Gast-Essay von Jeffrey Sachs:
„Klimawandel ist heute“

Fossile Großkonzerne kaufen Berichterstattung – Murdoch spielt besonders zynische und schädliche Rolle

Dennoch bleibt der Klimawandel für viele einflussreiche Interessengruppen ein Spiel mit dem Ziel, entsprechende Maßnahmen so lange wie möglich hinauszuzögern. Die Großkonzerne im Bereich fossiler Brennstoffe lobbyieren weiterhin hinter den Kulissen gegen Änderungen in Richtung kohlenstoffarmer Energiequellen und setzen ihren enormen Reichtum ein, um sich eine Medienberichterstattung zu kaufen, mit der Verwirrung gestiftet wird. Rupert Murdochs Medienimperium in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Australien und anderswo spielt eine herausragende und besonders zynische und schädliche Rolle bei der Verbreitung antiwissenschaftlicher Propaganda.

 Sechs gute Nachrichten

Trotzdem könnte sich in der Klimapolitik einiges zum Besseren wenden – ein Wandel der sich in der wirkungsvollen Botschaft des Papstes widerspiegelt. Die Pattsituation könnte aus den folgenden sechs Gründen bald ein Ende haben.

  1. Erstens bekommt die Welt die von uns verursachte Katastrophe vor Augen geführt. Obwohl Murdochs Propagandamaschine tagtäglich ihre antiwissenschaftlichen Unwahrheiten vom Stapel lässt, nimmt die Öffentlichkeit auch anhaltende Dürreperioden (momentan in Teilen Brasiliens, Kaliforniens und Südostasiens, um nur einige zu erwähnen) ebenso wahr wie massive Überschwemmungen (kürzlich in Bosnien und Serbien) und tödliche Hitzewellen (in vielen Teilen der Welt).
  2. Zweitens wollen die Bürger dieser Welt nicht in Flammen aufgehen. Bislang ist es der öffentlichen Meinung gelungen, die Errichtung der Keystone XL Pipeline zu verhindern, welche die Produktion kanadischer Ölsande beschleunigen würde – eine schockierende Aussicht, angesichts der Tatsache, dass sich weder Kanada noch die USA bisher zu einem Klimaplan bekennen.
  3. Drittens stehen uns vielleicht noch schwerwiegendere Klimaschocks bevor. 2014 könnte ein starkes El-Niño-Jahr werden, in dem sich die Gewässer des Ostpazifiks erwärmen und für weltweite Klimastörungen sorgen. Ein starkes El Niño-Phänomen wäre derzeit noch gefährlicher als sonst, weil es zusätzlich zu dem allgemeinen Trend des Anstiegs der weltweiten Temperaturen beiträgt. Tatsächlich glauben viele Wissenschaftler, dass 2015 aufgrund eines starken El Niños zum heißesten Jahr der Erdgeschichte werden könnte.
  4. Viertens beginnen sowohl die USA als auch China, die beiden größten CO2-Emittenten, endlich über ernsthafte Maßnahmen nachzudenken. Präsident Barack Obamas Regierung versucht, den Bau neuer Kohlekraftwerke zu stoppen, wenn diese nicht mit CCS-Technologie ausgestattet sind. China seinerseits hat erkannt, dass seine starke Abhängigkeit von Kohle für derart verheerende Umweltverschmutzung und Smog sorgt, dass dies zu einem enormen Verlust an Menschenleben führt: In Regionen mit starkem Kohleverbrauch ist die Lebenserwartung um bis zu fünf Jahre geringer.
  5. Fünftens werden die Verhandlungen von Paris endlich die globale Aufmerksamkeit sowohl der Öffentlichkeit als auch der Spitzenpolitiker auf sich ziehen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte die politischen Entscheidungsträger auf, an einem Sondergipfel im September 2014 teilzunehmen, also 14 Monate vor der Konferenz in Paris, um in intensive Verhandlungen einzutreten. Das unter meiner Leitung stehende, für Lösungen im Bereich nachhaltiger Entwicklung zuständige UN-Expertennetzwerk Sustainable Development Solutions Network (UNSDSN), wird im Juli einen wichtigen Bericht darüber veröffentlichen, wie jede der großen Ökonomien das Energiesystem kohlenstoffärmer gestalten kann.
  6. Schließlich tragen technologische Fortschritte im Bereich kohlenstoffarmer Energiesysteme, einschließlich Photovoltaik, Elektrofahrzeuge, CCS und Atomenergie der vierten Generation mit enorm verbesserten Sicherheitsmerkmalen dazu bei, den Übergang zu kostengünstiger kohlenstoffarmer Energiegewinnung technisch realistisch und mit enormem Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Sicherheit des Planeten zu gestalten.