Gestatten, Energiewende

Workshop V
Bürgerbeteiligung – Die Energiewende, umso schneller, umso besser?

Aus dem windreichen Norden muss der (Offshore-) Windstrom in die verbrauchstarken Zentren im Süden. Die entsprechenden Leitungen müssen zügige ausgebaut werden, um Versorgungssi-cherheit zu gewährleisten. Steht der Zeitdruck aber nicht im Widerspruch zu dem Anspruch nach einem transparenten Beteiligungsprozess, der Veränderung der Planung noch zulässt? Wie kann der mögliche Zielkonflikt zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit aufgelöst werden?

Elemente der Direktentscheidung bundesweit voranbringen – Der Teilnehmer_Innen des Workshops halten bundesweit gleichermaßen gültige Mechanismen direkter Bürgerbeteiligung für wünschenswert. Bislang sind solche Möglichkeiten von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Bundesweite Regelungen könnten signalisieren, dass aktive Teilnahme an Willens-bildungsprozessen bei infrastrukturellen Großprojekten erwünscht ist.

Rolle der Parlamente nicht beschädigen – Die Ergänzung der üblichen Planungs- und Entschei-dungswege durch plebiszitäre Elemente darf nicht zu einer Schwächung der parlamentarischen Zuständigkeiten und Mandate führen. Letztentscheidungen müssen von den auf den jeweiligen politischen Ebenen Gewählten getroffen werden. Allerdings fördert ein Engagement in Initiativen auch verstärkt politisches Interesse und Partizipation.

Möglichst frühe Bürgerbeteiligung bei Großprojekten – Betroffene sollten möglichst früh – noch zum Zeitpunkt von Raumordnungsverfahren – in die planerischen Überlegungen einbezogen werden. Frühzeitige Kommunikation und permanente Transparenz im Laufe der weiteren planerischen Prozesse spielen Schlüsselrollen im Dialog mit dem Bürger.

Über Mitgestaltungsmöglichkeiten informieren – Bürger_Innen gehen vielfach von falschen Erwartungen aus, was ihre direkten Möglichkeiten der Mitgestaltung und besonders der Entscheidung angeht. Hier sollte frühzeitig realistisch aufgeklärt werden, um Missverständnis-se zu vermeiden. Neben formeller kann der Einsatz informeller Beteiligungsmöglichkeiten, vor allem bei beschlossenen Projekten, einen zielführenden Dialog herbeiführen. Dabei ist Grundvoraussetzung, dass die Zielsetzung des Beteiligungsprozesses konstruktiv verfolgt wird, und weder durch Komplettverweigerer noch durch politische Entscheidungshoheit dominiert wird.

„Zufallsbürger_Innen“ einbeziehen – Die Einbeziehung von sogenannten „Zufallsbürger_Innen“ in konzeptionelle Prozesse stellt sich als erfolgreich heraus. So seien da-durch beispielsweise der Frauenanteil erhöht und mehr Jüngere erreicht worden. Bei bildungsfer-neren Schichten in der Bevölkerung sei allerdings eine „aufsuchende Beteiligung“ nötig, um auch sie an politischen Prozessen teilhaben zu lassen. Eine Beteiligung der üblichen Verbände und In-teressensgruppen reicht für moderne Bürgerdialoge nicht aus.

Bürgerbeteiligung nach “Spielregeln“ – Voraussetzungen für erfolgreiche Kommunikation über Großprojekte sind gegenseitiger Respekt, Dialogbereitschaft und Kompromissfähigkeit auf Seiten aller Beteiligten. Die Gespräche müssen ergebnisoffen, transparent und sachlich geführt werden. Projekte sind vielfach schon politisch und emotional aufgeladen; in diesem Fall ist es für Kompromisse meist zu spät. Vollständige Einigkeit am Ende eines Dialogs kann allerdings auch kein Erfolgskriterium sein.

Ökonomische Beteiligung schafft Partizipation – Direkte materielle Beteiligung an Infrastrukturprojekten kann zu erheblichen Akzeptanzgewinnen führen, beispiels-weise bei Windkraftanlagen oder Stromnetzen. Genauso scheint es von Vorteil zu sein, Einnahmen (z.B. Gewerbesteuer) aus solchen Projekten auch an nicht direkt betroffene Nachbarkommunen zu verteilen. „Verlierer“ und „Gewinner“ – auch bei Bürgerbeteiligung – wird es aber auch weiterhin bei Großprojekten geben. Deshalb müssen regionale und lokale Chancen der Projekte frühzeitig kommuniziert werden.

Bundesweite Roadmaps bei Großprojekten – Eine übergreifende Unterstützung von der Bundesebene scheint bei wichtigen Großprojekten, welche Regionen besonders fordern (z.B. Pumpspeicherseen oder Übertragungsnetztrassen), nötig. Das gilt aber auch für kleinere Projekte, die gerne für verzichtbar gehalten werden mit Verweis auf Ersatz an anderer Stelle. Die Erfahrung zeigt: Je kleiner ein Projekt, desto schwieriger seine Begründung.

Lokale Kompensationen ermöglichen – Im rechtlich akzeptablen Rahmen sollten bei großen Infrastrukturprojekten auch Kompensationen erlaubt sein, etwa Kindergärten oder Sportstätten. Hier sollte die Verwaltung Flexibilität zeigen.

Befürworter von Großprojekten aktivieren – Wünschenswert wäre auch, Befürworter von Großprojekten zu motivieren, sich in die Diskussionsprozesse einzubringen. Zwar werde die Protestkultur erfahrungsgemäß überwiegen. Zu einem vollständigen Bild und einer kompetenten Bürgerbeteiligung gehörten aber die Stimmen von allen betroffenen Seiten.
->Quelle:Dokumentation Sommerakademie LV BaWü