CO2: Autos gehen vor Klima

Deutschland am Umweltpranger

„Erfolgreiche Lobbyarbeit – wie die Autoindustrie sich in Berlin und Brüssel durchsetzt“ titelte die FAZ, und, in der Tat, die Bundeskanzlerin war „der Autolobby zu Diensten“ (Die Zeit). Angela Merkel hatte sich persönlich dafür eingesetzt, eine europäische Regelung über schärfere CO2-Grenzwerte für Autos in letzter Minute vorerst unter den Tisch fallen zu lassen. Vor allem die deutschen Premiumhersteller wären durch die strengeren CO2-Werte belastet worden. Als letztes Mittel rief sie den EU-Ratspräsidenten persönlich an: Er sollte die Abstimmung von der Tagesordnung der Botschaftersitzung nehmen – eher ein Mittel der Hinterzimmer-Politik, um deutsche Autohersteller zu schützen. Erfolgreich (wie immer man das definiert): Die Abstimmung wurde verschoben. Ein Anruf am Abend genügte und schon kann die deutsche Automobilindustrie dank Angela Merkel erst einmal aufatmen.

„Wir haben uns in der Tat dafür eingesetzt, dass die Abstimmung im COREPER nicht stattgefunden hat“, erklärte sie später in einer Pressekonferenz. „Wir haben die Ergebnisse der Verhandlungen sehr kurzfristig bekommen. Es geht hier um die Gemeinsamkeit von umweltpolitischen Zielen und von industriepolitischen Zielen. Da geht es auch um Beschäftigung. Deshalb brauchen wir Zeit, um das Ganze zu prüfen und zu bewerten und um zu überlegen, was wir dann tun. Um diese Zeit haben wir gebeten, deshalb hat die Abstimmung nicht stattgefunden.“

Die ‚Gemeinsamkeit von umweltpolitischen und industriepolitischen Zielen‘ sieht so aus, dass im Zweifelsfall die Umwelt immer zurückstehen muss – wie lange noch? – fragt Solarify. Umweltschützer und Opposition werfen der Kanzlerin jedenfalls vor, auf Druck der Automobilindustrie den Klimaschutz zu opfern.

Am 27.06.2013 hätte eigentlich der Ausschuss der Botschafter der 27 EU-Staaten über den am 24.07.2013 in Brüssel erzielten Kompromiss der Verhandler der EU-Länder und des Parlaments über die umkämpften neuen CO2-Auflagen für Autos abstimmen sollen. Doch Deutschland drängte gemeinsam mit anderen Staaten auf eine Verschiebung der Abstimmung, die den Kompromiss bestätigt hätte. Demnach sollte die CO2-Höchstgrenze für den Durchschnitt der Flotten jeder Automarke zwischen 2015 und 2020 von 120 auf 95 Gramm sinken. Bis 2025 sollten die Grenzen noch enger werden. Waren schon diese Zahlen ein Kompromiss, ginden sie den deutschen Herstellern schwerer Limousinen doch zu weit – allen voran der Bundeskanzlerin: „Ich finde, in einer Zeit, in der wir hier tagelang sitzen und über Beschäftigung sprechen, müssen wir – bei allen Notwendigkeiten, im Umweltschutz voranzukommen – auch darauf achten, dass wir uns nicht unsere eigene industrielle Basis schwächen.“

Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter sagte, es sei völlig richtig, dass sich die Kanzlerin persönlich für die Interessen der deutschen Autobauer einsetze; die Bundesregierung sei „nicht nur für Klimaschutz-Ziele zuständig, sie ist natürlich auch zuständig für den Erhalt des Wirtschaftstandorts Deutschland“. Nun werde es voraussichtlich im Herbst Nachverhandlungen mit Brüssel geben. Streiter bestätigte, dass Merkel und Wirtschaftsminister Rösler in Brüssel „auf verschiedenen Kanälen“ Deutschlands vorläufiges Nein deutlich gemacht hätten. Es sei aber kein Alleingang der Kanzlerin gewesen: „Das ist ja keine One-Woman-Show.“ Der mitzuständige Umweltminister Altmaier spielte keine aktive Rolle: „Es geht ja hier auch um Autos“, so Streiter.
->Quelle(n): faz.net; zeit.de; welt.de; bundeskanzlerin.de; zeit.de; proplanta.de; europa.eu; deutsche-wirtschafts-nachrichten.de