Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte

WBGU übergab Gutachten zur UN-Konferenz Habitat-III

Die größte Migrationsbewegung unserer Zeit ist die vom Land in die Städte mit weltweit mehr als 2 bis 3 Milliarden Menschen innerhalb weniger Jahrzehnte. Diesem Urbanisierungsschub und seinen Folgen für den globalen Wandel im 21. Jahrhundert widmet sich das neue Hauptgutachten „Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), das am 25.04.2016 der Bundesregierung übergeben wurde. Darin werden sowohl der dadurch zunehmende Klima- und Ressourcendruck als auch die Lebensbedingungen der Menschen thematisiert. Das Gutachten gibt Handlungsempfehlungen an die Politik aber auch Forschungsempfehlungen.

Der Umzug der Menschheit – Die transformative Kraft der Städte – Titel WBGU

Die Wucht des Urbanisierungsschubs verdoppelt die Einwohnerzahl der globalen Slum – und ist der zentrale Treiber globalen Wandels im 21. Jahrhundert. Städte tragen unverhältnismäßig stark zum Ausstoß von Treibhausgasen bei, global mehr als zwei Drittel. Gleichzeitig werden sie von den Folgen der globalen Erwärmung besonders hart getroffen. Statt auf immer mehr Verdichtung soll der Städtebau deshalb auf Entwicklung in der Region setzen: Statt wuchernder Megastädte viele Mittelzentren, das steigert die Widerstandsfähigkeit gegen Krisen und senkt den Druck auf örtliche Ressourcen wie Wasser oder Landressourcen.

„Das Wachstum der Städte ist so ungeheuer, dass es dringend in neue Bahnen geleitet werden muss“, sagte WBGU-Ko-Vorsitzender Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik. Würden in den Städten der Entwicklungs- und Schwellenländer immer neue Siedlungen mit Zement und Stahl gebaut, könnte allein die energieaufwändige Herstellung dieses Baumaterials bis 2050 soviel Treibhausgase freisetzen, dass damit das weltweite Emissionsbudget unter der 1,5 °C-Grenze bereits beinahe aufgebraucht wäre. Dabei gibt es Alternativen, etwa den Bau mit Holz und anderen natürlichen Baumaterialien. „Ohne entschlossenes politisches Handeln und internationale Zusammenarbeit würden durch den Ressourcenbedarf und den CO2-Ausstoß des Städtebaus die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet“, so Messner.

Streben nach Nachhaltigkeit in Metropolen und Slums

Es geht auch um die Lebensbedingungen der Menschen in den Städten. Bereits heute leben mehr als 850 Millionen Menschen in unzumutbaren Wohnverhältnissen. In Afrika südlich der Sahara wohnen rund zwei Drittel der Stadtbevölkerung in Slums, in Asien etwa ein Drittel. In Asien und Afrika ist der Urbanisierungsdruck besonders stark, 90 % des Wachstums der globalen Stadtbevölkerung werden hier erwartet. Die aktuellen Fluchtbewegungen zeigen, wie schwer es selbst wohlhabenden Staaten fällt, raschen Zuzug in ihre Städte zu bewältigen. Bis 2050 könnte sich die Zahl der in unzumutbaren Wohnverhältnissen lebenden Menschen um 1 bis 2 Milliarden erhöhen.

„Daher müssen besonders die Lebensbedingungen der Ärmsten in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung rücken“, so Messner. Diesen fundamentalen Perspektivwechsel der urbanen Agenda will der WBGU auf der anstehenden UN-Konferenz Habitat III anstoßen.

Energiehungrige Metropole Hongkong – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

„Eine Stadt wie Hong Kong in ihrer extremen Verdichtung ist nur lebensfähig, weil sie Erdöl, Metalle, Lebensmittel aus dem Umland und der ganzen Welt aufsaugt, verdaut und die Rückstände wie Müll, Schmutzwasser, Abgase ins Umland ausstößt“, erklärt Hans Joachim Schellnhuber, WBGU-Ko-Vorsitzender und Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Die Dezentralität der Erzeugung erneuerbarer Energien, der Kreislaufwirtschaft und auch etwa der digitalen Ökonomie ermöglicht aber die Entdichtung – und erfordert diese teils. Die polyzentrische Integration in Regionen wie das sich neu erfindende deutsche Ruhrgebiet oder die San Francisco Bay Area können Modelle für Urbanität der Zukunft sein.“

Folgt: Globale Bedingungen für nachhaltige Stadtgesellschaften schaffen