DIW Roundup: Kontroverse um Kapazitätsmechanismen

Die Kontroverse um Kapazitätsmechanismen für den deutschen Strommarkt

Die Frage der Versorgungssicherheit in liberalisierten Strommärkten wird bereits seit vielen Jahren diskutiert. In Deutschland gibt es – abgesehen von netzbedingten Knappheiten in Süddeutschland – derzeit ausreichende Erzeugungskapazitäten; die mittelfristige Entwicklung des Kraftwerksparks im Kontext der Energiewende ist jedoch unsicher. Vor diesem Hintergrund hat sich eine kontroverse Debatte über die Notwendigkeit und die Ausgestaltung von Mechanismen zur Sicherstellung eines adäquaten Kapazitätsniveaus entwickelt. In der Studie des DIW Berlin diskutieren Wolf-Peter Schill und Jochen Diekmann umfassende sowie selektive zentrale Kapazitätsmärkte, dezentrale Leistungsmärkte und eine Strategische Reserve. Diese Vorschläge werden kurz vorgestellt und anhand wichtiger Unterscheidungskriterien voneinander abgegrenzt. Eine Bewertung der vorliegenden Konzepte hängt von vielfältigen Kriterien und den zugrunde liegenden Prämissen ab.

Grundsätzliche Argumente und Kontext der Energiewende

Die Frage, ob liberalisierte Strommärkte in ausreichendem Maße eine sichere Versorgung gewährleisten können, wird seit vielen Jahren diskutiert. Auf Großhandelsmärkten für Strom werden im Wesentlichen nur Energiemengen gehandelt (Energy-Only). Ob zu jeder Zeit die gesamte Nachfrage gedeckt werden kann, hängt allerdings wesentlich von den vorhandenen Kraftwerkskapazitäten ab. In der Theorie stellen sich unter idealisierten Annahmen zeitweise hohe Knappheitspreise ein, durch die auch selten benötigte Kapazitäten (Spitzenlastkraftwerke) ausreichende Erlöse zur Deckung ihrer Vollkosten erwirtschaften können. Es ist jedoch umstritten, ob solche Investitionssignale in der Praxis ausreichen um ein adäquates Kapazitätsniveau zu gewährleisten.

Bereits die Erwartung von Preisobergrenzen oder anderen regulatorischen Eingriffen kann – gemeinsam mit einer nicht hinreichend preiselastischen Nachfrage – dazu führen, dass Marktakteure keine ausreichenden Anreize für Investitionen in Spitzenlastkraftwerke haben. In der akademischen Literatur wird diese Thematik als revenue adequacy problem oder missing money problem bezeichnet.
Folgt: Deutschland: Abgesehen von Netzreserve für süddeutschen Raum bisher kein Kapazitätsmechanismus