„Am Ende bin ich Optimist“

Vortrag von Mojib Latif in Berlin

„Wir haben uns in eine Sackgasse manövriert“, sagte der Kieler Ozeanograph Mojib Latif anlässlich eines Vortrags am 22.06.2016 im Berliner Magnus-Haus. Sein Hauptbeispiel: Die Unbeherrschbarkeit der Atomenergie: Heute noch liegen am Strand von Fukushima Hunderttausende von Müllsäcken mit radioaktiv verstrahltem Abfall (s.u.). Zur Endlagerung sagte Latif: „Eine Million Jahre soll das sicher gelagert werden – aberwitzig, worauf wir uns da einlassen!“

Das Klimaproblem sei ein Energieproblem, dessen Lösung nicht in der Atomenergie liege – die fossilen Energien seien Hauptursache (90 Prozent) der Erderwärmung – das werde heute nicht mehr ernsthaft bestritten. Ein Grad hätten wir bereits erreicht. „Jetzt könnte man sagen: Was ist schon ein Grad! Aber wenn man weiß, dass der Unterschied zwischen Eis- und Warmzeiten lediglich plus/minus fünf Grad sind, wird die Brisanz schnell klar“. Dabei dürfe man nicht einzelne Jahre herauspicken, sondern müsse langfristig beobachten.

Inzwischen trage das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds – das bald unumkehrbar werde (Latif spielte auf Edenhofers „Kippschalter“ an) – mehr zum Anstieg der Meeresspiegel bei als deren thermische Ausdehnung aufgrund von Wärmeaufnahme – immerhin 90 Prozent der Wärme hätten die Ozeane in den vergangenen Jahren aus der Atmosphäre aufgenommen; daher seien sie seit 1880 um etwa 20 cm angestiegen.

Das Pariser Klimaabkommen sei leider nur eine Sammlung (eher unverbindlicher) Selbstverpflichtungen: [note Man zielt auf etwas ab; gut unter 2° will man bleiben; so bald wie möglich soll der Emissionshöhepunkt erreicht werden; das Gleichgewicht zwischen anthropogenen Emissionen und Senken hätten die USA in den Vertrag hinein gezwungen.]

Latif: „Noch in Elmau ist von Dekarbonisierung die Rede gewesen. Das Wort hat es nicht bis ins Pariser Abkommen geschafft.“ COP21 lasse CCS (Carbon Capture and Storage) offen – die 1,5 Grad seien Augenwischerei. Dafür seien wir schon viel zu weit, müssten wir praktisch sofort den CO2-Ausstoß radikal drosseln. Seit Beginn der Conferences of Parties (COP) hätten die CO2-Emissionen um 61 Prozent zugenommen. Latif: „Wir steuern gegenwärtig den ‚Worst Case‘ an.“

Davon nähmen 30 Prozent die Pflanzen auf, 26 Prozent das Meer und 44 Prozent gingen in die Atmosphäre. Uns bleibe nicht mehr viel Zeit. Latif: „Wir leben von den Ressourcen.“

Am Pariser Abkommen stört ihn besonders, dass es als ein besonderer Wert gelten solle, „dass alle unterschrieben haben – das haben mir auch Journalisten immer wieder gesagt – wenn aber doch eigentlich nichts drin steht…!“ Aber Latif ist auch Realist: „Dass es keine Sanktionsmechanismen gibt und alles freiwillig bleibt: Was sollen wir machen? In Kanada einmarschieren, wenn die Regierung den Kyoto-Vertrag kündigt?

Und: Latif ist kein negativer Mensch – am Schluss seines Vortrags bekannte er: „Am Ende bin ich Optimist“. Der eigentliche Erfolg von COP21 sei, dass das Wort „anthropogen“ drinstehe, dass jetzt immerhin alle anerkannten, der Klimawandel sei menschengemacht. Der Leiter des Forschungsbereichs Ozeanzirkulation und Klimadynamik und der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR) teilt schließlich die Hoffnung auf das zunehmende Divestment, den Ausstieg aus fossilen Geldanlagen; weltweit werde immerhin inzwischen mehr Geld in Erneuerbare Energien gesteckt als in fossile, wenn diese auch immer noch merh Subventionen bekämen. Wenn aber große Einheiten wie die Rockefeller Foundation, wenn große Versicherungen wie der norwegische Pensionsfonds oder die deutsche Allianz nicht mehr in Fossile investieren wollten, bestehe Hoffnung, dass die Kräfte des Marktes doch etwas bewirkten.

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