Deutschland: Abgesehen von Netzreserve für süddeutschen Raum bisher kein Kapazitätsmechanismus
Diese grundsätzlichen Erwägungen haben in einer Reihe von Ländern zur Einführung verschiedener Mechanismen zur Bereitstellung und Vergütung von gesicherter Erzeugungsleistung geführt, wobei einer Studie der TU Berlin zufolge unterschiedliche Erfahrungen gemacht wurden. In Deutschland gibt es abgesehen von einer Netzreserve für den süddeutschen Raum bisher keinen Kapazitätsmechanismus. Dies liegt auch daran, dass vor der 1998 erfolgten Liberalisierung des deutschen Strommarkts erhebliche Überkapazitäten vorhanden waren, die zum großen Teil auch derzeit noch bestehen.
Im Kontext der Energiewende, die einen vollständigen Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr 2022 und eine stark zunehmende Nutzung fluktuierender erneuerbarer Energien vorsieht, hat die Frage der Einführung von Kapazitätsmechanismen in der politischen Debatte stark an Bedeutung gewonnen. Die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geförderte Stromeinspeisung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen, die sehr geringe variable Kosten aufweisen, senkt in vielen Stunden des Jahres die von den übrigen Stromerzeugern zu deckende verbleibende Nachfrage (Residuallast). Dadurch sind in den letzten Jahren die Auslastungen (Volllaststunden) konventioneller Kraftwerke und die durchschnittlichen Strompreise deutlich gesunken. Gleichzeitig wird weiterhin eine hohe gesicherte Erzeugungsleistung benötigt, da die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik in den Zeiten der höchsten Stromnachfrage sehr gering ausfallen kann.
Bis 2018 kein Mangel an gesicherter Stromerzeugungskapazität
Kurzfristig besteht in Deutschland noch kein Mangel an gesicherter Stromerzeugungskapazität. Laut Bundesnetzagentur ist bis 2018 mit einem Zubau von Kraftwerkskapazitäten von 10,9 GW und einem Rückbau von 9,9 GW zu rechnen, so dass sich im Saldo ein Zubau von knapp einem GW ergibt. Die Übertragungsnetzbetreiber errechnen in ihrer aktuellen Leistungsbilanz, dass alleine schon die gesicherte inländische Erzeugungsleistung die angenommene Höchstlast im Jahr 2013 um 5,5 GW übersteigt. Bis 2016 steigt dieser Wert auf 11,7 GW. Unter Berücksichtigung gesicherter Leistung im Ausland liegen die Werte noch einmal um knapp zwei GW höher.
Weitergehende Prognosen sind mit zunehmenden Unsicherheiten behaftet, sowohl was die Realisierung neuer als auch den Weiterbetrieb bestehender Kraftwerke betrifft. Nach der aktuellen Kraftwerksliste des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ergibt sich im Jahr 2023, in dem alle Atomkraftwerke vom Netz gegangen sein werden, eine erhebliche Spannbreite der Gesamtleistung konventioneller Kraftwerke von 73,6 bis 97,9 GW, verglichen mit einem Wert von ungefähr 91 GW im Jahr 2012. Eine Studie von Kunz u.a. geht von einem Kapazitätsüberschuss von knapp 8 GW im Jahr 2020 und einer nahezu ausgeglichenen Leistungsbilanz im Jahr 2023 aus.
Folgt: Unterschiedliche Kapazitätsmechanismen diskutiert