1 Jahr Dieselgate: Skandal geht weiter, Minister schaut zu

„Skandal, dass die Behörden ihre Pflicht nicht erfüllen“

Friedrich, früher Abteilungsleiter im Umweltbundesamt, nannte es „einen Skandal, dsas die Behörden ihre Pflicht nicht erfüllen; so hat Dobrindt bis heute nicht veröffentlicht, welche Nachbesserungen das BMVI anordnen wird. Wir brauchen einen kompletten Wechsel der Politik, eine neue Art der Typzulassung und eine andere Form der Kontrolle durch den Staat.“ Es sei doch erstaunlich, und zeige, wie kaputt das System sei, dass „Riesenautomobilländer wie Malta, Luxemburg oder Irland ganz erstaunlich hohe Anteile an Typzulassungen haben“.

Auf die Frage von Solarify, warum die DUH angesichts der offenkundigen Versäumnisse des Verkehrsministers nicht dessen Rücktritt fordere, erwiderten Resch und Friedrich, „Rücktrittsforderungen bringen nichts, denn der Verkehrsminister führt nicht, der wird geführt und zwar von drei Herren“ – er meinte die Chefs von Daimler, BMW und Volkswagen, dabei säßen die „Hauptansprechpartner nicht in den Verkehrsministerien, sondern im Bundeskanzleramt“.

Die DUH fordert von der Bundesregierung zum Schutz der betroffenen Autohalter verbindliche, amtlich verfügte Rückrufe, die eine voll funktionstüchtige Abgasreinigung auf der Straße bei allen Temperaturen im normalen Gebrauch des Fahrzeugs sicherstellt. Wie die DUH im Rahmen ihrer erfolgreichen Klage gegen die Bundesregierung zur Offenlegung der VW-Rückrufe feststellen musste, hat sie dies aber ausdrücklich unterlassen. In der Folge führen die zwischenzeitlich von VW ebenfalls als „freiwillig“ eingestuften VWrt-Rückrufe zu keiner nennenswerten Veränderung der NOx-Werte auf der Straße.

Resch schilderte ein bemerkenswertes Gespräch zwischen Dobrindt und Opel-Chef Neumann im Mai dieses Jahres – letzterer durfte einen „Experten“ zur Erläuterung schwierige technischer Sachverhalte mitbringen. Resch: „Er brachte einen Rechtsexperten mit, den Anwalt Roland Koch: Dieser ‚Automobilexperte‘ half Opel dann, dass nichts geschah. Neumann bekam 14 Tage für eine Erklärung und ließ dann 600 Seiten abliefern. Das BMVI braucht bis heute, um darauf zu reagieren. Bis heute ist keine Entscheidung in Richtung eines amtlichen Rückrufs gefallen“.

Zwangsvollstreckungsverfahren

Daher will die DUH jetzt das Instrument „Zwangsvollstreckungsverfahren“ nutzen. Das laufe in drei Stufen:

  1. Androhung
  2. Verhängung, mehrmalige Verhängung
  3. Erzwingungshaft

Die letzte Maßnahme schrecke Beamte am Ende dann doch, so Resch, denn wenn sie vorbestraft seien, werde am Ende ihre Pension gekürzt. Momentan laufen bereits 10-15 Rechtsverfahren gegen die Bundesregierung – Resch: „Und die versucht mit unglaublichen Taschenspielertricks zu behindern und zu verhindern, dass wesentliche Fragen beantwortet werden – viele Messprotokolle bleiben trotz Veröffentlichungszwang unter Verschluss.“

Hintergrund: Die DUH hat bereits 2007 auf die von Herstellern verwendeten illegalen Tricks im Typzulassungsverfahren hingewiesen, mit denen Verbrauchs- und Abgaswerte so manipuliert werden, dass die Tests bestanden werden, auch wenn im realen Fahrbetrieb die Emissionen um ein Vielfaches höher liegen (duh.de/dieselgate_chronologie.html). Schon damals, in zahlreichen Veröffentlichungen, Pressekonferenzen und Behördengesprächen wies die Verbraucherschutzorganisation auf illegale Abschalteinrichtungen und Verfahren zur Erkennung des Prüfzyklusses hin. Die Forderungen nach einer Offenlegung aller relevanten Prüfberichte, nach unabhängigen Kontrollen sowie nach Sanktionen bei unzulässigen Verstößen gegen die geltenden Abgasgrenzwerte besteht weiterhin unverändert, ohne dass die politisch verantwortlichen Bundesverkehrsminister im Laufe der Jahre mehr als nur ein Schulterzucken zustande gebracht hätten.

Anhand von Labormessungen in der Schweizer Abgasprüfstelle in Bern/Biel und eigenen Messungen seit März 2016 mit portablen Emissionsmessgeräten im Rahmen des Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) dokumentiert die DUH die Muster und Arbeitsweisen der verschiedenen Abschalteinrichtungen. Mittlerweile geben die Hersteller freimütig zu, bei in Deutschland üblichen Durchschnittstemperaturen die Abgasreinigung weitgehend zu deaktivieren. Die Argumentation, dies sei zum „Motorschutz“ notwendig, ist technisch falsch. Auch die Abschaltung von Harnstoffeinspritzungen im SCR-Katalysator bzw. die ausbleibende Regenerationen des Speicherkats ist juristisch falsch, da diese Systeme im Abgasstrang hinter dem Motor liegen und eine Aktivierung diesen nicht negativ beeinflussen  können. Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Remo Klinger sowie des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, die diese Position unterstrichen, werden vom Bundesverkehrsministerium allerdings ignoriert.

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