„Wir hätten die Euphorie besser nutzen müssen“

Wie sehr schaut die Welt bei der Energiewende auf Deutschland?

Zunächst einmal habe ich international eine wachsende Überraschung darüber bemerkt, dass die Deutschen zögerlich werden in der Überzeugung, dass die Energiewende selbstverständlich gelingt. Deutschland hat nach wie vor den Ruf, dass das, was man sich vornimmt auch organisiert und verlässlich umgesetzt wird. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass Deutschland die Energiewende aus Panik heraus entschieden hat und erst hinterher feststellt, wie schwer diese zu realisieren ist. Diese Zögerlichkeit ist mit dem Image, das wir haben, nicht in Einklang zu bringen.

Viele Deutsche würden sich wahrscheinlich wirklich wünschen, dass es langsamer voran geht.

Verlangsamen heißt, Investitionssicherheit in Frage zu stellen und damit die Voraussetzung für ein Gelingen dieser großen Aufgabe selbst zu schwächen. Wenn der Ausbau der alternativen Energien verlangsamt wird, dann werden die alten Energieerzeugungstechniken länger genutzt oder durch neue Investitionen auf lange Zeit festgeschrieben. Die verlässliche Umsetzung der Energiewende verlangt, die objektiven Schwierigkeiten zu benennen, aber auch die Lösungswege aufzuzeigen zu deren Bewältigung. Politik kann sich nicht in der Kennzeichnung der Schwierigkeiten erschöpfen.

Die finanzielle Belastung kann aber auch nicht einfach unter den Tisch fallen lassen.

Nochmals: Die Energiewende erfordert Investitionen und verursacht Kosten. Diese durch technischen Fortschritt und intelligente Marktsteuerung soweit wie möglich zu vermindern, ist ein ökonomisches Gebot. Ebenso wichtig ist es, diese Kosten fair zu verteilen. Die erneuerbaren Energien haben eine kaum erwartete Kostensenkung durchlaufen. Von daher gesehen gibt es im Ausland fast schon eine überschwängliche Freude darüber, dass sich Deutschland vornimmt, die erneuerbaren Energien so preiswert zu gewinnen, dass dieses Land ohne Kernenergie und mit immer weniger fossilen Energieträgern auskommen kann – und Deutschland ein Land bleibt, das auf Dauer wirtschaftlich stark und exportorientiert ist. Es gibt die Vorfreude darauf, dass neue Energietechniken marktreif und damit wettbewerbsfähig und bezahlbar werden, so dass andere Länder ihren Entwicklungsprozess nachhaltig darauf aufbauen können.

Kann man denn alle Länder an dieser Entwicklung beteiligen?

Wenn Ban Ki-moon sagt, dass nachhaltige Energie für alle bis 2030 verfügbar sein soll, das ist schon in zwanzig Jahren, dann frage ich mich: Woher bekommen wir diese Energie, damit im Jahre 2030 knapp 8 Milliarden Menschen mit nachhaltiger Energie versorgt werden können? Schon jetzt haben deutlich über 1,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu modernen Energieformen. In Kenia, wo ich gelebt habe, sind es nur zehn Prozent der Menschen, und der Zugang ist nicht einmal gesichert. Das ist also schon eine Frage, die man ernst nehmen muss.

Für die die Entwicklung in Deutschland eine wichtige Rolle spielt?

Auf jeden Fall. Deutschland hat mit seiner Entscheidung massiv die Erwartung genährt, dass so eine Entwicklung hin zu nachhaltigen Energieformen machbar ist. Da kann man dann natürlich sagen, na ja, das sind die Reichen, die können sich so was leisten. Deswegen ist der nächste Punkt nicht nur der, ob wir es uns leisten können, sondern wie wir erneuerbare Energien so preiswert erzeugen können, dass sich diese Energien auch andere leisten können.

Das Interview führte Jan Schweitzer. Es ist eine gekürzte Version eines Gesprächs mit Klaus Töpfer in:
future lab germany – innovationen für die welt von morgen
Hrsg: Lutz Engelke, Günther Bachmann
erschienen im Juli 2013 im Murman Verlag, Hamburg
296 Seiten, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-86774-270-2
->Quelle: nachhaltigkeitsrat.de