Erdgas-Boom könnte Klimawandel nicht bremsen

Fracking keine Klimahilfe

Fracking oder ähnliche Technologien werden die Treibhausgas-Emissionen voraussichtlich nicht verringern helfen. Die Verbrennung von Erdgas erzeugt im Vergleich zu Kohle zwar nur etwa die Hälfte der CO2-Emissionen. Aber wenn Erdgas infolge eines Booms reichlich verfügbar und somit billig wird, steigt auch der Energieverbrauch. Denn die schmutzige Kohle würde durch Gas nur zum Teil ersetzt, wie eine jetzt in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie zeigt, auf die das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hinweist.

Ein internationaler Vergleich von Computersimulationen zeigt erstmals: Die Erhöhung des globalen Gasangebots wird auf den Märkten Anpassungsdynamiken auslösen, die den Vorteil vergleichsweise niedriger Emissionen wieder zunichte machen würden. „Unsere Untersuchung macht klar, dass reichlich Erdgas allein uns nicht vor dem Klimawandel retten wird“, sagt Leitautor Hawon McJeon vom Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) des US-Energieministeriums. Vor allem in den USA haben neue technische Möglichkeiten wie das Fracking zu einem Boom bei der Erdgasförderung geführt. „Der globale Einsatz neuer Produktionstechnologien könnte die weltweite Erdgasproduktion bis zum Jahr 2050 verdoppeln oder verdreifachen“, sagt McJeon.

„Die Hoffnung erweist sich als irrig“ – Markteffekte dominieren

Dies könnte bis zur Mitte des Jahrhunderts bis zu zehn Prozent mehr CO2-Emissionen verursachen, statt den Kohlendioxid-Ausstoß insgesamt senken. „Das zusätzliche Angebot von Gas lässt dessen Anteil an Energie-Mix steigen, aber hierdurch wird nur eine sehr begrenzte Menge Kohle ersetzt – und es könnten auch emissionsarme erneuerbare Energien und Kernenergie ersetzt werden“, sagt Co-Autor Nico Bauer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Leider erweist sich die Hoffnung als irrig, dass Erdgas wegen seiner technischen Überlegenheit im Vergleich zur Kohle absehbar zu einer Verringerung der Erderwärmung beitragen kann. Das stark erhöhte Angebot von Erdgas führt zu einem Preisverfall und einer Ausweitung der gesamten Energieversorgung.“ Darüber hinaus verursacht eine erhöhte Gasproduktion auch einen höheren Ausstoß des starken Treibhausgases Methan, das aus Bohrungslecks und Rohrleitungen entweichen kann.

Bei den verfügbaren Gasmengen gibt es viele Unsicherheiten – die Abschätzung der weltweiten Vorkommen wurde in den letzten zehn Jahren angepasst, aber die wirtschaftlichen Auswirkungen im globalen Energiesektor sind bislang nicht umfassend erforscht worden. Fünf Forschungsgruppen aus Deutschland, den USA, Österreich, Italien und Australien haben deshalb nun berechnet, wie die Welt im Jahr 2050 mit und ohne Erdgas-Boom aussehen könnte. Sie verwendeten fünf verschiedene Simulationsmodelle, die nicht nur Produktion und Verbrauch von Energie erfassen, sondern ein breites Spektrum von Wirtschaftssektoren sowie das Klimasystem enthalten.

Technische Fortschritte können Klimapolitik nicht ersetzen

„Als wir  bei unserem Modell kaum Veränderungen bei den Treibhausgasemissionen bemerkten, dachten wir zuerst, wir hätten einen Fehler gemacht, weil wir mit einer erheblichen Emissionsverminderung gerechnet hatten“, sagt der leitende Wissenschafter James ‚Jae‘ Edmonds vom Joint Global Change Research Institute der PNNL. „Aber als alle fünf Modellierteams uns davon berichteten, dass sie ebenfalls kaum Unterschiede hinsichtlich des Klimawandels erkennen konnten, wussten wir, dass wir da etwas Neuem auf der Spur waren.“

Die Folgen sind weitreichend. „Die Ergebnisse zeigen, dass eine wirksame Stabilisierung des Klimas nur durch eine Bepreisung von Emissionen erreicht werden kann – und das erfordert internationale politische Zusammenarbeit und verbindliche Vereinbarungen“, erklärt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des PIK. „Technologische Fortschritte können die Kosten der Klimapolitik reduzieren – aber sie können die Klimapolitik nicht ersetzen.“

Artikel: McJeon, H., Edmonds, J., Bauer, N., Clarke, L., Fisher, B., Flannery, B.P., Hilaire, J., Krey, V., Marangoni, G., Mi, R., Riahi, K., Rogner, H., Tavoni, M. (2014): Limited impact on decadal-scale climate change from increased use of natural gas. Nature (advance online publication) [DOI:10.1038/nature13837]
Weblink zum Artikel: http://dx.doi.org/10.1038/nature13837
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