Wie geht es 2015 weiter mit der Energiewende?

Energiewende nicht nur „Stromwende“

Der bisherige Fokus der Energiewende auf die „Stromwende“ und die Begrenzung der Strompreise ist zu kurz gedacht. Die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschland entfällt ausschließlich auf Raumwärme. Während im Stromsektor die erneuerbaren Energien im Jahr 2014 mit fast 26 % erstmals der wichtigste Energieträger bei der Bruttostromerzeugung waren, sind Raumwärme, industrielle Prozesswärme und Verkehr weiterhin von fossilen Energieträgern geprägt.

Wärme- und Transportsektor muss in den Fokus der Energiewende rücken

Neben dem Ausbau der Übertragungsnetze gibt es 2015 zwei wichtige energiepolitische Herausforderungen. Der Wärme- und Transportsektor muss in den Fokus der Energiewende rücken um ungenutzte Potenziale für die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu aktivieren und die Energiewende insgesamt muss beschleunigt werden. Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat die Bundesregierung der „Stromwende“ 2014 jedoch mit den Ausbaukorridoren einen Bärendienst erwiesen, denn in der Vergangenheit war der Zubau der erneuerbaren Energien im Stromsektor immer höher als die vorhergesehenen Mengenziele.

Strompreisdiskussion verliert an Bedeutung

Dominierten 2014 in der öffentlichen Auseinandersetzung noch Fragen wie, „Sind die Energiepreise zu hoch?“ – sie sind es nicht – und „Ist die Energiewende bezahlbar?“ – sie ist es, werden diese Fragen 2015 keine große Rolle mehr spielen. Vor allem die Gegner der Energiewende hatten sie thematisiert. Doch spätestens als RWE im März 2014 bekannt geben musste, dass im Jahr 2013 erstmals in der Unternehmensgeschichte ein Nettoverlust von 2,8 Milliarden Euro zu verbuchen war, ist auch dem letzten konventionell geprägten Energiewirtschaftler klar geworden, dass das bisherige Geschäftsmodell der vier großen deutschen Energieversorger – E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall – nicht mehr funktioniert. Dies hat auch E.ON-Chef Johannes Teyssen erkannt und überraschte Politik und Aktionäre im November 2014 mit der Nachricht, sich zukünftig auf erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen zu konzentrieren. Ausgerechnet Teyssen, einer der vehementesten Apologeten der fossilen und nuklearen Energiewirtschaft. Doch die Unternehmenszahlen und Bilanzen lügen nicht. Deshalb wird es im Jahr 2015 spannend zu beobachten sein, welches der vier großen EVU sein Geschäftsmodell am schnellsten und erfolgreichsten auf die Energiewende ausrichten wird.

Universelle Nachhaltigkeitsziele werden für alle Länder gelten

Auch auf der internationalen Bühne wird die globale Energiewende in diesem Jahr eine Rolle spielen: bei der Ausgestaltung eines neuen UN-Klimaschutzabkommens sowie bei der Formulierung einer Post-2015-Agenda mit universellen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs). Die von der UN eingesetzte Open Working Group hat in ihrem Abschlussbericht ein spezifisches Ziel für den Energiebereich vorgeschlagen, das lautet: Zugang zu erschwinglicher, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle gewährleisten. Noch haben Politik und Wirtschaft nicht verstanden, dass universelle Nachhaltigkeitsziele für alle Länder gelten werden, nicht nur für Entwicklungs- und Schwellenländer. Zwar ist Deutschland mit der Energiewende, seiner Nachhaltigkeitsstrategie und der Zukunftscharta bereits gut positioniert, doch weitere Anstrengungen sind notwendig.

Matthias Ruchser leitet die Stabsstelle Kommunikation des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE)

->Quelle: (Erstveröffentlichung als „Die aktuelle Kolumne“ auf der Seite des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik): die-gdi.de