Belgische Atomhaftung hält sich in engen Grenzen

Nur 1,2 Milliarden Euro – plus 155 Millionen aus internationalem Entschädigungsmechanismus

Im Falle eines Atomunfalls in einem belgischen AKW würde dessen Betreiber Electrabel (AKW Tihange und Doel) maximal für Schäden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro haften, wie die Bundesregierung in Ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einräumt. In Deutschland haften die Betreiber unbegrenzt für Drittschäden. Fukushima-Betreiber Tepco habe bisher – so die Bundesregierung – rund 37 Milliarden Euro an Entschädigungen bezahlt. Die Grünen hatte angesichts der Debatte über die Sicherheit der belgischen Atommeiler Doel (Foto) und Tihange Auskunft über Haftungs- und Entschädigungsfragen  verlangt.

Nach Erschöpfung aller Mittel Entschädigungsansprüche gegenüber dem Bund

Der Bundesregierung zufolge greift – wenn die Haftungshöchstgrenze des jeweiligen Betreibers erreicht wird – ein internationaler Entschädigungsmechanismus auf Basis des Brüsseler Zusatzübereinkommens. Dieser Topf, dessen Mittel von allen Vertragsparteien bereitgestellt würden, umfasse aktuell rund 155 Millionen Euro. Deutsche Geschädigte hätten nach Erschöpfung all dieser Mittel zudem Entschädigungsansprüche gegenüber dem Bund. Diese Mittel seien aktuell bei einem Höchstbetrag von 2,5 Milliarden Euro gedeckelt. Laut Bundesregierung leben zirka 1,2 Millionen Menschen auf deutschem Staatsgebiet im 100-Kilometer-Radius des belgischen AKW Tihange.

„Die von der Europäischen Kommission nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 angekündigte Atomhaftungsverschärfung und -harmonisierung blieb aus (vgl. Artikel „EU will Haftpflicht für Atomunfälle“ in der Berliner Zeitung vom 05.10.2012 in Verbindung mit bisherigem Ausbleiben einer betreffenden Neuregelung). Noch nicht einmal das Revisionsprotokoll 2004 zum Pariser Übereinkommen*), das eine bei weitem nicht ausreichende, aber immerhin kleine Erhöhung der Betreiberhaftungssumme versähe, ist bislang in Kraft getreten. Und das, obwohl dies nach ursprünglichem Plan bereits im Jahr 2006 hätte erfolgen sollen, vgl. Bundestagsdrucksache 17/12156 in Verbindung mit der OECD-Online-Übersicht zum Status der Übereinkommen.“

Keine EU-rechtlichen Atomhaftungsregelungen

Das Revisionsprotokoll zum Pariser Übereinkommen soll die internationale Atomhaftung verstärken. Aber die Ratifizierung stocke, da die EU-Mitgliedstaaten ihre Ratifikationsurkunden gemeinsam zu hinterlegen hätten, schreibt die Bundesregierung. Deutschland habe durch gesetzliche Änderungen bereits 2008 die rechtlichen Voraussetzungen für die Ratifikation geschaffen. Aktuell seien Großbritannien und Italien aber noch nicht in der Lage, das Protokoll zu ratifizieren. Auch eine EU-rechtliche Haftungsregelung sei aktuell nicht absehbar: „EU-rechtliche Atomhaftungsregelungen bestehen derzeit nicht. Allein die Europäische Kommission kann eine Initiative für einen Unionsrechtsakt auf dem Gebiet der Atomhaftung ergreifen. Bislang hat die Europäische Kommission eine solche Initiative nicht ergriffen“, schreibt die Bundesregierung. (Nach: hib/SCR)

*) Das 1960 abgeschlossene Pariser Übereinkommen steht im Zentrum des Haftungsrechts für nukleare Schäden. Trotz über die Jahrzehnte offenbar gewordener Lücken im internationalen System des Atomhaftungsrechts und gewandelter Vorstellungen von Nutzen und Risiken der friedlichen Nutzung von Kernenergie blieben die tragenden Prinzipien der einschlägigen Atomhaftungskonventionen im Wesentlichen unverändert. Nach mehrjährigen Vorarbeiten ist das Pariser Übereinkommen 2004 einer grundlegenden Reform unterzogen worden.

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