„In puncto Energieeffizienz wird viel zu wenig getan.“

„Generationenprojekt Energiewende hat Konstruktionsfehler“

Ein Interview mit Stefan Röder, Juniorprofessor für Unternehmensplanung und -lenkung an der Steinbeis-Hochschule Berlin und Mitgesellschafter der LEA Lean Energy Holding GmbH, über aktuelle (Fehl-)Entwicklungen im Bereich Energieeffizienz sowie bestehende Finanzierungsprobleme bei Energieeffizienz-Projekten und mögliche Auswege.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Umsetzungsstand der Energiewende in Deutschland?

Mit gemischten Gefühlen. Zunächst einmal bin ich durchaus stolz darauf, dass wir uns als Gesellschaft dieser Herkulesaufgabe vielerorts mit so viel Engagement und Herzblut stellen. Dennoch denke ich, dass das Generationenprojekt Energiewende in Deutschland einen grundlegenden Konstruktionsfehler hat. Im Fokus steht häufig allein die Umstellung der Energieerzeugung auf regenerative Quellen, und die Verbesserung der Energieeffizienz führt bestenfalls ein Schattendasein. Umgekehrt wird meiner Ansicht nach ein Schuh daraus: Zuerst hätte eine substanzielle Bestandsaufnahme stattfinden müssen. Es geht darum, unnötigen Energieverbrauch zu vermeiden, Energieeinsparpotenziale gezielt auszuschöpfen und schlussendlich die dann noch erforderliche Reststrommenge nachhaltiger zu erzeugen. In puncto Energieeffizienz wird meiner Meinung nach noch viel zu wenig getan. Die Politik hat hier einfach zu lange geschlafen – und tut es vielfach noch.

Jetzt müssen wir aber mal eine Lanze für die verantwortlichen Politiker brechen. Im Dezember 2014 wurde der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) verkündet. Dieser liest sich doch sehr verheißungsvoll?

Selbstverständlich sind die jüngsten Initiativen ermutigend; sie kommen jedoch sehr spät, sind inhaltlich noch völlig unzureichend und vielfach zu unverbindlich. Ein Beispiel: Es ist hinlänglich bekannt, dass gerade die energetische Gebäudesanierung der schlafende Riese zur CO2-Einsparung ist, der aufgeweckt werden muss, um die ambitionierten Klimaschutzziele bis 2020 bzw. 2050 überhaupt erreichen zu können. Das für 2016 bis 2018 veranschlagte Budget von 1,2 Mrd. EUR zur Finanzierung entsprechender steuerlicher Abschreibungen weicht jedoch vom ursprünglichen Ansatz von einer Mrd. EUR p. a. über fünf Jahre eklatant ab. Da wurde die Idee einer besseren Welt für unsere Nachkommen auf dem Altar der schwarzen Null im Bundeshaushalt geopfert.

Überhaupt mutet der NAPE lächerlich an, wenn gerade die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion oftmals nur so unzureichend wahrnimmt. Die Diskussion dreht sich im öffentlichen Diskurs häufig um die „richtige“ jährliche Sanierungsquote: ein Prozent oder drei Prozent. Beide Prozentzahlen liegen weit entfernt von dem, was tatsächlich zu tun ist. Nach Schätzungen der KfW Bankengruppe sind etwa 840 Mrd. EUR fällig, um bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland zu erreichen. In die Jahre gekommene öffentliche Bauten wie Rathäuser, Bibliotheken und Schulen fallen darunter, hier muss dringend investiert werden.

Die öffentliche Hand wird sich ihrer Vorbildfunktion doch aber zunehmend bewusst. Jüngst wurden zwei neue Bundesförderprogramme für kommunale Energieeffizienz-Netzwerke und Energieeinspar-Contracting-Beratungen veröffentlicht…

Da haben Sie recht. Aber auch hier gilt wie zuvor: Erstens kommen diese Initiativen sehr spät, und zweitens sind sie unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten völlig unzureichend. Fangen wir mit den kommunalen Energieeffizienz-Netzwerken an. Wie wir durch die vom Bundesumweltministerium geförderten „30-Pilot-Netzwerke“ aus der Industrie wissen, handelt es sich hierbei um ein sehr wirkungsvolles Instrument. Erfahrungen zeigen, dass durchschnittlich bis zu 12 Prozent Energiekosten eingespart werden konnten. Die Höhe des Zuschusses für die Netzwerkphase ist jedoch viel zu gering. Viele interessierte Kommunen werden es schwer haben, den Eigenanteil überhaupt aufzubringen. Dabei sind es häufig die klammen Kommunen und ihre Eigenbetriebe, denen man mit gering-investiven Maßnahmen sehr schnell helfen kann, den eigenen Haushalt zu entlasten. Für solche Härtefälle muss es Ausnahmeregelungen geben. Überlegenswert wäre aus meiner Sicht zudem, dass der Eigenanteil bis zu einer bestimmten Höhe von einem Dritten übernommen und dann später aus der realisierten Einsparung beim Netzwerkteilnehmer zurückgeführt wird.

Auch das Förderprogramm „Contracting-Beratung für Kommunen und KMU“ begrüße ich ganz ausdrücklich. Wesentlich ist es hier, noch mehr Aufklärungsarbeit zu den unterschiedlichen Contracting-Modellen, ihren Vor- und Nachteilen sowie konkreten Erfolgsbeispielen zu leisten. Doch auch hierfür sind die Fördersätze viel zu gering. Gerade Energieeinspar-Contracting ist ein sehr wissensintensives, von Spezialisten betriebenes Geschäft. Wie soll eine Orientierungsberatung, die – wie Ihnen jeder langjährig und einschlägig erfahrene Energieeinspar-Contracting-Spezialist bestätigen wird – bis zu einem Kostenanteil von 2.400 EUR netto mit einer Zuwendung von 80 Prozent, also mit maximal 2.000 EUR Zuschuss, gefördert wird, wirklich qualitativ hochwertig erfolgen? Das ist meiner Erfahrung nach kaum möglich. Ich befürchte, dass hierdurch der Entwicklung des gerade für Kommunen und KMU äußerst effektiven Instruments Energieeinspar-Contracting ein Bärendienst erwiesen wird. Den Beratungskunden rate ich dringend an, die Beratung und die Förderung in Anspruch zu nehmen, dabei aber auf die Auswahl der Berater genau zu achten. Der Preis sollte hier bestenfalls sekundär sein. Langjährige Erfahrung und hervorragend qualifizierte Mitarbeiter, gepaart mit einer verlässlichen Expertise insbesondere in Finanzierungsfragen, sind bei Energieeinspar-Contracting-Projekten durch nichts zu ersetzen. …

Stefan Röder ist gelernter Bankkaufmann und arbeitete nach seinem Bankwirtschaftsstudium bei der Investitionsbank Berlin als Vorstandsassistent. Nach erfolgreichem Zweitstudium an der Steinbeis-Hochschule Berlin promovierte er am dortigen Steinbeis Center of Strategic Management und übernahm eine Junior-Professur für Unternehmensplanung und -lenkung mit dem Schwerpunkt Energy Services Management. Als Mitgründer der LEA-Unternehmensgruppe baute er erfolgreich ein Energiedienstleistungsunternehmen auf und berät namhafte Kunden der öffentlichen Hand sowie aus der Industrie bei der strategischen Planung und Finanzierung von Energie(effizienz-)Projekten. Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift Management+Innovation.

->Quelle und weiterlesen: Management + Innovation – Interview Röder