Energiewende ohne Solar?

Der Pleitegeier kreist über der Solarbranche. Unternehmen wie Q-Cells, Solon, Solarhybrid sind bereits insolvent. Andere werden folgen. Auch im Saarland ist die Krise spürbar, hiesige Unternehmer bleiben trotzdem optimistisch, raten, weiter auf Solar zu setzen. Doch lohnt es sich noch und warum bricht der Solarmarkt ein?

von Peter Böhnel – mit freundlicher Genehmigung von Magazin-Forum

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Regierungschef Wen Jiabao kürzlich die Hannover-Messe eröffneten, drehte sich alles um Exportchancen für die deutsche Wirtschaft in China. Doch China ist auch selbst ein mächtiger Exporteur. Gerade die deutschen Produktionsstandorte von Photovoltaik-Anlagen geraten durch die billigere chinesische Konkurrenz derzeit unter Druck – massiv verstärkt durch die Kürzungen der Solarförderung, wie sie Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) planen. Die gesamte Solarbranche ist in Aufruhr. Die deutschen Solarmodul-Fabriken sind von den Kürzungen am stärksten betroffen. Sie fürchten, dass Stromproduzenten, Händler und Installateure wegen des steigenden Kostendrucks bald noch häufiger auf billigere Importware aus China zurückgreifen.

Der weltgrößte Hersteller von Photovoltaik-Modulen, First Solar, schließt bereits sein Werk in Frankfurt/Oder, weil der europäische Solarmarkt ohne Förderung kaum überlebensfähig sei, so Geschäftsführer Christopher Burghardt zum „Focus“. Zwar hat Deutschlands Solarbranche im ersten Quartal 2012 ordentlich Umsatz verzeichnet – doch das ist die Folge von Torschlusspanik. Im Januar und Februar wurden Anlagen mit einer Stromproduktionskapazität von insgesamt rund 700 Megawatt installiert. Nachdem die Bundesregierung ihre Kürzungspläne und den Stichtag 1. April bekannt gab, stieg die Zahl im März auf mehr als 1.100 Megawatt installierte Leistung. Offensichtlich gaben viele Investoren ordentlich Gas, um die bis Ende März geltenden Förderbedingungen noch mitzunehmen und sich so eine vernünftige Rendite ihrer Solaranlage zu sichern.

Denn wenn in den kommenden Tagen der Bundesrat die geplante Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) absegnen sollte, dann könnte es mit genau dieser Rendite in Zukunft deutlich schlechter aussehen. Gerade die ostdeutschen Bundesländer spielen eine wichtige Rolle in der gegenwärtigen politischen Diskussion, weil neben First Solar noch weitere Solarmarken im Ostdeutschland produzieren, darunter Solarworld, Aleo und Conergy. Experten erwarten daher, dass die Ost-Bundesländer die bereits vom Bundestag abgesegnete Gesetzesvorlage der Regierung am 11. Mai im Bundesrat verhindern und weitere Zugeständnisse erreichen wollen. „Was vorliegt, ist für uns nicht akzeptabel“, sagt Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU).

Nicht jedem Dach steht eine Solaranlage. Manch einer versucht es trotz schattiger Gauben und verwinkelter Formen dennoch.

Das EEG fördert die Ökostrom-produktion nicht nur aus Sonnenkraft, sondern aus allen sogenannten erneuerbaren Quellen, also auch Wind- und Wasserkraft, Biomasse (zum Beispiel Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft) und Erdwärme. Insbesondere Wind- und Sonnenkraft erscheinen nahezu unerschöpflich. Und wozu eigentlich die Förderung? Erneuerbare Energie ist unterm Strich immer noch teurer als die klassischen Energieträger, deshalb klappt der Ausbau noch nicht ohne Nachhilfe.

Die geht so: Flossen früher eine Menge Steuergelder beispielsweise in den Ausbau der Atomenergie oder in den Steinkohlebergbau, auch an der Saar, werden heute die Energieversorger per EEG verpflichtet, den Erzeugern von Ökostrom für einen bestimmten Zeitraum einen bestimmten Mindestpreis zu zahlen, die Einspeisevergütung. So wird es für Investoren leicht auszurechnen, ob sich Anschaffung und Betrieb ihrer Anlage rentieren. Und es ist für den Stromkunden transparent, im Gegensatz etwa zur Atomsubventionierung. Doch dieses direkte Einpreisen ist auch gleichzeitig der Nachteil des EEG: Weil der Strompreis durch die fossilen Energiequellen ohnehin ständig steigt, ist ein weiterer preistreibender Faktor natürlich bei Wirtschaft und Verbrauchern nicht gerne gesehen.

Und genau deshalb muss das EEG von vorneherein an die sinkenden Stromproduktionskosten moderner Anlagen angepasst werden: Die Fördermittel sollen immer gerade nur so hoch sein, dass Investoren Planungssicherheit haben und eine gewisse Rendite erwarten dürfen. Wenn jedoch die Förderung und damit die Gewinnerwartung zu hoch sind, steigt der Ausbau schneller, als die Preise neuer Anlagen sinken. Und das würde den Strompreis über Gebühr in die Höhe treiben. Genau das gibt Wirtschaftsminister Rösler jetzt als Grund vor. Und weil die Photovoltaik unter allen regenerativen Energiequellen die höchste Förderquote erhält, dreht er genau hier den Hahn zu. Im Jahr 2011 floss nämlich über die Hälfte der Mittel aus dem EEG in Solaranlagen. Gleichzeitig erreichten sie aber nur einen Anteil von 15 Prozent an der gesamten Ökostromerzeugung. Windkraftanlagen dagegen lieferten im gleichen Jahr 40 Prozent, brauchten aber nur 12,5 Prozent der EEG-Mittel.

Denn unterschiedliche Energiequellen werden ganz unterschiedlich gefördert. Windräder beispielsweise erwirtschaften im Verhältnis zu ihren Kosten viel Energie und beanspruchen daher relativ wenig Fördermittel. Für Strom aus Windkraftanlagen auf dem Festland muss der lokale Energieversorger laut EEG maximal 9,2 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zahlen. Offshore-Anlagen im Meer werden allerdings mit bis zu 19 Cent gefördert. Für Strom aus Wasserkraft werden den Energieversorgern derzeit Preise bis zu 12,67 Cent vorgeschrieben. Für Biogas-Anlagen sind maximal neun Cent fällig. Geothermische Anlagen (Tiefenwärme) erhalten bis zu 20 Cent pro kWh. Und Solarstromanlagen sind bisher die Spitzenreiter: Anfang des Jahres wurde der Strom noch mit bis zu 24,43 Cent vergütet. Und zwar auf 20 Jahre für die gesamte produzierte Strommenge.

Die geplante Kürzung setzt nun genau beim Solarstrom an: Seit April gibt es für den Strom der kleinen Hausdachanlage nur noch 19,50 Cent, und dieser Garantiepreis gilt nur noch für 80 Prozent des produzierten Stroms. Und Monat für Monat sollen neu installierte Anlagen zu einem niedrigeren Abnahme-Preis ins Netz einspeisen. Die Solarwirtschaft fürchtet nun, dass die Förderung wesentlich schneller sinkt, als der Marktpreis für Solarstromanlagen. Das Aus für den Solarstandort Deutschland? Niels Schäfer von „Sonnenplan“, dem größten saarländischen Solaranlagenbauer, sagt: „Seit dem ersten April ist das Interesse an neuen Solaranlagen deutlich eingebrochen.“ Die Kunden seien verunsichert und schlecht informiert, doch nach wie vor lohne sich eine Solaranlage, so Schäfer.

Solche Großflächen-Solarstromanlagen werden durch die geplante EEG-Novelle unattraktiver.

Wenn die Kürzung rückwirkend zum 1. April in Kraft trete, profitierten die Billigprodukte aus China davon, fürchtet Elektroingenieur Jörg Thome aus Schmelz, der Anlagen der Firma „Solarworld“ plant und installiert.
Thome: „Deutsche Hochleistungsmodule werden die großen Verlierer sein.“ Dennoch empfielt er, auf Qualität „made in Germany“ zu setzen. Gerade kleinere Anlagen bis 10 Kilowatt installierte Spitzenleistung blieben auch mit 19,50 Cent Einspeisevergütung rentabel, versichert er.

Doch die Solar-Experten Schäfer und Thome befürchten beide: „Die Gesetzesänderung wird den Aufschwung der Erneuerbaren Energien deutlich abbremsen.“