EU-Kommission prüft Befreiung von Netzentgelten

Beschwerden riefen Kommission auf den Plan

Die Europäische Kommission nimmt die Befreiung großer Stromverbraucher von Netzentgelten in Deutschland unter die Lupe, so eine Erklärung aus Brüssel. Mit einer am 06.03.2013 eingeleiteten eingehenden Prüfung untersuche sie, ob diese Befreiung eine staatliche Beihilfe darstellt. Sollte dies der Fall sein, werde die Kommission prüfen, ob die Befreiung zu übermäßigen Wettbewerbsverzerrungen in der EU führen könnte oder ob sie gerechtfertigt werden kann. Die Einleitung des Prüfverfahrens lasse keine Rückschlüsse auf das Ergebnis der Untersuchung zu. Deutschland und Dritte erhielten dadurch Gelegenheit, sich zu der untersuchten Maßnahme zu äußern.

Seit 2011 sind große Stromverbraucher gesetzlich nach Paragraph 19 der deutschen Stromnetzentgeltverordnung von Netzentgelten befreit. Schätzungen zufolge entfielen 2012 dadurch  Entgelte von rund 300 Millionen Euro, die seit 2012 über die sogenannte Paragraf-19-Umlage durch die Letztverbraucher finanziert werden. Seit Dezember 2011 seien bei der Kommission mehrere Beschwerden von Verbraucherverbänden, Energieunternehmen und Bürgern eingegangen, die diese Befreiung als rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe kritisierten.

OLG Düsseldorf pfeift Netzagentur zurück

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die von der Bundesnetzagentur getroffene Festlegung am 06.03.2013 für rechtswidrig erklärt, weil ihr die Rechtsgrundlage fehle. Nach Auffassung des Gerichts seien bereits die 2011 vorgenommenen Änderungen des § 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) verfassungswidrig und damit nichtig. Die Richter appellierten in der Verhandlung an den Gesetzgeber, die Rückabwicklung der Netzentgeltbefreiung nun „sauber“ gesetzlich zu regeln, um der Verantwortung für die fehlerhafte Regelung gerecht zu werden. Die Bundesnetzagentur kann gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Düsseldorf Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen. (nach VKU)

Wettbewerbsverzerrung möglich

Die Kommission sei beim gegenwärtigen Stand der Auffassung, dass es sich bei der Paragraf-19-Umlage um staatliche Mittel handeln könnte und dass die Befreiung den Begünstigten einen selektiven Vorteil gegenüber Wettbewerbern in anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen scheine. Auf diese Weise könne der Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verzerrt werden.

Die Kommission werde gleichzeitig sorgfältig prüfen, ob die Befreiung durch ein Ziel von gemeinsamem Interesse gerechtfertigt werden könne und, wenn dem so sei, ob dies die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb aufwiegen könnte. Ferner werde die Kommission genau untersuchen, ob die Befreiung bereits 2011, als noch keine Paragraf-19-Umlage erhoben wurde, aus staatlichen Mitteln finanziert wurde.

Auch VKU hat Bedenken gegen Befreiungen

Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hält es für „bedenklich, dass die steigenden Kosten für den Umbau des Energiesystems auf immer weniger Schultern verteilt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung. VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck: „Die Investitionen für die nachhaltigkeitsgerechte Umstrukturierung des Energiesystems müssen gerecht verteilt werden. Wirtschaftspolitisch motivierte Entlastungen für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, durch die anderen Energieverbraucher bezahlen zu lassen, ist nicht gerecht.“ Vor dem Hintergrund, dass
industrielle Verbraucher durch ihre Lastverhalten Netze stabilisieren können, sei es zwar verständlich, dass dafür eine Gegenleistung erwartet werde. „Dass diese Gegenleistung die Netznutzung zum Nulltarif sein soll, ist allerdings nicht nachvollziehbar und dem Endverbraucher nicht zu vermitteln.

Merkel soll schnell prüfen

Nun sollte die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigte Überprüfung ungerechtfertigter Privilegierungen rasch abgeschlossen und vom Gesetzgeber umgehend umgesetzt werden, um den Stadtwerken zu ermöglichen, die Energiepreise für Haushaltskunden und mittelständische Wirtschaft zeitnah anzupassen“, so Reck.
->Quelle: ec.europa.eu; vku.de