Desertec – die Wüste lebt (weiter)

4. Kondominium als Governance  – Modell für eine lebensfähige Welt?

Das Drei-Säulen-Modell ist ein Modell für eine lebensfähige Welt. Vielleicht gibt es einfachere. Doch ich halte jede der drei genannten Säulen für unverzichtbar und sie zusam­men auch für ausreichend. Möglicherweise sind aber weitergehende Elemente erforderlich. Das müssen konkretere Entwürfe zeigen.

Zur Herstellung einer lebensfähigen Welt für zehn Milliarden Menschen hat die Menschheit die Option, jetzt diese drei Prozesse im optimierten Zusammenspiel vor­anzutreiben. Agieren die Staaten weiter­hin ohne hinrei­chende Abstimmung oder gar gegeneinander, können sie keines der globalen ökologischen und sozialen Probleme kontrol­liert und rechtzeitig lösen. Betreiben sie lediglich einen der Prozesse allein ohne die beiden anderen, verhindern die dabei verbleibenden oder entstehenden Pro­b­leme das Weiterkommen zum Ziel. Die Erfolglosigkeit der Klimakonfe­ren­zen be­legt: Als politische und ökonomische Gegenspieler schaffen die Staaten keinen Klima-Konsens. Da liegt der Strickfehler der Klimakonferenzen. Wenn Armutslän­der arm blei­ben, gibt es kein Ende des Bevölkerungswach­stums. Positionskämpfe um globale Vorherr­schaft be­hindern die rechtzeitige Beendigung der Nut­zung fos­siler Ener­gien. Agieren Staaten aber wie Bewohner eines Kon­do­miniums, und orientieren sie ihre natio­nale Außen­poli­tik an den Notwendigkeiten einer Weltin­nenpolitik, haben sie die Chance, das Projekt „lebensfähige Welt für zehn Milliarden Menschen“ zu realisie­ren: Ende der globalen Er­wärmung durch sau­bere Energien und Ende des Bevöl­kerungs­wach­stums durch Wohl­stand für jeden.

Anachronismus: Menschheit wächst zusammen – Staaten rüsten gegeneinander auf. Das Kondominium-Konzept ist ein Weg zur Herstellung der Lebensfähigkeit der Menschheit – aber ist es auch eine weltfremde Illusion? Nein, es ist eine machbare Innovation, denn die EU probiert es aus! Mehrere frühere Erz-Feinde geben sich dort eine Hausordnung, eine Hausver­waltung und sitzen gemein­sam in einem Bewohner-Beirat. Die EU möbliert ihren Binnenraum um: vom Schlachtfeld zum Lebensraum. Im Inneren ist die EU tatsächlich wie ein Testlauf für ein globales Kon­dominium, ohne militärische Gewaltoptionen der Mitglieder gegeneinander. Sie wird zu einem koo­perativen integrierten Wirtschafts- und Sicherheitsraum, bisher ohne eigene Gewaltfä­higkeit nach außen. Sie begann mit  6 Nationen. Jetzt sind es 28, und weitere warten – sogar außer­halb Europas. Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten und Jordanien haben Assoziierungsab­kommen mit der EU. Warum kann z.B. die EU nicht mit allen klimaschutzwilligen Ländern Klimaschutz-Allianzen abschließen? Dann würde die EU zum Kern einer GCA – einer Glo­bal Climate Alliance, nachdem sie selbst einmal mit einer Allianz für Kohle und Stahl angefangen hat. Wir brauchen keinen Welt­staat, aber eine Welt im Kondominium-Modus. Denn die zentrale Erkenntnis ist: Die Erde kann zehn Milliarden Menschen aushalten, aber nicht in Form gewaltbereiter Nationen.

Im Kondominium-Modus könnten sie mit den gegenwärtigen finanziellen Mitteln für Waffen von einem Tag pro Wo­che den Aufbau der sauberen und kostengünstigen Energie-Infrast­ruktur für eine lebensfähige Mensch­heit finanzieren. Aber gewaltbereite und auf Unabhängigkeit fixierte Nationen wür­den das nicht mitma­chen. Auch die Öl- und Waf­fenlobby hätten etwas dagegen. Das Verharren im Kampf­platz-Modus ist eine große Dumm­heit, denn dabei verlie­ren schließlich alle – durch klimabe­dingte Zerstö­rung der zivi­len Infra­st­ruktur und der natürlichen Le­bens­grundlagen. Ein tödli­cher Preis, den die Menschheit für die Fortsetzung der Fiktion von der Unabhängigkeit von Staa­ten zahlen wird.

Nur wer die Menschheit als Einheit sieht, kann die Welt als Lebensraum organisieren. – Die Menschheit ist mehr als die Summe der Menschen oder der Staaten. Sie ist wie ein zusammen hängender und agierender Organismus. Die überzogene Spaltung in unabhängige Nationalstaaten lähmt ihre globale Hand­lungs­fähig­keit. Notwendigkeiten und Muster für globales Handeln sind da. Ein Viable-World Design Team könnte das Kondominium-Konzept detaillierter ausarbeiten. Der UNO ist das durch ihre absolute Respektierung der Sou­veränität der Mitgliedsstaaten nicht erlaubt. Albert Einstein hat einmal festges­tellt: Man kann Probleme nicht mit den gleichen Denkweisen lösen, mit denen sie herbeige­führt wur­den. Also sind jetzt die Zivilgesellschaf­ten, erkenn­tnisfähige Menschen und auch die National­staaten selbst gefor­dert, die Welt als Ganzes zu sehen und zu denken: als Lebensraum einer Menschheit. Die Welt als Ganzes zu sehen, war auch von Anfang an der Grundgedanke bei Desertec. So können die Völker koope­rieren, um die Erde zu ihrem Lebensraum umzubauen.
Folgt: 5. Erste Schritte zum Umbau der Erde als Lebensraum der Menschheit