„Wir hätten die Euphorie besser nutzen müssen“

Sie selbst haben das Wort „alternativlos“ auch schon benutzt.

Ja, nach dem GAU in Tschernobyl, als ich Umweltminister war. Da gab es keine Alternative zur Kernenergie, weil wir erneuerbare Energien noch nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung hatten. Damals konnte man nicht einmal daran denken, dass alternative Energien, dass Wind und Sonne, Geothermie, Biomasse und Wasserversorgung einmal die Energieversorgung eines industriell so geprägten Landes wie der Bundesrepublik Deutschland übernehmen könnten. Massive Investitionen in Forschung und Entwicklung in diese alternativen Energie sowie die Sicherung der Absatzmärkte für diese Energien haben diese Alternativlosigkeit überwunden.

Deutschland war schon immer Vorreiter, nicht erst jetzt zur Energiewende.

Auch bei der Kreislaufwirtschaft sind die ersten konkreten Maßnahmen in Deutschland politisch durchgesetzt worden. Gleiches gilt für eine saubere Nutzung der Kohle durch Rauchgasentschwefelung, Entstickung und moderne Filtertechnologien. Am Ende des Tages war nach meiner Kenntnis jede umweltpolitische Vorreiterposition immer gut geeignet, wettbewerbliche Vorteile zu schaffen. Wenn ein technologisch führendes Land wie Deutschland immer wartet, bis der letzte mitgeht, verschenken wir einen entscheidenden Standortvorteil.

Und genauso ist es jetzt bei der Energiewende?

Wer sagt, mit Solar- und Windenergie schaffen wir das nicht, der sollte sich die Argumente sehr genau überlegen. Die technologische Entwicklung für die Nutzung der Sonne und des Windes für die Stromerzeugung ist massiv vorangegangen, die spezifischen Kosten entsprechend gesunken. Entscheidend ist nun, diese diskontinuierlich geernteten Strommengen aus den alternativen Quellen in den Strommarkt so einzuspeisen, dass stets die Stabilität der Stromversorgung gewährleistet ist, ein „Blackout“ also sicher vermieden werden kann. Die Bewältigung dieser Situationen sind technische Herausforderungen, und sie kosten sicherlich auch Geld.

Bundesumweltminister Peter Altmaier nannte die Zahl 1 Billion Euro.

Diese gewaltige Zahl ist bei uns in Deutschland, vor allem aber auch international, als ein Hinweis auf das Scheitern der Energiewende interpretiert worden. Leider bleibt in der Argumentation des Bundesumweltministers der Fokus allein auf die Kosten gerichtet, nicht auf die Erträge. In Deutschland geben wir pro Jahr etwa 200 Milliarden Euro für Energie aus. Nicht nur für Strom, wohlgemerkt. Aber bereits gegenwärtig ersetzen wird durch die erneuerbaren Energien Importe von klassischen Energieträgern. Deutschland schafft mit diesen Investitionen die modernste Strominfrastruktur weltweit. Es können von diesem Land die Techniken auf den Weltmarkt gehen, die dringend gebraucht werden, um Energie für 9 Milliarden Menschen sicher zu erzeugen.

Was denken denn Sie persönlich: Wie sieht es 2042 aus?

Ich schaue mal 30 Jahre zurück: Was hat sich in dieser Zeit alles an technologische Möglichkeiten entwickelt? Ich glaube, wir sind auch da viel zu statisch. Wir werden sehen, dass etwa die Erzeugungskosten von Sonnen- und Windstrom noch deutlich geringer werden, dass neue Speichertechnologien verfügbar sein werden, von „Power to Gas“ bis hin zu E-Mobilität, dass wir erneuerbare Energien in Bereichen gewinnen werden, an die wir jetzt noch gar nicht denken. Wir werden sehr viel stärker Geothermie als Energiequelle nutzen.