Photovoltaik: Gespaltene Entwicklung

Photovoltaik: Gespaltene Entwicklung
mit freundlicher Genehmigung von Sascha Rentzing

Während der Anschluss der europäischen Zellen- und Modulproduzenten an die asiatischen Spitzenhersteller immer schwieriger wird, profitieren die Solarmaschinenbauer vom Ausbauboom in Fernost. Doch auch ihre gute Position könnte in Gefahr geraten, denn auch in Asien etabliert sich eine starke Equipment-Industrie.

Innovationen entwickeln sich in der Photovoltaik unvermindert rasch. Nach der aktuellen Studie „The Price of Solar – Benchmarking PV Module Manufacturing Cost“ des Analystenhauses IHS, die auf der Intersolar im Juni vorgestellt wurde, haben alle weltweit führenden Hersteller die Kosten in der Produktion von Solarmodulen seit Anfang 2015 um acht bis 13 Prozent gesenkt. Vor allem asiatische Produzenten seien dabei überdurchschnittlich erfolgreich, heißt es. „Sie nutzen die Skaleneffekte sehr großer Fertigungen, haben Zugang zu einer dichten Lieferkette vor Ort und konzentrieren sich auf wenige Produkte“, sagt IHS-Analyst Henning Wicht. So werden chinesische Module mittlerweile für 0.43 Dollar pro Watt angeboten. Zum Vergleich: Die Preise für Paneele aus europäischer Produktion liegen mit umgerechnet mehr als 0.50 Cent deutlich darüber.

China baute im ersten Halbjahr 2016 20 GW zu

Ein wesentlicher Grund für die raschen Kostensenkungen ist die starke Nachfrage nach günstiger Solartechnik aus China und den aufstrebenden Solarstaaten Indien und Lateinamerika. Nach Informationen der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua errichteten chinesische Solarunternehmen im ersten Halbjahr 2016 im eigenen Land Solaranlagen mit rund 20 GW Leistung – damit hat China das staatlich vorgegebene Jahresziel von 18 GW bereits erreicht. Durch den starken Zubau im eigenen Land sei die Modulproduktion im ersten Halbjahr um mehr als ein Drittel auf 27 GW angestiegen.

Das Problem aus europäischer Sicht: Hiesige Verbraucher und Investoren profitieren von den Fortschritten und Kostensenkungen in Fernost nicht. Denn 2013 hat die Kommission der Europäischen Union (EU) Anti-Dumping-Zölle auf China-Module beschlossen, um staatlich subventionierte chinesische Billigimporte zu verhindern. Die Abgaben müssen alle chinesischen Hersteller entrichten, die sich nicht im Rahmen eines sogenannten Undertakings verpflichtet haben, für ihre Module einen Mindestpreis von 0.56 Euro pro Watt zu verlangen. Die Konsequenz: „Während die Photovoltaik weltweit boomt, stagniert sie in Europa“, sagt Holger Krawinkel, Sprecher der Solar Alliance for Europe (SAFE), eines Netzwerks von Unternehmen und Verbänden, das sich gegen Modulzölle und für freien Wettbewerb einsetzt. Doch ein baldiges Ende der Maßnahmen ist nicht in Sicht. Derzeit überprüft die EU-Kommission, ob die Sanktionen gegen China noch gerechtfertigt sind. Das Verfahren wird voraussichtlich noch bis Frühjahr 2017 dauern, und zu welchem Schluss die EU-Experten kommen, ist völlig offen.

Fehlende Investoren

Theoretisch gäbe es noch einen anderen Weg zu günstiger Solartechnik in Europa: Die hiesige Solarindustrie würde ebenfalls GW-Fabriken in der Größe asiatischer Produktionen errichten. Noch sind die Pläne für eine gemeinsame europäische „xGWp-Solarfabrik“, die das Fraunhofer-ISE 2013 erstmals ins Spiel brachte, nicht vom Tisch. So hat die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission untersucht, unter welchen Bedingungen eine solche Großproduktion in Europa aktuell Sinn machen würde. Die Hürden hierfür sind nach dem Ergebnis der Untersuchung allerdings technisch wie finanziell immens. Zwar böte der wachsende Weltmarkt genügend Absatzchancen, doch um mit chinesischen Produktionen konkurrieren zu können, müsste die xGWp mit einer Produktionskapazität von mehreren GW konzipiert werden und kurzfristig Module zu Kosten von weniger als 0.40 Euro pro Watt hervorbringen, erklärt der PV-Experte Arnulf Jäger-Waldau von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission. „In China sehen wir bereits Fünf-GW-Fabriken. Für die kleinen europäischen Unternehmen wäre das ein Riesensprung.“

Hauptproblem sei die Finanzierung der Großfabrik, sagt Jäger-Waldau. „Mit der Technologie würde es keine Schwierigkeiten geben, das Know-how ist vorhanden, aber es gibt keine Investoren.“ Ein einfacherer Zugang zu finanziellen Mitteln und eine bessere Infrastruktur für die Solarindustrie könnten Abhilfe schaffen, doch mangele es an der hierfür nötigen Industriepolitik in den Ländern, so Jäger-Waldau. „Eine Maßnahme wäre, Industriegebiete auszuweisen, die für die Solarindustrie bereits verifiziert sind. Aber diese Hilfe haben Hersteller nicht.“ Stattdessen übernehmen in Europa mehr und mehr mit teils üppigen staatlichen Krediten ausgestattete asiatische Solarunternehmen das Ruder. Aleo Solar etwa produziert mittlerweile unter der Flagge der taiwanesischen SAS, Dünnschichtspezialist Avancis ging bereits 2014 an den chinesischen Baukonzern CNBM und Shanghai Electric aus China stieg Anfang dieses Jahres beim Reutlinger Solarmaschinenbauer Manz ein. Auch Roboterspezialist Kuka ist in den Fokus chinesischer Interessenten geraten. „Wenn die Europäer nicht bis 2018 mit einer eigenen Solarproduktion aufwarten, wird der Anschluss an China schwierig“, so Jäger-Waldau.

Folgt: Asiatische Newcomer