Deutsche PV ist mehr als Zell- und Modulproduktion

Kommentar von Sandra Enkhardt

Manchmal kann man sich nur wundern. Das Bundeswirtschaftsministerium kann auf eine Anfrage der Linkspartei nicht herausfinden, wie viele Solarzellen- und Solarmodulproduzenten es noch in Deutschland gibt. Dabei hätte eine einfache Frage an das Statistische Bundesamt genügt. Beim Spiegel hingegen ist die deutsche Solarindustrie „fast tot“. Dass es bei der Photovoltaik noch viel mehr Wertschöpfung hinter dem reinen Produzieren gibt, scheint beiden egal zu sein.

Es ist schon sehr erstaunlich, dass ein zuständiges Ministerium nicht die Zahl der Unternehmen, die in Deutschland Solarzellen und Solarmodule produzieren, beziffern kann. Dabei ging es der Linken-Abgeordneten Caren Lay in ihrer Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium nicht einmal um aktuelle Zahlen, sondern um Daten von 2011 bis 2013.

pv magazine erhielt vom Statistischen Bundesamt auf eine entsprechende Anfrage die Zahlen postwendend. So ist die Zahl der Photovoltaik-Unternehmen, die Solarzellen und Solarmodule in Deutschland herstellen seit Anfang 2012 von 33 auf 19 bis Ende vergangenen Jahres gesunken. Selbst für 2014 hat das Statistische Bundesamt bereits vorläufige Zahlen. Bis zum Juli ist die Zahl der Solarmodul- und Solarzellenhersteller in Deutschland auf 13 gesunken mit gerade einmal noch 2867 Mitarbeitern. Mehr als 10.000 Menschen arbeiteten noch zu Beginn des Jahres 2012 in diesem Zweig der Solarindustrie. Auch die Umsätze der Zell- und Modulhersteller sind drastisch rückläufig. Während sie 2012 noch bei mehr als 1,8 Milliarden Euro lagen, waren es 2013 nicht einmal mehr 1,0 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Das kommt fast einer Halbierung gleich. In diesem Jahr wird der Rückgang wohl nicht mehr so stark sein. Nach vorläufigen Zahlen bewegte sich der Umsatz im ersten Halbjahr bei gut 400 Millionen Euro.

Aber die Hersteller von Solarmodulen und Solarzellen machen mittlerweile nur noch einen kleinen Prozentsatz der Beschäftigten in der deutschen Photovoltaik-Branche aus. Doch kann man das als Argument gelten lassen, warum es dem Wirtschaftsministerium nicht gelingt, die Zahl von Produzenten in Deutschland zu ermitteln? Es bleibt vielmehr das Gefühl zurück, dass man im Wirtschaftsministerium die Solarbranche in Deutschland als Ganzes bereits abgeschrieben hat.

Darauf könnte man auch kommen, wenn man sich die Erklärung des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministeriums, Rainer Baake, zu Gemüte führt. Als sein Ministerium im Mai die Beschäftigtenzahlen in der Erneuerbaren-Energien-Branche vorlegte und dabei ein weiteren Rückgang bei den Zahlen im Photovoltaik-Bereich zu Tage trat, kommentierte er es mit folgenden Worten: „Der Beschäftigungsrückgang in der Photovoltaik-Branche zeigt, dass der unkontrollierte Ausbau erneuerbarer Energien in den letzten Jahren nicht nachhaltig war.“ Nach den Angaben des Ministeriums haben sich die Beschäftigungszahlen in der Solarbranche von 2012 auf 2013 von 100.300 auf 56.000 nahezu halbiert. Den Umsatz der Photovoltaik gibt das Ministerium mit gut 3,5 Milliarden Euro für das vergangene Jahr an, dies ist weit mehr als eine Halbierung im Vergleich zu 2012.

Beim Bundesverband Solarwirtschaft beziffert man die Zahl der Beschäftigten in der Solarbranche mit 60.000. Der Unterschied kommt zustande, da der Verband auch induzierte Jobs einberechnet. Gezählt werden dabei die Arbeitsplätze in den verschiedensten Bereichen: in der Photovoltaik-Produktion wie Silizium, Zellen, Module, Wechselrichtern; bei den Zulieferern, den Distributoren, im Handwerk und dem Maschinenbau. Die Anzahl der Solarunternehmen im Jahr 2013 beziffert der BSW-Solar mit rund 10.000, davon nur rund 350 Produzenten. Die Diskrepanz zwischen 2867 und 60.000 zeigt aber überdeutlich, dass die Photovoltaik in Deutschland mehr als das Herstellen von Solarzellen und Solarmodulen ist.

Daher ist auch die Frustration vieler in der deutschen Photovoltaik-Landschaft verständlich, wenn sie Artikel wie jenen auf „Spiegel online“ am Wochenende lesen. Unter der Überschrift „Was wurde aus Deutschlands Solarindustrie?“ erklärt das Magazin diese für „fast tot“. Allerdings könnte man beim Lesen den Eindruck gewinnen, die deutsche Solarindustrie bestehe einzig aus Frank Asbeck und alle anderen Photovoltaik-Unternehmen seien pleite. Bei den Herstellern von Solarmodulen und Solarzellen kann man durchaus dieses Bild gewinnen. Aber es stimmt eben nicht ganz und es wird der Realität der Photovoltaik-Branche in Deutschland nicht gerecht.

Natürlich hat sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Hersteller in Deutschland drastisch dezimiert. Gleichzeitig mit dem Bau der vielen neuen Photovoltaik-Anlagen entstand aber auch ein Markt jenseits des reinen Produzierens. Allein mit dem Herstellen von Modulen und Zellen schafft man keine Energiewende und keine einzige Photovoltaik-Anlage wird installiert. Während auch im Installationsbereich seit dem vergangenen Jahr ein drastischer Rückgang zu verzeichnen ist, hat sich doch ein riesiger Markt eröffnet, wenn es um den Betrieb und die Wartung der Anlagen geht. Leider sind die aktuellsten Zahlen zum Gesamtumsatz der Photovoltaik-Branche beim BSW-Solar aus dem Jahr 2011. Damals lag er inklusive Maschinenbau bei 19 Milliarden Euro. Seither wird er deutlich gesunken sein. Die 3,5 Milliarden Euro, die das Bundeswirtschaftsministerium angibt, sind dabei wahrscheinlich zu niedrig. Denn was man nicht vernachlässigen sollte, es geht nicht nur um Umsatz, sondern auch um Wertschöpfung.

Greenpeace hatte im vergangenen Jahr eine interessante Studie dazu herausgegeben. Es ließ die direkte und indirekte Wertschöpfungseffekte bei den Erneuerbaren untersuchen. Die Photovoltaik kommt dabei auf knapp neun Milliarden Euro und liegt noch vor der Windkraft in Deutschland. Rund zwei Drittel der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze entstehen dabei in den Bereichen Installation, Planung und Betrieb der Erneuerbaren-Energien-Anlagen, wie es in der Studie heißt. Herstellen von Solarmodulen und Solarzellen ist also lange nicht alles, was die Photovoltaik in Deutschland zu bieten hat. Aber für den „Spiegel“ und das Bundeswirtschaftsministerium scheint sich der Blick hinter die Kulissen dennoch nicht mehr zu lohnen.

Dieser Kommentar erschien zuerst in pv magazine und gibt die Meinung von Sandra Enkhardt wider.

->Quelle: pv-magazine.de