Stellungnahme der Akademien im Rahmen von ESYS
Ein Preiskorridor mit Mindest- (und Höchst-)Preisen für CO2 einführen anstelle nationaler Fördermaßnahmen, das ETS auf Mobilität und Wärme ausweiten – oder, wenn das nicht geht, eine europäisch verzahnte Förderung der Erneuerbaren Energien erreichen – das sind die zentralen Vorschläge der am 25.03.2015 veröffentlichten Stellungnahme der Ad-hoc-Gruppe „Intergration“ Die Energiewende europäisch integrieren von ESYS (Energiesysteme der Zukunft, des Akademieprojekts von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften).
Der Leiter der Ad-hoc-Gruppe, Prof. Christoph Schmidt, Vorsitzender der Wirtschaftsweisen und Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), sagte im Rahmen eines Pressegesprächs in Berlin: „Mit dem Emissionshandel verfügt Europa bereits über einen effizienten Klimaschutzmechanismus. Wenn er zum Leitinstrument gemacht wird, können wir die Treibhausgase in Europa zu volkswirtschaftlich vertretbaren Kosten senken“. Derzeit sei aber der Preis für Emissionszertifikate zu niedrig, um zusätzliche Investitionen in klimafreundlichere Technologien anzustoßen. „Die rein nationale Förderung der Erneuerbaren Energien hat mit zum niedrigen Handelspreis im Rahmen des ETS beigetragen“ – dabei stehe doch der Klimaschutz im Mittelpunkt der Energiewende und damit die Reduzierung der Treibhausgase. Daher müsse die Förderung auf eine breitere Basis gestellt, nationale Förderschemata abgeschafft werden.
[note Klima- und Energieziele der EU bis 2030
- Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent (gegenüber 1990)
- Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch von mindestens 27 Prozent
- Mindestens 27 Prozent Energieeinsparungen]
Für einen wirksamen Klimaschutz müssten ausreichend viele Staaten ihren Treibhausgasausstoß reduzieren. Die Europäische Union sollte deshalb mit einer abgestimmten Energie- und Klimapolitik ein international anschlussfähiges Modell etablieren, an das andere Wirtschaftsräume anknüpfen könnten. Daher empfehlen die ESYS-Wissenschaftler, die deutsche Energiewendepolitik stärker mit der europäischen Energie- und Klimapolitik zu verzahnen. Zentral seien dabei die Stärkung des Europäischen Emissionshandelssystems, seine Ausweitung über den Energiesektor hinaus sowie ein gestärkter Strombinnenmarkt.
Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Justus Haucap, Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) der Universität Düsseldorf, bis vor kurzem Vorsitzender der Monopolkommisison und Mitglied der Ad-hoc-Gruppe, erläuterte die Vorstellungen zum Binnenmarkt: Er forderte eine „geografisch optimierte Kraftwerksverteilung im Raum“.
Massiver Netzausbau
Neben der optimierten Standortwahl schlug Haucap vor, die do genannten „Redispatch-Mechanismen auch auf Kraftwerke außerhalb Deutschlands auszuweiten“; das schaffe Anreize für Investitionen, damit dort, wo Bedarf bestehe, investiert werde – „dazu sollen Netzentgelte entfernungsabhängig ausgestaltet werden: Wer versorgungsnah einspeist, zahlt dann weniger“. Als Beispiel nannte Haucap Großbritannien. Wenn das nicht europäisch gehe, dann sollte es wenigstens national eingeführt werden. Wenn auf die Standort-Option verzichtet werden müsse, sollte massiv Netze ausgebaut werden – kostenorientiert: Binnenmarkt und Wettbewerb sollten ausgeweitet werden. Erzeugungsüberschüsse bei den Erneuerbaren Energien müssten stärker abgeregelt werden; schließlich sei das Demandside-Management stärker auszubauen.
Die Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ habe zunächst zwei Oberziele der Energiewende identifiziert: die Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 80 Prozent bis 2050 und den Ausstieg aus der Kernenergienutzung bis Ende 2022. Um die globale Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, müssen aber die Energieversorgungssysteme möglichst vieler Länder nachhaltiger werden. Europa könnte dabei zu einem internationalen Vorbild werden.
Fester Preiskorridor
Die Europäische Kommission spricht sich für eine sogenannte Marktstabilitätsreserve aus: Sinkt der Zertifikatspreis unter eine bestimmte Schwelle, werden Zertifikate aus dem Markt herausgenommen. Die Autoren der Stellungnahme schlagen einen alternativen Ansatz vor: Ein fester Preiskorridor definiert bei Auktionen einen Mindest- und einen Höchstpreis für CO2-Zertifikate. Dies würde den Unternehmen Sicherheit über die künftige Preisentwicklung geben und damit stärkere Innovationsanreize setzen. Darüber hinaus sollte der Emissionshandel auf weitere Sektoren wie etwa den Verkehr, Landwirtschaft und Wärme ausgeweitet werden, so Schmidt. Ein auf diese Weise gestärkter EU-ETS könnte zum Modell für ein international koordiniertes Vorgehen werden.
Eine Emissionshandelsreform muss zwischen den EU-Mitgliedstaaten ausgehandelt werden. Zwischenzeitlich sollten die nationalen Fördersysteme für erneuerbare Energien stufenweise und europaweit harmonisiert werden. „Ein Europa der vielen Energiewenden treibt die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimaschutzes unnötig in die Höhe. Gelingt uns die europäische Energiewende, dann schaffen wir ein Modell, dem andere Wirtschaftsräume folgen können“, erklärte Haucap.
Er erklärte sich auch „konform mit Gabriels Vorschlägen, ein Cap von 22 Mio Tonnen in Deutschland stillzulegen. Das ist weniger system-unkonform als vergangene Maßnahmen“ – dennoch erhebe sich die Frage, ob das der ideale Weg sei; damit würden zwar bis 2020 die kurzfristigen Klimaschutzziele erreicht, „aber das Klima wollen wir ja nicht nur bis 2020 retten, sondern auch darüber hinaus.“ Klimaschutz sei nicht teuer – wir könnten andere durch unser erfolgreiches Beispiel zur Nachahmung motivieren. Haucap: „Nationale Maßnahmen zur Verteuerung sehen wir allerdings ultimativ skeptisch“. Und Schmidt attestierte: „Die Politik denkt weiter, anerkennt inzwischen systemische Zusammenhänge“. Denn ohne ein Gesamtsystem würde in Deutschland vermiedenes [[CO2]] woanders ausgestoßen.
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