Politik schwächt Bürgerenergie existenziell

Deutlich weniger Energiegenossenschaften

Nachdem Bürgerenergie sich über Jahre hinweg gut entwickelt hat und zum tragenden Pfeiler der Energiewende wurde, brach die Zahl der Gründungen von Bürgerenergiegenossenschaften 2014 ein.

Das Bündnis Bürgerenergie macht dafür die Energiepolitik der Bundesregierung verantwortlich und befürchtet angesichts der beschlossenen Einführung von Solarenergie-Ausschreibungen, dass Bürgerenergie schweren Zeiten entgegen geht.

Für Thomas Banning, dem Vorstandsvorsitzenden des Bündnis Bürgerenergie, liegt der Grund für diesen drastischen Einbruch bei den Neugründungen, aber auch bei neuen Projekten bereits vorhandener Bürgerenergiegesellschaften, auf der Hand: „Die Politik der Bundesregierung in den letzten Monaten ist eine Katastrophe für die Bürgerenergie. Es begann mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), das für hohe  Verunsicherung und eingeschränkten Handlungsrahmen bei Bürgerenergieakteuren gesorgt hat. Die Novelle des ErneuerbarenEnergien-Gesetzes im letzten Jahr war gespickt mit Benachteiligungen für dezentrale Akteure. Der  Anti-Bürgerenergiekurs findet mit dem aktuellen Entwurf zum sogenannten  Kleinanlegerschutzgesetz, das in Wahrheit ein Gesetz zur Verhinderung von bürgerschaftlich organisiertem unternehmerischen Engagement ist, seine Fortsetzung. Mit dem Kabinettsbeschluss über die Einführung von Ausschreibungen bei Photovoltaik-Freilandanlagen findet das staatliche Bremsmanöver für die Bürgerenergie einen weiteren traurigen Höhepunkt“.

Dabei ist der Wunsch der Bürger, die Energiewende auszugestalten und zu finanzieren, allen repräsentativen Umfragen nach, unverändert hoch. „Das ist gut so“, meint Hans-Josef Fell, Mit-Autor des EEG,  „denn die Bürgerenergie war im vergangenen Jahrzehnt das Rückgrat der Energiewende. Die Energiewende braucht Bürgerenergie auch in Zukunft. Doch verschiedene Gesetzesnovellen von CDU/CSU/FDP/SPD der letzten Jahre haben diesem Bürgerengagement trotz aller Unterstützungsbeteuerungen längst großen Schaden zugefügt.

Das Bündnis Bürgerenergien e.V (BBEn) hat in einer jüngsten Untersuchung durch die Leuphana Universität Lüneburg einen drastischen Rückgang der jährlichen Neugründungen von Energiegenossenschaften dokumentiert. 2011 wurden 194 Neugründungen registriert, 2013 sank diese schon auf 104 und 2014 gab es gerade noch 29 Neugründungen. Dieser dramatische Rückgang steht beispielhaft für die Verunsicherung der Bürgerenergie-Akteure.

Vor allem zwei Gesetzesnovellen sind aus Sicht der Wissenschaftler dafür ausschlaggebend: Die Novelle des Kapitalanlegergesetzbuches (KAGB) 2013 und die EEG Novellen seit 2012. Im EEG sind der Wechsel zu Ausschreibungsverfahren, die Belastung des Eigenstromverbrauchs und die immer weiter zunehmende Bürokratie die wichtigsten Fehler, die das bürgerliche Engagement der Energiewende dezimierte.

Begründet mit dem richtigen Ziel des Schutzes von Kapitalanlegern werden nun auch Genossenschaften mit Auflagen des KAGB überzogen und in übertriebener Weise von der BaFin kontrolliert und reglementiert. Diese Auflagen des KAGB für Energiegemeinschaften wurden im Vorfeld heftig kritisiert, dennoch haben sie Union und FDP durchgezogen. Daher ist offensichtlich, dass sie bewusst den Niedergang des genossenschaftlichen Bürgerengagements, nicht nur im Energiesektor im Sinn hatten. Die Befürchtung des Niedergangs des Genossenschaftswesens wurde vielfach im Bundestag, auch von mir selbst geäußert. Wie so oft ist die Regierungskoalition darüber hinweggegangen.

Großer Schaden – Korrektur nicht in Sicht

Nun ist der Schaden groß, aber eine Korrektur des KAGB unter Union und SPD zeichnet sich nicht ab. Stattdessen kommt es nun mit der Novelle des Kleinanlegerschutzes noch heftiger, jedenfalls dann, wenn der Regierungsentwurf von Union und SPD unverändert durch den Bundestag geht. Dabei sind es genau die Genossenschaften, die in den letzten Jahrzehnten dank eines guten Genossenschaftsgesetzes die Kleinanleger bestens schützten.

Es waren gerade die Genossenschaftsbanken, die die Finanzmarktkrise 2009 in Deutschland aus eigener Kraft meisterten. Staatliche Subventionen waren nur für Banken außerhalb des Genossenschaftssektors notwendig. Zudem liegt die Insolvenzquote von Genossenschaften seit Jahren unter 0,1 %. In einigen Jahren der Vergangenheit sogar bei 0 %. Warum es nun einer Verschärfung des Kleinanlegerschutzes auch bei Genossenschaften bedarf, ist nicht begründbar.

So wird das vorgesehene Gesetz auch für Genossenschaften erhebliche Auflagen und Erschwernisse bringen und damit die Bürgerenergiewende, wie auch anderes genossenschaftliches Engagement, wie den Bau von gemeinschaftlichen altersgerechten Wohnungen, Vermarktungen von Biolebensmitteln oder Bauten für Sportgemeinschaften u.a. weiter erheblich beeinträchtigen. Es wird immer unerträglicher, wie die große Koalition das bürgerliche Engagement nicht nur in der Energiewende immer mehr behindert. (Hans-Josef Fell)

->Quellen:

Zum Thema „Erneuerbare Energiegenossenschaften: Torwächter oder Vermittler?“ ist am 06.03.2015 ein Artikel in  „Energy Research & Social Science“ erschienen. Das Autorenteam gibt darin einen Überblick über Energiegenossenschaften in Deutschland in den Bereichen Organisation, Finanzierung und Mitgliedschaft. Darüber hinaus diskutieren sie, wie Theorien aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften angewendet werden können, um Energiegenossenschaften besser zu verstehen.