im Mittelpunkt eines weiteren BMBF-Leitprojektes: Bei TransHyDE – präsentiert von Hauke Hinners (CEC) wird an einer Wasserstoff-Transport-Infrastruktur gearbeitet.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen setzte sich Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie mit all diesen Transformationsaktivitäten auseinander. „Wir müssen neu denken“, lautete seine Aufforderung. „Wir dürfen angesichts der extremen Herausforderungen durch die Polykrise nicht resignieren. Wir müssen noch stärker versuchen, die Transformation in ihren verschiedenen Dimensionen auch als Chance zu begreifen. Unser Ziel muss es sein, den Industriestandort langfristig zu stärken.“

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