Jeffrey Sachs: Nächste Migrations-Welle kommt

Interview mit der Alpbacher Medien-Akademie

Jeffrey Sachs in Berlin 5 - Foto © Gerhard Hofmann_Agentur Zukunft 20140305Die nächste Massenmigrationswelle der Welt könnte aus Bangladesch kommen oder aus den trockenen Ländern Afrikas – schuld sei die Unfähigkeit des Menschen, mit dem Klimawandel umzugehen, sagte Professor Jeffrey Sachs zu Beginn der Alpbacher Gespräche gegenüber Uros Mamic von der Alpbacher Medien-Akademie.

Professor Sachs, Ökonom und Chef des Earth Institute an der Columbia University in New York, hat ausführlich über den Einfluss von demographischen und ökologischen Trends auf die Migration publiziert und über die Mittel zur Bekämpfung der Ursachen in den Heimatländern der Migranten. „Niedrig gelegene Regionen wie Bangladesch werden  schwerwiegende ökologische Belastungen durch den Klimawandel erleben – denn sie sind dicht bevölkert, sehr arm und sehr anfällig für Wirbelstürme und den Anstieg des Meeresspiegels. Trockenzonen wie im Sahel und am Horn von Afrika, bis zur arabischen Halbinsel bilden einen Streifen mit wirklich verräterischen Anzeichen von Gefahr“, so Sachs.

Schwere Dürren, Überbevölkerung der Städte und steigende Lebensmittelpreise hätten die zugrunde liegenden Spannungen noch verschärft, die zur syrischen Krise geführt hätten, und zum Strom  der syrischen Flüchtlinge nach Europa. Sachs hält es für sehr wahrscheinlich, dass neue Migrationswellen kommen werden. „Wenn wir winzige Bruchteile dessen, was wir in den Krieg zur Bewässerung, ins Landschaftsmanagement, in Transportverbesserungen und  Lagerungsbedingungen für Lebensmittel vergeuden, würden wir wirklich einige Probleme beheben“, so Sachs.

“Kriege beheben keine Probleme. Alles, was sie tun, ist die Infrastruktur zu zerstören – aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftswissenschaftlers ein Wahnsinn. Die wichtigste Regel müsste sein: Bombardieren Sie die Dinge nicht, die Sie wieder aufbauen müssen. ”

Im Blick auf die Flüchtlingskrise und die europäische Antwort darauf, verurteilte Sachs die kurzatmige Schadensbegrenzung. Er sieht zwei Probleme in Bezug auf die Flüchtlingskrise:  “Eines ist, wie man die Realität versetzter Wogen von Flüchtlingen behandelt. Es gibt fast 10 Millionen Vertriebene allein in Syrien, die Schutz vor einer verzweifelten Situation suchen. Zweitens muss zuerst das Problem verstanden und behoben werden, das diese Krise zuallererst verursacht hat. Europa streitet fast ausschließlich über das erste, und spricht fast nicht über das zweite – für mich ein schockierender Befund. ”

Sachs, bekannter Kritiker der US-Politik im Nahen Osten, hat die US-Außenpolitik gegenüber Syrien als desaströs beschrieben. Er beschreibt, wie der Krieg in Syrien, obwohl 2011 er aus einer spontanen Zivilunruhe gewachsen sei, aufgrund der US-Einmischung eskaliert sei.  Dieser sei durch den Versuch verursacht worden, das Regime Assads zu stürzen. „Meiner Ansicht nach ist dieser Krieg nicht einfach ein Bürgerkrieg; das ist ein Krieg der durch die Vereinigten Staaten unternommenen Regimeänderung.” Kritisch gegenüber den USA sagt Sachs, dass de daraus resultierenden Gewalt und Zerstörung als schrecklicher Kommentar unserer Generation angesehen werden müssten.

“Ich fühle keine besondere Zuneigung zu Assad, aber ich habe noch weniger Zuneigung zu ausländischen Regierungen, welche die Regierung eines anderen Landes stürzen. Ich bin kein Wahrsager, aber wenn der amerikanische Präsident sagt, dass ein anderer Präsident gehen muss, wissen Sie, dass Sie Schwierigkeiten vor sich haben, denn so funktioniert die Welt nicht. Das ist eine imperialistische Denkart – sehr zynisch.“

->Quelle:  alpbach.org/alpbuzz/alpbach-media-academy-interview