Gestatten, Energiewende

Workshop IV
„Energy Bill Revolution“ – Wie kommen wir zu bezahlbaren Strompreisen? Was hilft den Verbrauchern?

In Großbritannien zielt die Kampagne „Energy Bill Revolution“ darauf ab, Staatseinnahmen aus dem europäische Emissionshandel und der britischen CO2-Steuer für Energieeffizienzmaßnahmen bei einkommensschwachen Haushalten aufzuwenden. Vor ähnlichen Fragen stehen wir in Deutschland auch: Verschärfen energetische Sanierungen soziale Schieflagen auf dem Wohnungsmarkt? Sind stromsparende Elektrogeräte ein Luxusgut? Fakt ist: Die Energiekosten steigen gera-de bei Verbrauchern mit geringem Einkommen überproportional. Wer ist eigentlich der (soziale) Gewinner und wer der Verlierer der Energiewende? Und braucht Deutschland auch eine „Energy Bill Revolution“?

Strompreisdiskussion erweitern – Die Diskussion um die Strompreise lenkt nach Auffassung einiger Teilnehmer des Workshops vom eigentlichen Problem ab: Eine umfassende Diskussion um Energiepreise ist nötig. Strom macht nur den geringeren Teil der Energiekosten eines Haushalts aus; der größte sind die Heizkosten (in Deutschland ca. 64%). Nichtsdestotrotz sprachen sich ver-schiedene Experten dafür aus, die Kosten der Energiewende in Zukunft wieder gerechter gesell-schaftlich zu verteilen und sowohl die Offshore-Risiko-Absicherungs-Umlage als auch die Befrei-ungen bei den Netzentgelten und der EEG-Umlage konsequent zu begrenzen.

Hohe Energiepreise durch Import-Abhängigkeiten – Bei den Energiepreisen zeigt sich exem-plarisch die Gefahr der Abhängigkeit von Importen und – in der Zukunft – der Endlichkeit fossiler Energiequellen. Bereits jetzt fallen in Deutschland 13,8 % der Haushalte unter den Begriff der ‚Energiearmut‘ (das sind Haushalte, die mehr als 10% ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen) – Tendenz steigend. Am Beispiel Großbritanniens zeigt sich, wie sehr steigende Energie-preise (dort um 10% / Jahr) gesellschaftlich destabilisierende Folgen haben können.

Energiearmut erfordert ein breites Maßnahmenbündel: Rund 16 Mio. Menschen sind in Deutschland von Energiearmut bedroht (darunter Leistungsempfänger aber auch Stundent_Innen, Azubis, Geringverdiener, Rentner_Innen unterhalb der Grundsicherung). Neben der Anpassung von Regelsätzen und Wohngeld wurden im Workshop als nachhaltige Maßnahmen insbesondere der Ausbau von Anreizsystemen und Beratungsstrukturen zum Energiesparen diskutiert. Als Beispiele wurden genannt das Micro-Contracting für Energieeffizienzmaßnahmen in privaten Haushalten bzw. Wohngebäuden, das im Industriebereich bereits gängige Praxis ist, finanzielle Anreize für die Anschaffung effizienter Geräte sowie steuerliche Anreize für Investitionen in Energieeffizienz. Bei all diesen Maßnahmen kommt es aber insbesondere darauf an, dass sie in Zukunft aus dem Status einzelner best-practice-Modelle in die breite gesellschaftliche Fläche überführt werden.

Gegenmaßnahmen vorgeschlagen – Die vom internationalen think tank E3G für Großbritannien vorgeschlagene „Energy Bill Revolution“ versucht, die der schlechten Dämmung der meisten Hä-ser und ihrer Einfachverglasung geschuldete Energieverschwendung zu bekämpfen. Die Kampag-ne schlägt vor, Einnahmen aus CO2-Steuern (4,8 Mrd. €/Jahr) nicht dem Staatshaushalt zuzu-schreiben, sondern gezielt in Dämm-Maßnahmen zu investieren. Die Initiative stößt auf breite gesellschaftliche Akzeptanz und auf Zustimmung durch die wesentlichen britischen Parteien. Man rechnet mit deutlichen Profiten in der Wirtschaft und neuen Arbeitsplätzen in der Sanierungsbranche.

Neue Dämmtechniken noch zu wenig bekannt – Die Strompreisdiskussion in Deutschland darf die Energiewende insgesamt nicht diskreditieren. Besonders im Bereich der Wärmedämmung bie-ten Industrie und Mittelstand ein erhebliches Innovationspotential. Das Wissen auf Seiten von Fachleuten und besonders auf Seiten sanierungswilliger Bauherren um neue Techniken der Däm-mung von Bestandsgebäuden ist noch unzureichend und sollte mittels Anreizen ausgebaut werden. Dies könnte neuen Schub bei der Wärmedämmung erzeugen.

Gesellschaftliche Veränderungen aktiv gestalten – Die Energiewende in Deutschland hat nicht nur strukturelle, sondern auch individuelle Veränderungen zur Folge. Allerdings sind solche Verhaltensänderungen besonders schwer zu erzielen – Strom- und Heizkostensparen sind noch nicht genügend verbreitet als wichtige Bausteine zu einer funktionierenden und preiswerten Energiever-sorgung. Die Verbraucher machen trotz medialer Aufklärung noch zu wenig Gebrauch von Wech-selmöglichkeiten der Versorger. Verbrauchsabrechnung in kurzen, etwa monatlichen Abständen, könnten das Kostenbewusstsein signifikant erhöhen. Darüber hinaus sollte die Kennzeichnung von Geräten und Produkten weiterentwickelt und die Marktüberwachung verbessert werden.

Emissionshandel wiederbeleben – Der Workshop sprach sich dafür aus, den europäischen Emissionshandel über die Verringerung der Zertifikate und die Erhöhung ihrer Preise wieder zu beleben und als Steuerungselement zu nutzen.

EU-Binnenmarkt auch für Verbraucher nutzen – Bislang steht beim Strom der EU-Binnenmarkt nur Großverbrauchern zu Verfügung. Börsenzugänge sind Individualverbrauchern nicht möglich. Anzudenken wären Energie-Einkaufsgenossenschaften, welche die Vorteile des Stromhandels über die Strombörse wahrnehmen und weitergeben können.
Energiemarkt umbauen: Umstritten war in der Diskussion, inwieweit der Umbau der Energiemärkte, um flexibles Verbrauchsverhalten, Eigenproduktion- und Verbrauch sowie Speicher angemessen zu honorieren, zur erfolgreichen Realisierung der Energiewende beitragen kann. Insbesondere vor dem Hintergrund stetiger Energiebedürfnisse großer Unternehmen, wurde die Praktikabilität entsprechender Strategien kontrovers diskutiert.

Regionale Initiativen bieten Chancen – Besonders regionale Energieagenturen können beim Energiesparen durch Information und durch Praxisbeispiele helfen. Gute Beispiele für zielgruppenspezifische Ansprachen finden sich in NRW und in Baden-Württemberg.
->Folgt: Workshop V – Bürgerbeteiligung – Die Energiewende, umso schneller, umso besser?